Mayers Kolumbien-Tagebuch/ 3. Etappe

Man fühlt sich wie im Circus Maximus

Von Yannick Mayer

Foto zu dem Text "Man fühlt sich wie im Circus Maximus"
Yannick Mayer (Bike Aid) | Foto: Team Bike Aid

09.08.2014  |  Den Tagesverlauf der dritten Etappe muss ich zumindest teilweise chronologisch schildern, um ein authentisches Gefühl dafür vermitteln zu können, wie es uns momentan geht. Der Sinn für die Schönheit der kolumbianischen Landschaft und die Freundlichkeit der Leute weicht so langsam einem Gefühl der Erschöpfung. Der erste morgendliche Dialog mit Zimmerkollege Daniel Bichlmann fiel dann auch folgendermaßen aus. Kein „Guten Morgen“ oder ähnliches, sondern direkt „Yannick, heute gibt’s wieder Schlachtplatte…“. „Stimmt, mit uns als Menüpunkt“. „Als Vorspeise befürchte ich…“.

Generell komme ich mir bei jeder Etappe wie ein verurteilter römischer Gefangener im Circus Maximus vor. Die wussten damals auch, dass sie definitiv keine Chance gegen die Löwen hatten, sie wussten nur nicht, wie lange ihr aussichtsloser Kampf letztendlich dauert.

Im Rennen waren der wieder funktionierende Powermeter und die Rennzeit heute meine wichtigsten Begleiter. Direkt nach dem Start mussten 1000 Höhenmeter bis zum Erreichen eines Hochplateaus bezwungen werden. Bei Rennminute 17, also deutlich vor dem Gipfel, konnte ich dem Tempo nicht mehr folgen. Glücklicherweise hatte ich mich zuvor so weit vorn im Feld positioniert, dass schon eine ganze Gruppe Fahrer abgehängt war, bis ich ans Ende des Feldes durchgereicht wurde. Nach ungefähr 44 Minuten war dann die Bergwertung erreicht. Kurzes durchatmen, trinken und checken, mit wem ich denn nun den Rest der Etappe bestreiten würde.

Wie sich zu meiner Verwunderung herausstellte, bestand das Gruppetto größtenteils aus schwarzen Trikots. Daniel, Mekseb Debesai, Meron Mengstab und ich von Bike Aid und gleich fünf unserer italienischen Freunde vom Kontinentalteam Area Zero. Dazu noch zehn Kolumbianer und das letzte Grüppchen im Rennen war perfekt. Zunächst freute ich mich über die große Gruppe und um die Karenzzeit brauchten wir uns bei guter Zusammenarbeit auch keine Gedanken machen.

Ganz und gar nicht begeistert war ich von den Fähigkeiten der kolumbianischen Kollegen im flachen Gelände. In der Windstaffel auf der falschen Seite fahren oder zur falschen Seite wechseln, unrhythmisches Tempo und dauerhaftes Hinterradlutschen scheinen unter Kolumbianern weit verbreitet zu sein. Oder es fehlt einfach am spezifischen Training wie bei Unsereinem am Berg.

Die letzte Bergwertung des Tages nutzten die kolumbianischen Gruppettoinsassen dann dazu, das Gruppetto nochmals komplett zu sprengen. Dann war’s Essig mit der großen Gruppe. Übrig blieben vier Mal Bike Aid und fünf Mal Area Zero zusammen mit einem Kolumbianer mit Magenkrämpfen. Der Ausländeranteil im Gruppetto betrug somit blitzartig 90% und sowohl uns als auch den Italienern wurde wieder schmerzlich bewusst, dass wir hier nur Statisten sind.

Im Ziel dann die große Überraschung: Obwohl nur auf Platz 100 gelandet, hat unser Zeitfahrspezialist Richard Stockhausen das Trikot für den besten Fahrer einer ausländischen Mannschaft übernehmen können. Seine superaerodynamischen Laufräder haben bei seinem Husarenritt zwar das Zeitliche gesegnet, aber in dieser Rundfahrt spielt die Aerodynamik sowieso eine untergeordnete Rolle.

Morgen geht’s über knapp 200km wieder zurück nach Bogota und die Karenzzeit ist mit nur 15% ziemlich knapp bemessen.

Ihr dürft gespannt sein,

Euer Yannick

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

18.08.2014Wir kommen wieder - aber nicht als Radfahrer

(rsn) - Letzter Tag und nur 100 Kilometer auf einem schönen Rundkurs in der Stadt, was will man mehr? Gut, vielleicht einen fast sicheren Gesamtsieger, dessen Mannschaft das Geschehen unter Kontrolle

17.08.2014Bergzeitfahren bei Nacht - ein surreales Erlebnis

(rsn) - Als vorletzte Etappe der Kolumbien-Rundfahrt hatte sich der Veranstalter ein besonderes Schmankerl ausgedacht: ein Bergzeitfahren über 17 Kilometer bei Nacht. Es ging von Medellin zum Alto de

16.08.2014Vanilleduft oder Sinnestäuschung?

