RSN-Jahresrangliste 2015, Platz 7: Mieke Kröger

Titelgewinne im Reifeprozess

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Titelgewinne im Reifeprozess"
Mieke Kröger gewann die Zeitfahr-DM 2015 vor Lisa Brennauer (links) und Trixi Worrack (rechts) | Foto: Cor Vos

29.01.2016  |  (rsn) - Mit großen Augen steht Mieke Kröger in der Mathildenstraße in Einhausen vor dem Radgeschäft von Algis Oleknavicius, dem Veranstalter der Deutschen Straßenmeisterschaften 2015. Gerade ist das Einzelzeitfahren der Frauen zu Ende gegangen und die großgewachsene Bielefelderin kann es kaum glauben: Sie ist Deutsche Meisterin, hat Weltmeisterin Lisa Brennauer auf 30 Kilometern um 39 Sekunden geschlagen und Trixi Worrack sogar um 54 Sekunden.

"Ich wusste, dass es knapp ist zwischen uns, aber dass es so 'unknapp' wird, da hatte ich keine Ahnung", erinnert sie sich ein halbes Jahr später an ihren Titelgewinn. Sicher, Brennauer ging angeschlagen ins Rennen, doch an die Bestmarke von Kröger hätte die Weltmeisterin auch in Top-Verfassung erst einmal herankommen müssen. "Ich konnte mich von Kilometer zu Kilometer mehr quälen. Aber gemerkt, wie gut die Zeit ist, habe ich eigentlich erst, als Lisa und Trixi im Ziel waren", so Kröger in der Retrospektive.

Nach dem völlig überraschenden vierten Platz bei der WM in Ponferrada neun Monate zuvor war Krögers Sieg in Einhausen ihr zweiter großer Paukenschlag - gerade weil es von außen betrachtet in den ersten Monaten des Jahres noch nicht so ausgesehen hatte, als sei sie so stark wie im Vorsommer. Im Einzelzeitfahren der tschechischen Rundfahrt Gracia Orlova stürzte die Spezialistin und wurde nur Zwölfte, beim für ihren Geschmack viel zu kurzen Prolog der Auensteiner Radsporttage stand am Ende Rang sieben zu Buche.

Doch der Kurs in Einhausen war Kröger auf den Leib geschneidert: topfeben und mit 30 Kilometern lang genug für ihre Qualitäten. Drei Wochen später wurde sie 17. im profilierteren Zeitfahren der Thüringen-Rundfahrt, doch am 6. August folgte bereits der nächste Titelgewinn bei den U23-Europameisterschaften in Tartuu in Estland - als Top-Favoritin und Titelverteidigerin ein eher erwartbarer Sieg. "Das klingt vielleicht blöd, aber irgendwie: Ja", meint Kröger ohne arrogant klingen zu wollen. "Dort war mir eher wichtig, im Straßenrennen etwas zu zeigen und nicht unterzugehen." Mit Platz sieben gelang Kröger auch das.

Sich in den Straßenrennen zu behaupten, das wird auch künftig eine von Krögers wichtigen Aufgaben werden. Denn ab 2017 dürfte sich ihr Fokus, der bis zu den Olympischen Spielen noch stark auf die Bahn gerichtet ist - Kröger ist ein wichtiger Teil des deutschen Verfolger-Vierers - voll auf die Straßenkarriere verlegen. Erst dann wird man sehen, was wirklich noch alles in der Bielefelderin steckt, die 2015 viel lernte - zum Beispiel im Mannschaftszeitfahren.

"Ich war vollkommen überwältigt davon, wie weh es tut", erinnert sie sich an das Weltcup-Mannschaftszeitfahren mit Velocio-SRAM im schwedischen Vargarda, wo Kröger früh abreißen lassen musste und ihre Mannschaft schließlich erstmals seit Jahren nicht gewann. Trotzdem durfte die 22-Jährige, die von einem turbulenten Sommer auf Bahn und Straße müde war, nach einer Erholungspause mit zur WM nach Richmond und spielte dort letztendlich sogar eine wichtige Schlüsselrolle auf dem Weg zum vierten WM-Titel ihres Teams hintereinander.

Mit einer langen Vollgas-Einlage an der Spitze der Gruppe zog sie ihr Team mit Höchstgeschwindigkeit die letzte Abfahrt hinunter und in den schwierigen Schlussanstieg hinein, wo Velocio-SRAM Boels-Dolmans die Führung noch abjagte. "Wir hatten darüber gesprochen, wie wir es für mich einteilen. Aber dass ich am Ende soweit komme, hätte ich nicht gedacht", gibt Kröger zu, dass sie ganz schön stolz auf ihre Leistung war - zu Recht, wie auch Brennauer und Worrack in Richmond nach dem Rennen erklärten.

