RSN-Jahresrangliste 2015, Platz 9: Doris Schweizer

Erneuter Teamwechsel nach "brutal hartem Lehrjahr"

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Erneuter Teamwechsel nach
Doris Schweizer (Bigla) | Foto: Cor Vos

16.01.2016  |  (rsn) - Krankheit, Verletzungen, Probleme im Team und beim Verband: Für Doris Schweizer war das Jahr 2015 eines zum Vergessen. "Alles in allem würde ich es als ein brutal hartes Lehrjahr verbuchen", bilanziert die 26-Jährige. "Ich bin von einem Rückschlag und einer Enttäuschung zur anderen gekommen. Das zog sich wie ein roter Faden durch die Saison."

Für Schweizer war das im Spätsommer Grund genug, sich einmal mehr zu einem Neuanfang durchzuringen. Obwohl sie erst im Winter von Astana-BePink zum Bigla-Rennstall gewechselt war, unterschrieb sie für 2016 nun einen Vertrag beim neuen US-Team Cylance Pro Cycling. "Ich habe keine andere Lösung mehr gesehen, als einen 'Cut' zu machen und mit Cylance ein ganz neues Kapitel anzufangen", so Schweizer.

Der Teamwechsel lässt darauf schließen, dass sich die Schweizerin beim Heimat-Team Bigla um Team-Manager Thomas Campana nicht wohlgefühlt hat. Und tatsächlich spricht sie im Rückblick auf ihre Saison einige Probleme innerhalb des Rennstalls an. Nach einem schweren Saisonstart - Schweizer war im März wegen eines bakteriellen Infekts für zwei Wochen ans Bett gefesselt - hoffte sie Anfang Mai bei der tschechischen Rundfahrt Gracia Orlova zu ihrer Form zu finden, konnte sich über Gesamtrang acht und Platz zwei in der Bergwertung schließlich aber kaum freuen. "Differenzen innerhalb des Teams führten dazu, dass ich keine Unterstützung bekam. Die eine oder andere Träne musste ich da schon verdrücken", erinnert sie sich.

Kurze Zeit später siegte sie bei der Berner Rundfahrt, einem nicht zum UCI-Kalender zählenden Rennen in der Schweiz, das sie mit Teamkollegin Ashleigh Moolman-Pasio dominierte und schließlich 14 Sekunden vor der Südafrikanerin gewann. Doch schon bei den nächsten Auftritten auf internationalem Level hagelte es wieder Tiefschläge: Der Weltcup in Philadelphia endete für Schweizer wegen eines gebrochenen Bremshebels mangels Ersatzrad vorzeitig. Und beim Giro Rosa war nach vier Etappen Schluss. Schweizer war auf dem dritten Teilstück schwer gestürzt, musste am Knie genäht werden und zog sich eine Gehirnerschütterung zu.

"Meine Symptome wurden zuerst nicht ernst genommen und auf die Hitze geschoben", erzählt sie, dass sie trotzdem zur 4. Etappe antrat und sich bis ins Ziel schleppte. "Alles drehte sich und ich konnte weder Distanzen einschätzen, noch geradeaus fahren. Danach haben mich der Rennarzt und unser Teamarzt nach Hause geschickt." Es folgten erneut zwei Wochen Pause und anschließend ein mühevoller Wiederaufbau der Form, weil durch Konzentrationsprobleme nur kurze Trainingseinheiten möglich waren. "Ich bin durch die Hölle gegangen", sagt Schweizer und beklagt auch in dieser Zeit fehlende Unterstützung vom Arbeitgeber.

"Bei meinem zweiten Comeback der Saison, in Vargarda, traf ich auf ein Team voller Chaos", so Schweizer über den Hochsommer, als Bigla beim Weltcup-Mannschaftszeitfahren in der schwedischen Provinzstadt immerhin auf Rang vier fuhr und auf den ersten Blick daher sehr wohl zu harmonieren schien. Doch in dieser Zeit reifte Schweizers Entschluss, den Rennstall nach nur einer Saison bereits wieder zu verlassen und sich Cylance anzuschließen. Jenem Team, das ausgerechnet Manel Lacambra gründete und um seine Lebensgefährtin Shelley Olds aufbaute - beide waren bis Juni ebenfalls bei Bigla unter Vertrag, verließen die Mannschaft dann aber vorzeitig.

Schweizer hatte sich mit Lacambra und Olds gut verstanden, erklärt sie heute. "Durch Manel habe ich mich in vielen Bereichen verbessert, hatte aber vor allem auch extrem viel Spaß", sagt sie. "Und auch mit Shelley hat die Chemie gepasst. Manel hat mich dann Ende August kontaktiert und ich habe keine Sekunde gezögert mit meiner Entscheidung. Etwas besseres hätte mir zu diesem Zeitpunkt nicht passieren können."

