5. Tirreno-Etappe an Spannung nicht zu überbieten

Van der Poel gegen Pogacar - ein Zweikampf der Extreme!

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Van der Poel gegen Pogacar - ein Zweikampf der Extreme!"
Mathieu van der Poel ist nach seinem großen Kampf gegen Tadej Pogacar zusammengebrochen | Foto: Cor Vos

14.03.2021  |  (rsn) - Drei überragende Radprofis kämpfen bei Tirreno-Adriatico gegeneinander! Das Ergebnis sind atemberaubende Etappen, wie die fünfte über 205 Kilometer von Castellalto nach Castelfidardo, die Geschichte geschrieben hat.

Die Protagonisten in den Hauptrollen bei regnerischem und kühlem Regenwetter waren Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), die sich einen epischen Zweikampf lieferten, der die starke Leistung von Wout Van Aert (Jumbo – Visma) in den Schatten stellte. Der Belgier gab zwar alles, hatte aber keine Chance gegen die Entfesselten.

An diesem 14. März 2021 passierte so viel, dass es für drei Rennen gereicht hätte. Da war erstens van der Poel, der sich 65,5 Kilometer vor dem Ziel an die Spitze des Hauptfeldes setzte, um der Ausreißergruppe des Tages hinterherzujagen. Mit dieser Aktion sprengte er die Favoritengruppe vom Peloton ab. Zehn Kilometer weiter wurde ihm wieder "langweilig".

Van der Poel fischte sich an der Spitze der Gruppe einen Riegel aus der Rückentasche. Jeder könnte denken, dass er sich nun gemütlich einen Snack zu Gemüte führen würde. Denkste! Als der Niederländer spürte, dass die Konkurrenz hinter ihm einen Moment unaufmerksam war, nahm er den noch verpackten Happen zwischen die Lippen und legte los.

"Ich habe so früh attackiert, weil mir kalt war. Wir waren eine Gruppe von etwa 20 Fahrern, aber wir haben nicht gut zusammengearbeitet. Bei der Abfahrt war ich plötzlich vorn. Ich bin dann einfach weitergefahren", schilderte er später diese Phase.

Van der Poel sah schon wie der sichere Sieger aus

Schnell fuhr er einen Vorsprung von mehr als 50 Metern heraus. Als van der Poel schließlich den Riegel 51 Kilometer vor dem Ziel auspackte, hatte er alle Favoriten abgefrühstückt. In einer rasenden Fahrt vergrößert van der Poel seinen Vorsprung auf drei Minuten. Zu diesem Zeitpunkt sah der Enkel des dreimaligen Tour-de-France-Zweiten Raymond Poulidor wie der sichere Sieger aus.

Nun begann das zweite Rennen im Rennen. Tour-de-France-Sieger Pogacar griff 17 Kilometer vor Schluss aus der Verfolgergruppe heraus an. Nur langsam kam er zunächst dem Führenden näher. Im Finale schien van der Poel dann allerdings einen Hungerast zu erleiden. Entgegen allen Gepflogenheiten nahm er noch mal einen Riegel zu sich, wo ein Gel schnellere Hilfe versprochen hätte. "Die letzten 10 bis 15 Kilometer waren heute wirklich die Hölle für mich. Ich dachte, er würde mich kriegen. Ich konnte nicht mal mehr 200 Watt treten. Ich war völlig leer von der Kälte und dem langen Solo. Ich dachte, das wäre es", schilderte van der Poel, wie er sich in dieser Phase fühlte.

Während der Gewinner der Flandern-Rundfahrt im letzten Anstieg immer langsamer wurde, legte Pogacar immer mehr zu. "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich noch einmal so nahe an van der Poel herankommen würde", gestand der Slowene. Spätestens seit der letztjährigen Tour de France weiß er aber, wie es sich anfühlt, einen Sieg auf den letzten Drücker einzufahren.

Plötzlich nur noch 20 Sekunden Vorsprung

2,5 Kilometer vor der Ziellinie sah er bei nur noch 41 Sekunden Rückstand das Trikot von Alpecin – Fenix erstmals vor sich. 1300 Meter weiter waren es nur noch 21 Sekunden, ehe es in den bis zu 12 Prozent steilen Zielanstieg hinein ging. Doch diesmal ging es für ihn nicht so gut aus wie im Zeitfahren der letzten Tour de France.

Mit letzter Kraft stemmte sich van der Poel gegen die Niederlage. "Das war heute einer meiner härtesten Tage überhaupt auf dem Rad. Bis 20 Kilometer vor dem Ziel habe ich mich gut gefühlt. Dann aber wurde mein Körper plötzlich leer, mir war kalt, es fiel mir immer schwerer", erklärte der 26-Jährige der wieder einmal bewies, welch ein außergewöhnlicher Fahrer er ist.

Zehn Sekunden vor Pogacar erreichte er das Ziel, wo er völlig entkräftet zusammenbrach. "Wenn ich Zweiter geworden wäre, wäre es eine große Enttäuschung gewesen", gestand er später in der Siegerpressekonferenz. Auf die Frage, ob er Geschichte geschrieben habe, antwortete er: "Keine Ahnung. Es fühlt sich für mich so an, weil ich mich nicht an ein Rennen erinnern kann, bei dem ich mich am Ende so gefühlt habe. Ich war einfach tot am Ende. Ich bin froh, dass ich gewonnen habe, aber ich war wirklich tot."

Jetzt liegt van der Poels Fokus auf Mailand - Sanremo

So ähnlich muss sich auch Van Aert gefühlt haben, von dem die Experten eigentlich erwartet hatten, dass er während dieser Klassikeretappe noch mal im  Kampf ums Blaue Trikot würde Boden gutmachen können. "Pogacar war heute extrem stark und Mathieu hat ein historisches Rennen geliefert. Ich konnte nicht folgen, die Kraft reichte nicht. Aber ich habe meinen zweiten Platz gefestigt, und ich werde sehen, ob noch ein Tagessieg möglich ist", blieb der Belgier weiter kämpferisch.

Auch Pogacar nahm die erfolglose Aufholjagd im Nachhinein locker: "Mein Fokus lag darauf, in der Gesamtwertung ein Polster aufzubauen. Das ist mir ganz gut gelungen. Aber gewonnen ist dieses Rennen noch nicht. Ich muss weiter fokussiert bleiben, im Radsport kann viel passieren und wir sind noch nicht im Ziel", sagte er.

Das hat van der Poel mit dem Etappensieg erreicht. Er schielte schon auf das nächste am nächsten Samstag, wenn Mailand-Sanremo ansteht. Er behauptete zwar, seine heroische Fahrt sei "keine Probe für Sanremo" gewesen. Aber der Niederländische Meister sagte auch: "Ich will jetzt bis Samstag ausruhen, und so viel Kraft wie möglich tanken. Das Zeitfahren beim Tirreno ist kein Thema für mich, auch die Sprintetappe nicht. Ich will jetzt wieder zu Kräften kommen."

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.03.2021Die Renneinsätze der Fahrer aus deutschsprachigen Ländern

(rsn) - Die Radsportsaison 2021 nimmt trotz der Corona-Pandemie an Fahrt auf, auch die deutschsprachigen Fahrer sind bereits wieder im Einsatz. Wir liefern Ihnen einen wöchentlichen Überblick über

17.03.2021Fabbro gab alles und behauptete seinen Platz in den Top 5

(rsn) - Ein Vergleich der Ergebnislisten von Tirreno-Adriatico 2020 mit denen der am Dienstag zu Ende gegangenen 56. Auflage der Fernfahrt verdeutlicht den Entwicklungssprung von Matteo Fabbro innerha

17.03.2021Küng: Enttäuschung nach 90 Minuten auf dem heißen Stuhl

(rsn) - Die Enttäuschung war riesengroß! Fast eineinhalb Stunden saß Stefan Küng (Groupama – FDJ) im abschließenden Zeitfahren der Fernfahrt Tirreno-Adriatico auf dem heißen Stuhl. Er durfte s

17.03.2021Ganna: “Ich habe gezeigt, dass ich ein Mensch bin, kein Roboter“

(rsn) - Mit der Referenz von acht Zeitfahrsiegen in Folge war Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) in den abschließenden Kampf gegen die Uhr der Fernfahrt Tirreno-Adriatico gestartet. Doch Wout Van Aert

16.03.2021Die “Fantastischen Vier“ dominieren den Radsport noch lange

(rsn) - Klammert man Primoz Roglic (Jumbo - Visma) aus, der bis zum Schlusstag Paris-Nizza dominierte, so waren in dieser Woche die aktuell wohl besten Radprofis der Welt beim 56. Tirreno-Adriatico i

16.03.2021Pogacar: Mit weißer Weste bis zur Tour de France?

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat auch am flachen Schlusstag entlang der Strandpromenade von San Benedetto del Tronto nichts mehr anbrennen lassen. Der Tour de France-Sieger verlor im 10,1

16.03.2021Van Aert fängt Küng nach Traum-Zeitfahren am Ende noch ab

(rsn) – Wout Van Aert (Jumbo – Visma) hat mit einer Gala-Vorstellung von einem Zeitfahren die Schlussetappe des 56. Tirreno-Adriatico gewonnen und damit auch die Sieges-Serie von Zeitfahr-Weltmeis

16.03.2021Pogacar souveräner Gesamtsieger, Van Aert gewinnt Zeitfahren

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat sich seinen zweiten Rundfahrtsieg der Saison nicht mehr nehmen lassen. Der Slowene, der zuletzt schon die UAE Tour gewonnen hatte, verteidigte im 11,1 Kil

16.03.2021Die Startzeiten aller Fahrer im Zeitfahren von Tirreno-Adriatico

(rsn) - 164 Fahrer starten am Dienstag ins Abschlusszeitfahren von Tirreno-Adriatico über etwas mehr als zehn Kilometer im Küstenordt San Benedetto del Tronto an der Adria. Die Entscheidung über d

16.03.2021Vorschau auf die Rennen des Tages / 16. März

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

15.03.2021Highlight-Video der 6. Etappe von Tirreno-Adriatico

(rsn) - Mads Würtz Schmidt (Israel Start-Up Nation) hat am vorletzten Tag von Tirreno-Adriatico seinen ersten Sieg in einem WorldTour-Rennen gefeiert. Der 26-jährige Däne setzte sich auf der 6. Eta

15.03.2021Würtz Schmidt und seine Begleiter brechen die Moral des Feldes

(rsn) - Viel fehlte nicht und Mads Würtz Schmidt (Israel Start-Up Nation) hätte schon auf der Königsetappe von Tirreno-Adriatico einen großen Coup gelandet. Bei der Bergankunft in Prato di Tivo wu

Weitere Radsportnachrichten

26.12.2025Ziel nach starkem Jahr: “Die zweiten Plätze in Siege umwandeln“

(rsn) – Das sei verraten: So weit vorne wie Max Kanter (XDS – Astana) landete in der RSN-Jahresrangliste 2026 kein anderer deutscher Sprinter. Das liegt zum einen daran, dass lange Zeit dominieren

26.12.2025Mit Uno-X bei den Topsprinterinnen angeklopft

(rsn) – Linda Zanetti (Uno-X Mobility) ist 2025 zu einem der Shootingstars im internationalen Peloton geworden. Nach zwei Jahren beim UAE-Team und einem bei Human Powered Health schloss sich die Sch

26.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

26.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

25.12.2025“Harzige Saison“ ohne Sieg und Tour, aber mit Doppelbronze

(rsn) – Stefan Küng ist sicher kein Legionär. Nach insgesamt sechs Jahren bei BMC sowie derer sieben bei Groupama – FDJ steht 2026 erst zum zweiten Mal in seiner Profilaufbahn ein Tapetenwechsel

25.12.2025Pogacar verdankt Niederlage gegen Vingegaard viel

(rsn) – Als Tadej Pogacar 2019 die Tour de l’Avenir (2.2Ncup) gewann, war er in seinem zweiten U23-Jahr Teil des Drittdivisionärs ROG – Ljubljana. In einer – nachträglich kann man das nicht

25.12.2025Auf Trainingsgruppe schießender Autofahrer festgenommen

(rsn) – Drei Tege nachdem die Trainingsgruppe des Drittdivisionärs S.C. Padovani Polo - Cherry Bank im Etschtal aus einem fahrenden Auto heraus aus nächster Nähe beschossen wurde, wurde der mutma

25.12.2025Baroncini: “Ein Wunder, dass ich noch lebe und sehen kann“

(rsn) – Am 6. August stürzte Filippo Baroncini (UAE – Emirates – XRG) bei der Polen-Rundfahrt (2.UWT) schwer. Er wurde in ein künstliches Koma versetzt und es wurde um sein Leben gefürchtet.

25.12.2025In Chongming um den WorldTour-Sieg gebracht

(rsn) – Zum dritten Mal in ihrer Karriere eroberte Kathrin Schweinberger (Human Powered Health) das Trikot der Österreichischen Meisterin, nachdem sie sich im Burgenland aus einer frühen Gruppe he

24.12.2025Saisonziel erster Profisieg schon früh im Jahr erreicht

(rsn) – Fabio Christen stammt aus einer radsportbegeisterten Familie. Der ältere Bruder von Jan Christen (UAE Emirates – XRG) hat bei Q36.5 Pro Cycling seine sportliche Heimat gefunden und ver

24.12.2025Thomas: “Oscar passt perfekt zu diesem Projekt“

(rsn) – Nach offensichtlich wochenlangen Verhandlungen haben sich Picnic - PostNL und Ineos Grenadiers über einen vorzeitigen Wechsel von Oscar Onley geeinigt. Wie beide Teams bestätigen, wird der

24.12.2025In einem Bilderbuchjahr “mich immer wieder selbst überrascht“

(rsn) – Wenn man dem Begriff ´Beständigkeit´ im deutschen Profiradsport in den letzten Jahren einen Namen geben sollte, dann sicherlich den von Franziska Koch (Picnic – PostNL). Mittlerweile g

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)