(rsn) - Heute darf ich leider nur noch von vier aktiven Bike Aid Fahrern berichten. Wie es sich bereits gestern Abend angedeutet hat, konnte Richard nicht mehr zur 9. Etappe antreten. Nach einer schla

15.08.2014So langsam geht es an die Substanz

(rsn)  So langsam sehne ich mir das Ende der Rundfahrt herbei und auch mein Körper schreit regelrecht danach. Ich bin heute Morgen im selben Zustand aufgewacht, in dem ich gestern Abend ins Bett geg

14.08.2014Aus dem lockeren Tag wurde doch noch ein harter

(rsn) - Vor der heutigen 7. Etappe der Kolumbien-Rundfahrt durften wir einen Ruhetag genießen. Dieser ist übrigens Pflicht bei Rennen von mehr als zehn Tagen. Wir blieben also einen weiteren Tag in

12.08.2014Mit fürchterlichem Ohrwurm den Scharfrichter hochgefahren

(rsn) - Die Anspannung vor der heutigen Etappe war bei uns im Team förmlich greifbar. Beim Frühstück wurde wenig gesprochen und jeder achtete nochmals besonders darauf, hochwertige Nahrungsmittel z

11.08.2014„I really, really don’t like this race“

(rsn) - Das heutige Resümee fällt etwas knapper aus als das doch sehr emotionale von gestern. Viel gibt es auch nicht zu berichten, obwohl auch diese Etappe wieder anders verlief als erwartet. Der S

10.08.2014Im Ziel brachen bei mir alle Dämme

(rsn) - Vor der heutigen Etappe war bei mir die Angst riesengroß, am Abend nicht mehr im Rennen zu sein. Eine deutlich längere Etappe mit sehr geringer Karenzzeit war nicht gerade das, wonach mir de

08.08.2014Doch nicht Letzter!

(rsn) - Es gibt Rundfahrten, die super organisiert sind und uns Fahrern große Freude bereiten, sofern man von den vier Stunden Radrennen jeden Tag absieht. Die Vuelta a Colombia gehört zu dieser Kat

07.08.2014Die beste Regelung seit Erfindung des Zeitfahrens spielte uns in die Karten

(rsn) - Vor der Ankunft am Startort stand für unsere Truppe noch ein kleiner Inlandsflug von Bogota nach Bucaramanga auf dem Programm. Wollte man eine Rangliste der spektakulärsten Landebahnen diese

Weitere Radsportnachrichten

04.06.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

04.06.2025Tritt Almeida bei der Tour de Suisse in die Fußstapfen von Yates?

(rsn) – Das am 8. Juni beginnende 77. Critérium du Dauphiné kann mit dem letztjährigen Tour-de-Franc-Podium Tadej PoGacar (UAE – Emirates- XRG), Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) und Re

04.06.2025Vingegaard: “Muss besser sein als vor zwei Jahren“

(rsn) – Sowohl im vergangenen Jahr als auch in dieser Saison wurde Jonas Vingegaards Vorbereitung auf die Tour de France durch Stürze kräftig aus dem Tritt gebracht. Doch konnte der Kapitän von V

04.06.2025Bauhaus kommt nicht mehr an Groenewegen vorbei

(rsn) - Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) hat zum Auftakt der 31. Slowenien-Rundfahrt (2.Pro) knapp seinen ersten Saisonsieg verpasst. Der 30-jährige Kölner musste sich auf der 1. Etappe über 168,

04.06.2025Kanter: “Das war mein bisher erfolgreichster Giro“

(rsn) – Nach seinem vierten Giro d’Italia gönnte sich Max Kanter noch einen Tag “Sightseeing“ in der “Ewigen Stadt“. Am Sonntag hatte der XDS-Astana-Sprinter in Rom auf der abschließende

03.06.2025Kudus gibt in Slowenien Comeback nach vier Monaten

(rsn) - Merhawi Kudus wird am Mittwoch bei der Tour of Slovenia (2.Pro) ins Peloton zurückkehren. Der Eritreer, der am 2. Februar beim Grand Prix La Marseillaise in einer Abfahrt schwer gestürzt war

03.06.2025Evenepoel-Coach sieht seinen Schützling stärker als vor einem Jahr

(rsn) – Remco Evenepoel ist Anfang Juni 2025 vor seinem Start beim Critérium du Dauphiné (2.UWT) am kommenden Sonntag besser in Form, als Anfang Juni 2024. Das hat sein Trainer Koen Pelgrim in ein

03.06.2025Belgien schickt komplette Delegation zur WM nach Ruanda

(rsn) - Der Belgische Radsportverband wird an den Straßen-Weltmeisterschaften vom 20. bis 29. September in Ruanda in allen Kategorien - von Junioren und Juniorinnen über die U23 bis zur Elite - teil

03.06.2025Bauhaus in Slowenien Road Captain und Sprinter zugleich

(rsn) –18 Tage nach seinem krankheitsbedingten Ausscheiden bei der Ungarn-Rundfahrt (2.Pro) kehrt Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) am Mittwoch ins Renngeschehen zurück und will bei der fünftägig

03.06.2025Groenewegen und Großschartner die Favoriten für Sprint und Berg

(rsn) – Mit der Tour of Slovenia (2.Pro) beginnt am Mittwoch die erste der verschiedenen ´Vorbereitungs-Rundfahrten´ für die Tour de France. Das fünftägige Event, das bislang Mitte Juni ausgetr

03.06.2025Jakobsen hofft nur noch ganz leise auf den Tour-Start

(rsn) – Fabio Jakobsen (Picnic – PostNL) ist seit knapp zwei Wochen wieder auf dem Rad unterwegs und trainiert – zuletzt auch auf Teneriffa. Doch ob der 28-jährigen Niederländer, der Ende Mär

03.06.2025Gee: “Toll, dass es noch viel Verbesserungspotential gibt“

(rsn) – Zwei Jahre nachdem er als Ausreißerkönig mit vier zweiten Etappenplätzen zum Shootingstar des Giro d´Italia 2023 geworden ist, hat Derek Gee (Israel – Premier Tech) bei seiner zweiten

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour du Cameroun (2.2, CMR)
  • Tour of Lithuania (2.2, LTU)
  • Ronde de l`Oise (2.2, FRA)
  • Tour of Malopolska (2.2, POL)
  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)
  • Tour of Slovenia (2.Pro, SLO)