Kurz darauf teilte Schweizer den Entschluss am Rande der Holland Ladies Tour ihrem Teamchef Campana mit. "Das Zusammentreffen eskalierte komplett", erzählt sie. "Als Schweizer Meisterin ein Schweizer Team zu verlassen, das war ein No-Go." Schweizer Meisterin? Ja, die 26-Jährige gewann im Juni den Titel im Einzelzeitfahren - einer der wenigen Lichtblicke in ihrem Jahr, das bei der WM in Richmond mit einem Defekt im Zeitfahren und Platz 80 im Straßenrennen, wo sie für Jolanda Neff fuhr, dem Ende entgegen ging.

Die Streitigkeiten mit Campana seien inzwischen jedoch ausgeräumt, betont Schweizer. "Ich habe mich mit ihm und Bigla ausgesprochen. Es lag nicht unbedingt am Team. Viele Faktoren haben am Ende dazu geführt, dass es für mich ein extrem krasses Jahr wurde."

Zu diesen Faktoren dürfte auch gehört haben, dass der Schweizer Radsportverband im Herbst die Mittel für den Frauenradsport drastisch kürzte. "Unser Nationalcoach wurde unfair abserviert, sprich der Frauen-Straßenradsport ist am Ende", meint Schweizer, die selbst nicht mehr Teil der Nationalmannschaft ist, im Herbst kein Trainingsrad mehr vom Verband bekam und auf Grund von Medienberichten davon ausgeht, dass sie auf einen Olympia-Startplatz in Rio keine Chance hat. "Aus den Medien habe ich erfahren, dass man im Verband auf Neff und Brändli setzt. Das ist quasi beschlossene Sache." Da die Schweiz voraussichtlich zwei Startplätze für das bergige Rennen in Rio bekommen wird, wäre für Schweizer dann kein Platz.

Ihre Konzentration gilt daher nun voll und ganz den neuen Aufgaben im nicht vollständig neuen Umfeld bei Lacambra und Cylance Pro Cycling. "Ich werde mich auf die schweren Rundfahrten wie Tour of the Gila, den Giro, die Tour of California und Bira fokussieren", kündigt Schweizer an. "Ich wurde ins Team geholt, weil die Teamleitung daran glaubt, dass ich das Potenzial habe, aufs Podest zu fahren."

Ein Podiumsplatz bei einer dieser Rundfahrten wäre wohl ein größerer Erfolg als alles, was Schweizer im Jahr 2015 erreicht hat. Doch die 26-Jährige muss sich teamintern zunächst gegen das italienische Kletter-Talent Rossella Ratto durchsetzen, das ebenfalls Ansprüche auf dieselben Rennen anmelden wird.

Hier punktete Schweizer 2015:
7. Etappe 1, Gracia Orlova (0,5 Punkte)
8. Gesamt, Gracia Orlova (5 Punkte)
2. Bergwertung, Gracia Orlova (3 Punkte)
1. Schweizer Zeitfahrmeisterschaft (8 Punkte)
3. Schweizer Straßenmeisterschaft (3 Punkte)
4. Mannschaftszeitfahren Weltcup Vargarda (3 Punkte)
10. 94.7 Cycle Challenge (6 Punkte)

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.02.2016Der nächste Schritt: Rundfahrtsiege statt Regenbogentrikot

(rsn) - Das Regenbogentrikot verloren, aber trotzdem einen großen Schritt nach vorne gemacht: So könnte man Lisa Brennauers Jahr 2015 wohl in einem Satz zusammenfassen. Doch für die Allgäuerin bed

01.02.2016Kapitänsrollen geerbt und sofort voll ausgefüllt

(rsn) - Als Christine Majerus am 17. Juni in Aldeburgh mit ihren Teamkolleginnen auf dem Podium stand und die Zeremonien über sich ergehen ließ, war ihr alles andere als zum Jubeln zumute. Die Luxem

31.01.2016Als Helferin Gold wert und trotzdem so erfolgreich wie lange nicht

(rsn) - Mit nach oben gestreckten Armen und den Blick gen Himmel gerichtet kniet Trixi Worrack auf der East Broad Street in Richmond, Virginia. Die zu diesem Zeitpunkt gerade noch 33-Jährige genießt

30.01.2016Nach schwierigem Jahr jetzt die Olympia-Medaille im Visier

(rsn) - Am 29. März hätte auf einen Schlag sehr viel vorbei sein können. Als Claudia Lichtenberg beim Frühjahrsklassiker Gent-Wevelgem im Sturm von einer Böe erwischt und von der Straße geworfen

30.01.2016Ein Jahr zwischen Magenproblemen und sportlichem Erfolg

(rsn) - Platz fünf - soweit vorne stand Österreichs Nummer eins in der Radsport-News-Jahresrangliste noch nie. Doch auch wenn das auf eine erfolgreiche Saison hindeutet, betont Martina Ritter: "Es w