Zwei Tage später folgte an selber Stelle jedoch leider auch die größte Enttäuschung in Krögers Straßensaison 2015: das WM-Einzelzeitfahren. Natürlich hatte niemand eine Wiederholung des vierten Platzes aus dem Vorjahr erwartet, doch Platz 19 mit über zwei Minuten Rückstand lag dann doch unter den Erwartungen. "Es war ganz komisch: Ich war vor dem Rennen nicht aufgeregt, wusste aber, dass ich es eigentlich hätte sein müssen. Auf der Strecke lief es dann einfach nicht", erinnert sich Kröger. "Zwei, drei Tage" habe sie anschließend gebraucht, bis sie die Enttäuschung verdaut hatte.

Lange Zeit, um Trübsal zu blasen hatte sie allerdings nicht, denn als Bahnfahrerin ging es nach der Straßen-WM direkt weiter ins Oval, wo Kröger nun bis August an einer möglichst guten Olympia-Performance arbeiten wird. "Danach ziehe ich weiter durch bis zur WM auf der Straße, und dann mache ich sechs Wochen 'La paloma'", blickt sie schon am Saisonanfang aufs Saisonende.

Zuvor aber stehen für Kröger die nächsten großen Schritte auf dem Programm - beginnend mit dem Saisonauftakt mit Canyon-SRAM bei der Katar-Rundfahrt ab kommendem Dienstag und endend mit der Straßen-WM an selber Stelle. Ubrigens: Das WM-Zeitfahren im Oktober wird in der Wüste ähnlich wie das von Einhausen: flach und lang, genau Krögers Ding.

Hier punktete Kröger 2015:
7. Prolog Auensteiner Radsporttage (0,5 Punkte)
1. Deutsche Zeitfahrmeisterschaft (15 Punkte)
1. U23 Zeitfahr-EM (15 Punkte)
7. U23 Straßen-EM (2 Punkte)
2. Weltcup Vargarda Mannschaftszeitfahren (5 Punkte - halbiert weil abgehängt)
1. WM Mannschaftszeitfahren (20 Punkte)

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.02.2016Der nächste Schritt: Rundfahrtsiege statt Regenbogentrikot

(rsn) - Das Regenbogentrikot verloren, aber trotzdem einen großen Schritt nach vorne gemacht: So könnte man Lisa Brennauers Jahr 2015 wohl in einem Satz zusammenfassen. Doch für die Allgäuerin bed

01.02.2016Kapitänsrollen geerbt und sofort voll ausgefüllt

(rsn) - Als Christine Majerus am 17. Juni in Aldeburgh mit ihren Teamkolleginnen auf dem Podium stand und die Zeremonien über sich ergehen ließ, war ihr alles andere als zum Jubeln zumute. Die Luxem

31.01.2016Als Helferin Gold wert und trotzdem so erfolgreich wie lange nicht

(rsn) - Mit nach oben gestreckten Armen und den Blick gen Himmel gerichtet kniet Trixi Worrack auf der East Broad Street in Richmond, Virginia. Die zu diesem Zeitpunkt gerade noch 33-Jährige genießt

30.01.2016Nach schwierigem Jahr jetzt die Olympia-Medaille im Visier

(rsn) - Am 29. März hätte auf einen Schlag sehr viel vorbei sein können. Als Claudia Lichtenberg beim Frühjahrsklassiker Gent-Wevelgem im Sturm von einer Böe erwischt und von der Straße geworfen

30.01.2016Ein Jahr zwischen Magenproblemen und sportlichem Erfolg

(rsn) - Platz fünf - soweit vorne stand Österreichs Nummer eins in der Radsport-News-Jahresrangliste noch nie. Doch auch wenn das auf eine erfolgreiche Saison hindeutet, betont Martina Ritter: "Es w

29.01.2016Der Konkurrenz als Gast das Fürchten gelehrt

(rsn) - Mountainbikerinnen, die auch auf der Straße Erfolg haben, sind keine  Seltenheit. Und im Jahr 2015 reiste die Französin Pauline Ferrand-Prevot sogar für einen Monat als Weltmeisterin in be

17.01.2016Im April platzte der Knoten endlich

(rsn) - Nach einem für sie selbst enttäuschenden ersten Jahr im Elite-Peloton gelang Anna Knauer 2015 der wichtige nächste Schritt: Die 20-Jährige bekam von ihrem Team Rabobank-Liv erstmals das Ve

