Giro: Dumoulin baut Gesamtführung aus

Wellens zeigt in Roccaraso, was in ihm steckt

Foto zu dem Text "Wellens zeigt in Roccaraso, was in ihm steckt"
Tim Wellens (Lotto Soudal) reckt in Roccaraso sein Rad in die Höhe. | Foto: Cor Vos

12.05.2016  |  (rsn) – Tim Wellens (Lotto Soudal) präsentierte in 1.572 Metern Höhe auf der Ziellinie der 6. Giro-Etappe den Fans stolz sein Arbeitsgerät. An der ersten Bergankunft der 99. Italien-Rundfahrt schwenkte der Belgier das Rad, auf dem er gerade zum bisher größten Erfolg seiner Profikarriere gestürmt war, über seinem Kopf und ließ sich von den Tifosi bejubeln.

Zwei Tage nach seinem 25. Geburtstag konnte sich Wellens dabei viel Zeit lassen. Denn nachdem er bereits zu Beginn des 16,8 Kilometer langen Schlussanstiegs nach Roccaraso aus einer vierköpfigen Ausreißergruppe heraus attackiert hatte, konnte der Teamkollege von André Greipel von den Favoriten nicht mehr gestellt werden und behauptete 1:19 Minuten Vorsprung auf Jakob Fuglsang (Astana), der sich Rang zwei vor dem Russen Ilnur Zakarin (Katusha) sicherte und dadurch im Gesamtklassement auf den zweiten Platz vorrückte.

Zum Rosa Trikot reichte es für den Edelhelfer von Vincenzo Nibali dennoch nicht. Das verteidigte mit großer Souveränität Tom Dumoulin (Giant-Alpecin), der zwei Sekunden hinter Fuglsang Vierter wurde und im Gesamtklassement nun 26 Sekunden Vorsprung auf den Dänen hat, der sieben Positionen gut machte. Zwei weitere Sekunden dahinter folgt Zakarin, der um fünf Plätze vorrückte. Der Luxemburgische Meister Bob Jungels (Etixx-Quick-Step) fiel als Etappendreizehnter zwar um zwei Plätze auf Rang vier zurück, fährt aber weiter im Weißen Trikot des besten Jungprofis.

In dieser Wertung mischt Wellens nicht mehr mit, dennoch zählt auch er zu den Talenten, denen eine große Zukunft vorausgesagt wird. Am Donnerstag unterstrich er eindrucksvoll, über welche Qualitäten er verfügt. "Ich hatte mir vor dem Start des Giro einen Etappensieg vorgenommen. Der Druck war stark, doch jetzt habe ich ihn“, freute sich Wellens im Eurosport-Interview über seinen ersten Sieg bei einer GrandTour, der zugleich der zweite Lotto Soudal-Erfolg in Folge war, nachdem Greipel gestern die 5. Etappe gewonnen hatte. Bereits morgen wird er sich wieder in den Dienst des Hürthers stellen, um so einen weiteren Coup seines Teams zu ermöglichen. „Morgen arbeiten wir wieder, damit André Greipel gewinnt“, kündigte Wellens an.

"Nach dem gestrigen Tag wollten wir uns eigentlich etwas erholen und vielleicht eine Fluchtgruppe erreichen“, erklärte Lotto Soudal-Sportdirektor Frederik Willems. „Doch es kam etwas anders. Der gestrige Sieg war eine starke Mannschaftsleistung, der von heute ein toller Soloritt. So ist das natürlich gut gelaufen!"

Am Freitag könnte es für Dumoulin wieder etwas entspannter zugehen, nachdem sein Team heute den Großteil der nur 157 Kilometer langen Etappe gefordert war. Dabei musste sich der Niederländer keine Sorgen um Wellens und dessen Begleiter machen, die im Gesamtklassement allesamt weit abgeschlagen waren. Vielmehr richtete Dumoulin seine ganze Konzentration auf die Konkurrenten im Kampf um das Rosa Trikot.

Dabei zeigte der 25-Jährige im zwar langen, aber im Schnitt nur vier Prozent steilen Schlussanstieg eine taktische Meisterleistung. Zunächst noch von zwei Teamkollegen unterstützt, reagierte Dumoulin sofort, als Astana-Kapitän Nibali rund drei Kilometer vor dem Ziel in die Offensive ging.

Nachdem Team Sky den Vorstoß des Giro-Siegers von 2013 neutralisiert hatte, setzte Dumoulin sofort seine Konterattacke, schloss mit Zakarin und Domenico Pozzovivo im Schlepptau zu Fuglsang und dem Weißrussen Konstantin Siutsou (Dimension Data) auf, die beide rund 13 Kilometer vor dem Ziel aus der Favoritengruppe davongezogen waren.

Auf der ansteigenden Zielgeraden fehlte Dumoulin gegen Fuglsang und Zakarin zwar die Kraft, um noch wertvolle Bonussekunden einzustreichen, doch konnte er gegenüber Nibali, der am Ende nur Siebzehnter wurde, 21 Sekunden gutmachen – und auch gegenüber den Spaniern Alejandro Valverde (Movistar/10.) und Mikel Landa (Sky/14.) waren es derer 14 respektive 21.

"Ich hatte keine Attacke geplant. Doch wenn sich eine Gelegenheit bietet, muss man sie nutzen. Der Anstieg kam mir entgegen. Man braucht dafür gute Beine, die hatte ich heute“, fasste Dumoulin im Ziel gegenüber Eurosport den ersten Tag in den Bergen zusammen. Ehe die Favoriten spät in Erscheinung traten, stand die im Regen gestartete und bei Sonnenschein zu Ende gegangene Etappe ganz im Zeichen der Ausreißer.

Am Fuß des ersten der zwei kategorisierten Anstiege des Tages zur Bocca di Selva (2. Kat.), die in 1.393 Metern überquert wurde, hatten sich der Italiener Alessandro Bisolti (Nippo - Vini Fantini), der Albaner Eugert Zhupa (Wilier Trestina-Southeast) und der Russe Alexandr Kolobnev (Gazprom-Rusvelo) davongemacht und einen Maximalvorsprung von rund sieben Minuten erarbeitet. Bisoti sicherte sich an der Bergwertung die Maximalpunktzahl und sorgte so mit dafür, dass sein Teamkollege Damiano Cunego das Blaue Bergtrikot verteidigte.

Als in der Abfahrt das Tempo herausgenommen wurde, konnte die Spitzengruppe – in der Kolobnev nicht mehr dabei war – ihren Vorsprung wieder ausbauen. Doch das Trio wurde von Wellens, dessen Teamkollegen Pim Ligthart und dem Luxemburger Laurent Didier (Trek-Segafredo) gejagt, die eine Verschnaufpause des Feldes nutzen, um eine erfolgreiche Aufholjagd zu starten.

"Ich hatte mir schon vor dem Start vorgenommen, in eine Fluchtgruppe zu gehen“, erklärte Wellens, der dieses Vorhaben dann mit einiger Verzögerung in die Tat umsetzte. „Ich habe gemerkt, dass nicht sehr schnell gefahren wird, deshalb bin ich mit Didier mitgegangen und gemeinsam haben wir dann die Fluchtgruppe erreicht."

Dabei stellte sich Ligthart ganz in den Dienst seines Kapitäns und sorgte dafür, dass 63 Kilometer vor dem Ziel aus dem Spitzenduo ein Quintett wurde, das sich in der Folge einen Vorsprung von fast neun Minuten herausfuhr, ehe erst auf den letzten 20 Kilometern Lampre-Merida, Orica-GreenEdge und schließlich Astana Tempo bolzten. Zwar schmolz der Rückstand, doch nicht genug, um doch noch in den Kampf um den Tagessieg einzugreifen.

Den holte sich schließlich Wellens, in dem er eine Attacke von Didier rund 15 Kilometer vor dem Ziel mit Leichtigkeit konterte und in der Folge mit kleiner Übersetzung, aber großer Kraft den unrhythmischen Anstieg hinauf nach Roccaraso bewältigte.

 

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.06.2016Der 99. Giro d´Italia von A bis Z

(rsn) - Der 99. Giro d´Italia endete in einem spannenden Finale mit dem zweiten Erfolg von Vincenzo Nibali (Astana) nach 2013. Das ist fast allen bekannt. Doch es gibt auch viele wichtige und unwicht

30.05.2016Majka: Es fehlte der gewisse "Boom"

(rsn) – Zum angestrebten Podiumsplatz hat es für Rafał Majka bei der 99. Italien-Rundfahrt letztendlich nicht gereicht. Der Pole kann zwar mit seiner Leistung in den letzten drei Wochen und au

30.05.2016Nibali hat ein großes Kapitel im Giro-Geschichtsbuch sicher

(rsn) – Mit einem unglaublichen Comeback hat sich Vincenzo Nibali doch noch den Gesamtsieg und ein großes Kapitel im Geschichtsbuch des Giro d´Italia gesichert. Um die Bedeutung der Ereignisse des

30.05.2016Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 21. Etappe

(rsn) - Zum Auftakt des 99. Giro d´Italia in Apeldoorn waren am Freitag 198 Fahrer mit von der Partie. Längst nicht alle haben am 29. Mai das Ziel in Turin erreicht. Sturzverletzungen, Erkrankungen,

30.05.2016Kluge geht in Turin leer aus, freut sich aber für Arndt

(rsn) – Nach seinem Coup von Cassano d‘Adda ging Roger Kluge auf der letzten Giro-Etappe zwar leer aus. Dafür konnte sich der IAM-Profi, der nach 163 Kilometern von Cuneo nach Turin Rang 42 beleg

29.05.2016Vegni: "Nibali hat uns ein großartiges Finale beschert"

(rsn) – Nach dem Ende des 99. Giro d’Italia stand Renndirektor Mauro Vegni radsport-news.com zu einem Interview zur Verfügung. Dabei sprach der Italiener über die Siegesserie der deutschen Sprin

29.05.2016Arndt zeigt Mitgefühl für "Verlierer" Nizzolo

(rsn) - Plötzlich Etappensieger beim Giro d’Italia, ohne als Erster über den Zielstrich gefahren zu sein - ein ungewohntes wie seltsames Gefühl für Nikias Arndt (Giant-Alpecin). Entsprechend ver

29.05.2016Nibali erinnert die Italiener an den großen Coppi

Turin (dpa) - Die italienischen Radsport-Fans fühlten sich an den großen Fausto Coppi erinnert. Mit unbändigem Willen riss Vincenzo Nibali - wie der Campione im Jahr 1953 - mit einem sagenha

29.05.2016Jungels mit gezieltem Bergtraining zum Höhenflug

(rsn) – Zum Abschluss des 99. Giro d`Italia musste sich Matteo Trentin (Etixx-Quick-Step) in Turin hinter Nikias Arndt (Giant-Alpecin) zwar mit Rang zwei zufrieden geben. Der Italiener konnte sich z

29.05.2016Highlight-Video der 21. Giro-Etappe

(rsn) – Für Vincenzo Nibali (Astana) entwickelte sich die 21. und letzte Etappe des 99. Giro d’Italia zum Schaulaufen. Während der Italiener am Sonntag sein Rosa Trikot sicher ins Ziel brachte,

29.05.2016Arndt gewinnt die Schlussetappe am Grünen Tisch

(rsn) - In Turin wurde am Sonntag der Schlusspunkt des 99. Giro d’Italia gesetzt. Drei Wochen nach dem Start im niederländischen Apeldoorn war die norditalienische Metropole Schauplatz der letzten

29.05.2016Nibali feiert Gesamtsieg, Arndt gewinnt Finale in Turin

(rsn) – Vincenzo Nibali (Astana) hat zum zweiten Mal nach 2013 den Giro d’Italia gewonnen. Die abschließende 21. Etappe, die am Sonntag über 163 Kilometer von Cuneo nach Turin führte, entwickel

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2024Zu früh gefreut: Van Poppel zurückgesetzt, Lonardi Etappensieger

(rsn) – Nachdem es an den ersten beiden Tagen der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) nicht nach Wunsch gelaufen war, schien bei Bora – hansgrohe auf der 3. Etappe der Knoten geplatzt. Danny van Poppel

23.04.2024Kletterspektakel mit gehörigem Zeitfahr-Einschlag

(rsn) – Die Tour de Romandie war einst die letzte große und wichtige Vorbereitungs-Rundfahrt für den Giro d´Italia. Giro-Favoriten entschieden sich damals zwischen der Schweizer Rundfahrt und dem

23.04.2024Startliste zum Prolog der 77. Tour de Romandie

(rsn) – Der Schweizer Nationalfahrer Luca Jenni eröffnet um 14.50 Uhr den Prolog zur 77. Tour de Romandie (2.WWT). Der nur 2,3 Kilometer lange Parcours von Payerne ist zwar bretteben, dürfte mit s

23.04.2024Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die sechstägige Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertypen etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen ihr

23.04.2024Tour de France Femmes ohne Vorjahreszweite Kopecky

(rsn) – Die Vorjahreszweite Lotte Kopecky (SD Worx-Protime) wird auf die am 12. August in Rotterdam beginnende 3. Tour de France Femmes verzichten. Stattdessen wird sich die Weltmeistern auf die Oly

23.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

22.04.2024Highlight-Video der 2. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat nach der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg bejubeln können. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von

22.04.2024Tour of Turkiye: Taktischer Fehler kostete Dorn das Bergtrikot

(rsn) – Auch auf der 2. Etappe der Tour of Türkiye (2.Pro) haben die deutschen Kontinental-Teams Bike Aid und Rembe Sauerland das Renngeschehen geprägt. Auf dem 190 Kilometer langen Teilstück zw

22.04.2024Kanter sprintet bergauf zu seinem ersten Profisieg

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat auf der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg eingefahren. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von Kemer

22.04.2024Wiebes wie Kopecky bis Ende 2028 bei SD Worx – Protime

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

22.04.2024SD Worx - Protime: Sponsoren bleiben an Bord

(rsn) – Bei den Ardennenklassikern blieb das erfolgsverwöhnte Team SD Worx – Protime ohne Sieg. Dafür allerdings konnte der niederländische Frauen-Rennstall am Tag nach Lüttich-Bastogne-Lütti

22.04.2024Van der Poel: “Auch in Top-Form kann ich Tadej nicht folgen“

(rsn) – Auch wenn es nicht zum dritten Sieg bei einem Monument in dieser Saison reichte, gehörte Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu den Gewinnern des 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich.

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)