29.01.2016Der Konkurrenz als Gast das Fürchten gelehrt

(rsn) - Mountainbikerinnen, die auch auf der Straße Erfolg haben, sind keine  Seltenheit. Und im Jahr 2015 reiste die Französin Pauline Ferrand-Prevot sogar für einen Monat als Weltmeisterin in be

29.01.2016Titelgewinne im Reifeprozess

(rsn) - Mit großen Augen steht Mieke Kröger in der Mathildenstraße in Einhausen vor dem Radgeschäft von Algis Oleknavicius, dem Veranstalter der Deutschen Straßenmeisterschaften 2015. Gerade ist

17.01.2016Im April platzte der Knoten endlich

(rsn) - Nach einem für sie selbst enttäuschenden ersten Jahr im Elite-Peloton gelang Anna Knauer 2015 der wichtige nächste Schritt: Die 20-Jährige bekam von ihrem Team Rabobank-Liv erstmals das Ve

15.01.2016Eine Saison zwischen Straßen-Rückschlägen und Bahn-Medaillen

(rsn) - Mit einem Titelgewinn endete für Charlotte Becker kurz vor Weihnachten ein sehr langes Radsport-Jahr: Am 18. Dezember entschied sie in Frankfurt an der Oder die Deutschen Meisterschaften im S

14.01.2016Triumph auf der Bahn, Weiterentwicklung auf der Straße

(rsn) - Weltmeisterin. Besser hätte das Jahr 2015 für Stephanie Pohl nicht beginnen können. Die Cottbuserin streifte vor den Toren von Paris am 18. Februar überglücklich das Regenbogentrikot übe

13.01.2016Das Tor zur WM blieb für die Altmeisterin zu

(rsn) - Nach einem völlig verkorksten Jahr 2014 mit einem krankheitsbedingten Rückschlag nach dem anderen, hat Hanka Kupfernagel in der Saison 2015 endlich wieder Straßensiege gefeiert. Die inzwisc

09.01.2016Auch ohne UCI-Team endlich auf dem Podium

(rsn) - Am 23. August war es endlich soweit: Daniela Gaß sprintete im französischen Culan am Ende der 2. Etappe der Trophée d´Or dem Zielstrich entgegen und sicherte sich hinter der Australierin K

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2024Zu früh gefreut: Van Poppel zurückgesetzt, Lonardi Etappensieger

(rsn) – Nachdem es an den ersten beiden Tagen der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) nicht nach Wunsch gelaufen war, schien bei Bora – hansgrohe auf der 3. Etappe der Knoten geplatzt. Danny van Poppel

23.04.2024Kletterspektakel mit gehörigem Zeitfahr-Einschlag

(rsn) – Die Tour de Romandie war einst die letzte große und wichtige Vorbereitungs-Rundfahrt für den Giro d´Italia. Giro-Favoriten entschieden sich damals zwischen der Schweizer Rundfahrt und dem

23.04.2024Startliste zum Prolog der 77. Tour de Romandie

(rsn) – Der Schweizer Nationalfahrer Luca Jenni eröffnet um 14.50 Uhr den Prolog zur 77. Tour de Romandie (2.WWT). Der nur 2,3 Kilometer lange Parcours von Payerne ist zwar bretteben, dürfte mit s

23.04.2024Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die sechstägige Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertypen etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen ihr

23.04.2024Tour de France Femmes ohne Vorjahreszweite Kopecky

(rsn) – Die Vorjahreszweite Lotte Kopecky (SD Worx-Protime) wird auf die am 12. August in Rotterdam beginnende 3. Tour de France Femmes verzichten. Stattdessen wird sich die Weltmeistern auf die Oly

23.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

22.04.2024Highlight-Video der 2. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat nach der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg bejubeln können. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von

22.04.2024Tour of Turkiye: Taktischer Fehler kostete Dorn das Bergtrikot

(rsn) – Auch auf der 2. Etappe der Tour of Türkiye (2.Pro) haben die deutschen Kontinental-Teams Bike Aid und Rembe Sauerland das Renngeschehen geprägt. Auf dem 190 Kilometer langen Teilstück zw

22.04.2024Kanter sprintet bergauf zu seinem ersten Profisieg

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat auf der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg eingefahren. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von Kemer

22.04.2024Wiebes wie Kopecky bis Ende 2028 bei SD Worx – Protime

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

22.04.2024SD Worx - Protime: Sponsoren bleiben an Bord

(rsn) – Bei den Ardennenklassikern blieb das erfolgsverwöhnte Team SD Worx – Protime ohne Sieg. Dafür allerdings konnte der niederländische Frauen-Rennstall am Tag nach Lüttich-Bastogne-Lütti

22.04.2024Van der Poel: “Auch in Top-Form kann ich Tadej nicht folgen“

(rsn) – Auch wenn es nicht zum dritten Sieg bei einem Monument in dieser Saison reichte, gehörte Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu den Gewinnern des 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich.

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)