16.01.2016Erneuter Teamwechsel nach "brutal hartem Lehrjahr"

(rsn) - Krankheit, Verletzungen, Probleme im Team und beim Verband: Für Doris Schweizer war das Jahr 2015 eines zum Vergessen. "Alles in allem würde ich es als ein brutal hartes Lehrjahr verbuchen",

15.01.2016Eine Saison zwischen Straßen-Rückschlägen und Bahn-Medaillen

(rsn) - Mit einem Titelgewinn endete für Charlotte Becker kurz vor Weihnachten ein sehr langes Radsport-Jahr: Am 18. Dezember entschied sie in Frankfurt an der Oder die Deutschen Meisterschaften im S

14.01.2016Triumph auf der Bahn, Weiterentwicklung auf der Straße

(rsn) - Weltmeisterin. Besser hätte das Jahr 2015 für Stephanie Pohl nicht beginnen können. Die Cottbuserin streifte vor den Toren von Paris am 18. Februar überglücklich das Regenbogentrikot übe

13.01.2016Das Tor zur WM blieb für die Altmeisterin zu

(rsn) - Nach einem völlig verkorksten Jahr 2014 mit einem krankheitsbedingten Rückschlag nach dem anderen, hat Hanka Kupfernagel in der Saison 2015 endlich wieder Straßensiege gefeiert. Die inzwisc

09.01.2016Auch ohne UCI-Team endlich auf dem Podium

(rsn) - Am 23. August war es endlich soweit: Daniela Gaß sprintete im französischen Culan am Ende der 2. Etappe der Trophée d´Or dem Zielstrich entgegen und sicherte sich hinter der Australierin K

Weitere Radsportnachrichten

03.05.2024Giro-Favorit Pogacar findet Fixierung auf seine Person “Bullshit“

(rsn) – Am Samstag beginnt der 107. Giro d’Italia – mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) als haushohem Favoriten, der in der öffentlichen Wahrnehmung alle seine Konkurrenten in den Schatten st

03.05.2024HLN: Van Aert kehrt Ende Mai ins Feld zurück

(rsn) – Wout van Aert (Visma - Lease a Bike) nimmt nach seinem schweren Sturz Ende März bei Dwars Door Vlaanderen sein Comeback ins Visier. Wie die Zeitung Het Laatste Nieuws schreibt, plant der B

03.05.2024Für Koch und Sütterlin heißt es: buckeln, buckeln, buckeln

(rsn) – Jonas Koch (Bora – hansgrohe) und Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) sind Helfer, wie sie sich jedes Teams wünscht. Beide erfüllen ohne viel Aufhebens auf fast jedem Terrain zuverlä

03.05.2024Merlier und Kooij führen die Riege der schnellen Männer an

(rsn) – Beim 107. Giro d’Italia wird es für die Sprinter kein gemütliches Einrollen geben. Am Samstag beginnt die erste Grand Tour des Jahres in Venaria Reale nördlich von Turin mit einer schwe

03.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

02.05.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) - An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina ist Demi Vollering (SD Worx – Protime) ins Rote Trikot der Gesamtführenden gestürmt. Die Niederländische Meisterin entschied die 5. Etapp

02.05.2024Im dritten Anlauf klappt es für Bike Aid mit dem Gelben Trikot

(rsn) – Im dritten Anlauf hat es für Yoel Habteab (Bike Aid) mit dem Gelben Trikot bei der Tour du Bénin geklappt. Nachdem ihm die Jury an den ersten beiden Tagen das Führungstrikot jeweils nach

02.05.2024Buchmann zur Giro-Ausbootung: “Komische Begründung“

(rsn) - Bis Ende des Jahres steht Emanuel Buchmann noch bei Bora – hansgrohe unter Vertrag. Ob er verlängert wird, scheint zumindest in diesem Moment nicht sicher. Mit großer Verärgerung tritt de

02.05.2024Arkéa - B&B Hotels verlängert vorzeitig mit Costiou

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

02.05.2024Pogacar thront bei seiner Premiere über allen

(rsn) – Auf dem Papier scheint der 107. Giro d’Italia schon entschieden, noch bevor am Samstag in Venaria Reale nördlich von Turin der Startschuss fällt. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist de

02.05.2024Vollering hängt an erster Bergankunft die Konkurrenz ab

(rsn) – An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) ihre Konkurrentinnen in Grund und Boden gefahren und mit ihrem ersten Saisonsieg auch das Rote Trik

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine