Mayers Kolumbien-Tagebuch / 6. Etappe

Mit fürchterlichem Ohrwurm den Scharfrichter hochgefahren

Von Yannick Mayer

Foto zu dem Text "Mit fürchterlichem Ohrwurm den Scharfrichter hochgefahren"
Yannick Mayer (Bike Aid) | Foto: Bike Aid

12.08.2014  |  (rsn) - Die Anspannung vor der heutigen Etappe war bei uns im Team förmlich greifbar. Beim Frühstück wurde wenig gesprochen und jeder achtete nochmals besonders darauf, hochwertige Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Ein Blick auf das Höhenprofil und jedem wurde klar, woher diese Anspannung kam.

Eine Etappe über 158 Kilometer mit vier Bergen der 3. Kategorie und einem Monstrum der Ehrenkategorie. Am Vortag hatte Oscar Sevilla im Sieger-Interview zugegeben, Respekt vor dem Berg und Angst vor den kolumbianischen Konkurrenten zu haben. Richard musste heute sein Trikot verteidigen und für uns restliche Fahrer ging es darum, die Etappe im Zeitlimit zu überstehen.

Wäre nur der HC-Berg bei Etappenmitte das einzige Hindernis gewesen, hätte das auch kein Problem dargestellt. Nach dem Start folgten jedoch drei Berge der 3. Kategorie direkt aufeinander, so dass mein Aufenthalt im Feld heute exakt zwei Kilometer dauerte. Daniel kam etwas später zurück und sogar einige Kolumbianer scharten sich um uns herum. Auch an ihnen geht die Rundfahrt nicht spurlos vorbei.

Mit unserer Kleingruppe, zu der sich zwischenzeitlich auch noch der Großteil der italienischen Area Zero-Mannschaft hinzugesellt hatte, erreichten wir den „Scharfrichter“ dieser Etappe, jenen 25 Kilometer langen HC-Anstieg. Bis ich das erste Mal Kontakt zu unserem zweiten Teamwagen hatte und durch das Gespräch mit Karsten auf andere Gedanken kam, hatte ich einen fürchterlichen Ohrwurm. Der Werbesong der Rügenwalder Mühle für ihre Pommersche Leberwurst ging mir nicht aus dem Kopf. Vermutlich, weil ich mir den Feierabend so sehr herbeisehnte.

Nach der Etappe erzählte ich Daniel davon und er hatte ein ähnliches Erlebnis, jedoch mit der Euronics Werbung. Da hatte ich es besser, ich hatte immerhin noch Text.

Der Anstieg wurde in einem Tempo absolviert, das gerade noch erträglich war und die Gruppe wartete immer wieder kurz, wenn Fahrer in den Steilstücken Probleme hatten. Die darauf folgende Abfahrt war sehr technisch und wurde eher defensiv gefahren, was auch daran lag, dass es neben der Straße stellenweise 60 Meter in die Tiefe ging.

Am Ende der Abfahrt liefen wir auf einen gestürzten Fahrer auf, der im Gesicht und überall auf der rechten Seite aufgeschürft war. Aufgrund seiner späteren Fahrweise im Gruppetto dachte ich mir: „Der sieht jetzt aus, wie er aussieht, weil er fährt, wie er fährt“.

Die Gruppe lief gut und auch die Karenzzeit war wider Erwarten kein Problem. Der letzte Berg der 3. Kategorie war jedoch falsch eingestuft. Es ging über 25 Kilometer so schleimig bergauf, das hätte mindestens eine 2. Kategorie sein müssen. Das war dann aber auch vollends egal. So groß die Anspannung vorher war, so erleichtert waren wir letztendlich im Ziel, dass es doch gereicht hat. Richard hat sein Trikot mit deutlichem Abstand verloren, aber als Zeitfahrer schlägt er sich sehr tapfer und geht jeden Tag bis zum Äußersten.

Jetzt freue ich mich auf den morgigen Ruhetag. Ich muss zum Friseur, neues Haarspray und Sonnencreme besorgen, und mein Rad bekommt auch wieder die Aufmerksamkeit, die es für seine treuen Dienste eigentlich täglich verdient hätte. Eine kleine Trainingsrunde und der obligatorische Café-Besuch werden es vermutlich auch noch werden.

Grüße aus Pereira,

Euer Yannick

Mehr Informationen zu diesem Thema

18.08.2014Wir kommen wieder - aber nicht als Radfahrer

(rsn) - Letzter Tag und nur 100 Kilometer auf einem schönen Rundkurs in der Stadt, was will man mehr? Gut, vielleicht einen fast sicheren Gesamtsieger, dessen Mannschaft das Geschehen unter Kontrolle

17.08.2014Bergzeitfahren bei Nacht - ein surreales Erlebnis

(rsn) - Als vorletzte Etappe der Kolumbien-Rundfahrt hatte sich der Veranstalter ein besonderes Schmankerl ausgedacht: ein Bergzeitfahren über 17 Kilometer bei Nacht. Es ging von Medellin zum Alto de

16.08.2014Vanilleduft oder Sinnestäuschung?

(rsn) - Heute darf ich leider nur noch von vier aktiven Bike Aid Fahrern berichten. Wie es sich bereits gestern Abend angedeutet hat, konnte Richard nicht mehr zur 9. Etappe antreten. Nach einer schla

15.08.2014So langsam geht es an die Substanz

(rsn)  So langsam sehne ich mir das Ende der Rundfahrt herbei und auch mein Körper schreit regelrecht danach. Ich bin heute Morgen im selben Zustand aufgewacht, in dem ich gestern Abend ins Bett geg

14.08.2014Aus dem lockeren Tag wurde doch noch ein harter

(rsn) - Vor der heutigen 7. Etappe der Kolumbien-Rundfahrt durften wir einen Ruhetag genießen. Dieser ist übrigens Pflicht bei Rennen von mehr als zehn Tagen. Wir blieben also einen weiteren Tag in

11.08.2014„I really, really don’t like this race“

(rsn) - Das heutige Resümee fällt etwas knapper aus als das doch sehr emotionale von gestern. Viel gibt es auch nicht zu berichten, obwohl auch diese Etappe wieder anders verlief als erwartet. Der S

10.08.2014Im Ziel brachen bei mir alle Dämme

(rsn) - Vor der heutigen Etappe war bei mir die Angst riesengroß, am Abend nicht mehr im Rennen zu sein. Eine deutlich längere Etappe mit sehr geringer Karenzzeit war nicht gerade das, wonach mir de

09.08.2014Man fühlt sich wie im Circus Maximus

Den Tagesverlauf der dritten Etappe muss ich zumindest teilweise chronologisch schildern, um ein authentisches Gefühl dafür vermitteln zu können, wie es uns momentan geht. Der Sinn für die Schö

08.08.2014Doch nicht Letzter!

(rsn) - Es gibt Rundfahrten, die super organisiert sind und uns Fahrern große Freude bereiten, sofern man von den vier Stunden Radrennen jeden Tag absieht. Die Vuelta a Colombia gehört zu dieser Kat

07.08.2014Die beste Regelung seit Erfindung des Zeitfahrens spielte uns in die Karten

(rsn) - Vor der Ankunft am Startort stand für unsere Truppe noch ein kleiner Inlandsflug von Bogota nach Bucaramanga auf dem Programm. Wollte man eine Rangliste der spektakulärsten Landebahnen diese

Weitere Radsportnachrichten

07.07.2025Decathlon übernimmt Team komplett: “Wollen Superteam werden“

(rsn) – Das Team Decathlon – AG2R wird sein Budget für die Saison 2026 von 30 auf 40 Millionen Euro erhöhen und künftig dem Sportartikelhersteller gehören. Wie am Montag in Lille, dem Sitz der

07.07.2025Tour de France fordert zum Verzicht auf Pyrotechnik auf

(rsn) – Die Tour-de-France-Veranstalterin ASO hat Fans in einem Social-Media-Beitrag aufgefordert, das Abbrennen von Pyrotechnik am Straßenrand zu unterlassen. "Für Eure eigene Sicherheit und die

07.07.2025Windkante oder Massensprint?

Wie am Tag zuvor führt auch die 3. Etappe vom Landesinneren nach Westen an die Küste. Das Profil ist dieses Mal aber sehr flach und es sieht auf dem Papier nach einer klassischen Sprintetappe aus, a

07.07.2025Mauro Brenner und Riedmann gewinnen Deutsche U23-Meistertitel

Die Ybbstaler Alpen in Niederösterreich waren am Wochenende Schauplatz der Vier-Länder-Meisterschaften der Klasse U23. Seit einigen Jahren kämpfen die Nationalverbände von Deutschland, Österreich

07.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

07.07.2025Sorgen um Girmays Knie nach Schlag gegen den Vorbau

(rsn) – Das Team Intermarché – Wanty hat auf der 2. Etappe der Tour de France lange Zeit gemeinsam mit Alpecin – Deceuninck die Führungsarbeit im Hauptfeld übernommen. Der Grund lag auf der H

06.07.2025Pogacar freut sich nach Auftakt-Wochenende auf das Bergtrikot

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat den Etappensieg in Boulogne-sur-Mer am zweiten Tag der Tour de France 2025 im Sprint gegen Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) verpasst

06.07.2025Das Geheimnis hinter den Siegen von Philipsen und van der Poel

(rsn) - Zwei Siege, zwei Gelbe Trikots, zwei Männer, die das, teils auch mit gemeinsamer Unterstützung erreicht haben – besser konnte der Auftakt dieser Tour de France für Alpecin - Deceuninck ka

06.07.2025Buchmann beeindruckt an ungeliebten kurzen Rampen

(rsn) – Emanuel Buchmann vom Team Cofidis ist hinsichtlich seiner Qualitäten nun wirklich kein Puncheur an kurzen, knackigen Anstiegen. Und die gab es am zweiten Tag der 112. Tour de France (2.UWT)

06.07.2025Bei der Tour findet van der Poel seine Sprinterbeine wieder

(rsn) - Dass das Critérium du Dauphiné (2.UWT) der Tour de Suisse (2.UWT) als Vorbereitungsrennen Nummer eins auf die Frankreich-Rundfahrt den Rang abgelaufen hat, ist nichts Neues. Die Veranstalter

06.07.2025Lipowitz attackierte im Finale “einfach nach Gefühl“

(rsn) – Als der Sportliche Leiter von Red Bull – Bora – hansgrohe, Rolf Aldag, im Zielinterview der 2. Etappe der 112. Tour de France von Lauwin-Planque nach Boulogne-sur-Mer auf den Rennverlauf

06.07.2025Reusser holt sich das Auftaktzeitfahren beim Giro d’Italia

(rsn) - Marlen Reusser (Movistar) hat das Auftaktzeitfahren des Giro d´Italia Women gewonnen und sich das erste Rosa Trikot des Rennens gesichert. Die Schweizerin war auf dem 14,2 Kilometer langen Ku

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Tour of Magnificent Qinghai (2.Pro, CHN)