Teo Tigers Tour-Tagebuch 9

Chambéry - Gap: Allons Enfants…

Foto zu dem Text "Chambéry - Gap: Allons Enfants…"
Der kleine Tiger auf dem Weg nach - ja wohin denn nun? Illustration: Janosch film & medien AG

15.07.2010  |  14. 07. 2010 - (rsn, tt) – … de la Patrie, le Jour de Gloire est arrivé. Auf, Kinder des Vaterlands, der glorreiche Tag ist da. Recht feierlich beginnt die französische Landeshymne, die gestern am Nationalfeiertag unserer gallischen Nachbarn vermutlich millionenfach gegrölt wurde. Und glorreich war der Tag sicher für viele Franzosen – wenn sie nicht gerade Tour geguckt haben. Denn einmal mehr konnte ausgerechnet am 14. Juli keiner ihrer Landsleute die 179 km lange Ausfahrt von Chambéry nach Gap gewinnen.

Dabei hatte noch am Vortag der Pariser Sandy Casar die bisher schwerste Alpenetappe im Sprint für sich entschieden. Hätte er doch mal lieber heute… Tant pis, schade eigentlich, sagt da der Franzose, oder auch Merde. Auf jeden Fall genehmigt er sich noch einen Schluck Pastis. Oder auch zwei. Oder fünf.

Désolé, tut uns leid, liebe Nachbarn, meint auch der Tiger. Der 14. Juli war mal wieder kein „Jour de Gloire“ für euch - am allerwenigsten für Maxime Bouet und Pierre Rolland. Der Savoyer und der Orleanase hatten sich 35 km lang an die Spitzengruppe herangekämpft, um unter zwei Belgiern, einem Weißrussen und einem Portugiesen die Tricolore hochzuhalten. Fast hundert Kilometer lang sind sie dann tapfer an der Spitze mitgefahren, umjubelt von ihren feiernden Landsleuten. Die Hoffnungen waren groß, dass es heuer endlich mal wieder klappen könnte, nach fünf Jahren Durststrecke.

Am Col du Noyer, gerade mal Kategorie zwo, musste dann als erster der frühere Bahn-Junioren-Meister Bouet die Fahne streichen. Und 14 km vor dem Ziel konnte auch die französische Radsport-Hoffnung Rolland nicht mehr mit dem Tempo des späteren Siegers Sergio Paulinho und dem Weißrussen Vasil Kiryienka mitgehen. Der undankbare 4. Platz war sicher kein angemessener Lohn für Rolland, am höchsten Feiertag aller Franzosen.

Und das ausgerechnet auch noch auf der Route Napoleon, der berühmten Nationalstraße RN 85, auf der der selbstgekrönte Kaiser aller Franzosen im März 1815 mit 800 Getreuen glorreich aus der Verbannung auf Elba nach Paris zurückkehrte, um für weitere hundert Tage den Thron zu besetzen. Mit 800 Getreuen hätten es Rolland und Bouet vermutlich auch geschafft – aber hoffentlich nicht nach Paris, sondern in die andere Richtung, nach Gap. Und auf den Thron, pardon aufs Podium. Ein französischer Doppelsieg, das wär's doch gewesen. Dann wäre Sarko, der stets lässige und Presse-scharfe Präsi aller Franzosen, gelegentlich auch Westentaschen-Napoleon genannt, vermutlich umgehend eingeflogen, um die Helden vor den Kameras zu herzen, wie es so seine Art ist.

So bleibt den Franzmännern und -frauen heute nur die Erinnerung: Etwa an den 14. Juli 2005, als der Cofidis-Fahrer David Moncoutié nach fast 40 km Solo-Fahrt die 12. Etappe in Digne gewann. Oder noch besser: Nach einem fast endlosen Solo gewinnt Nationalheld Richard Virenque am 14. Juli 2004 auf seiner letzten Tour vor – genau: Andi Klöden und Ete Zabel. Auch schön: 2001 siegt Jaja Jalabert vor Jens Voigt, der an diesem Nationalfeiertag in den Vogesen Gelb holt. Das waren noch Zeiten! Wie damals 70/ 71 in den Ardennen, als wir den Franzmännern... Stop, stop - da sind wir doch längst drüber weg. Sowas erledigen wir heute doch sportlich, gell liebe Nachbarn!

Das war's für heute. Vielen Dank, dass Sie bis hierher mitgejubelt haben. Und klicken Sie auch morgen wieder rein, wenn Teo Tiger sich so seine Gedanken macht. Dann garantiert ohne nationales Pathos. Versprochen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

26.07.2010Longjumeau - Paris: Die härteste Etappe

(rsn, tt) – Schon wieder drei Wochen vorbei, schoss es dem Tiger gestern Nachmittag durch den Kopf, als das Peloton um viertel nach Vier zum ersten Mal auf die Tschämps Ileises (Cavendish) einbog u

25.07.2010Bordeaux - Paulliac: Der Brillen-Onkel

(rsn, tt) – Werden Sie ihn auch nicht wirklich vermissen, den Brillen-Onkel? "Hallo, ich bin Tyler Farrar. Sprinter im Team Garmin-Transitions. Für optimale Leistung... bla blubber bla…" Und das

22.07.2010Pau: Arbeit am Ruhetag

(rsn, tt) – „Der zweite Ruhetag der Tour ist der einzige Tag im Jahr, an dem die Fahrer wirklich arbeiten müssen“, sagt Quick Step-Manager Patrick Lefevere mit einem Augenzwinkern: „Da geht´

20.07.2010Pamiers - Bagnères: Ausreißer mit Hirn

(rsn, tt) – „Die Fahrer heute müssen nicht mehr nachdenken“, beklagte Joop Zoetemelk kürzlich in einem Interview. Der Holländer, der von 1970 bis 1986 jedes Jahr die Tour finishte (Rekord bis

17.07.2010Bourg de Peage - Mende: Lolo Jaja

(rsn, tt) – Braungebrannt, mit einer weißen Sonnenbrille aus der eigenen Kollektion stand der Namenspatron am Freitag höchstselbst an der „Montée Laurent Jalabert“ und hielt Ausschau nach den

12.07.2010Rousses - Morzine: It Ain´t Over ´til it´s Over

12.07.2010 - (rsn, tt) – Es ist erst aus, wenn´s aus ist, sülzte vor ein paar Jahren Lenny Kravitz, der alte Hippie. Ob Lance Armstrong den Song seines New Yorker Freundes auf dem Eipott hat? Dann

09.07.2010Montargis - Gueugnon: Heulende Höllenhunde

(rsn, tt) – Tour-Pedaleure sind ja schon harte Hunde. Fahren mit gebrochenem Schlüsselbein Etappen zu Ende, springen nach Massenstürzen mit Prellungen und Abschürfungen schnell wieder aufs Rad, u

08.07.2010Cambrai - Reims: Auferstanden?

(rsn, tt) – Kaum hatte das Peloton gestern die schöne Champagner-Stadt Cambrai verlassen, konnten sich unter Führung des AG2R-Fahrers Dimitri Champion sechs Ausreißer vom Feld absetzen. Unter ihn

07.07.2010Wanze - Arenberg: Blutbad und Pflaster

(rsn, tt) – War das nun wirklich ein „Blutbad“, wie Lance Armstrong befürchtet hatte? Muss man wegen eines gebrochenen Schlüsselbeins (nicht schön, klar...) und diverser Prellungen die Renn-V

06.07.2010Brüssel - Spa: Wer ist der Patron?

(rsn, tt) – Was wäre die Tour ohne ihren Patron? Er führt das Peloton wie ein Feldherr seine Truppen, definierte einst Jaques Anquetil: „Ohne Widerspruch!“ Und lange herrschten die Tour-Patron

05.07.2010Rotterdam - Brüssel: Hunde-Rennen

(rsn, tt) – Hunde sind des Menschen bester Freund, sagen Hundebesitzer. Oder war´s umgekehrt? Egal. Des Radfahrers bester Freund sind Hunde eher nicht. Es gibt wohl kaum einen Rennradler, der da ni

04.07.2010Prolog: Warten mit Tony Martin

(rsn, tt) – Warten kann ja ganz schön sein. Auf die Freundin, das erste Kind oder auch auf die Rente. Auf Fabian Cancellara, den Mann mit dem Motor zu warten, ist im Rennen nicht nur ein seltenes V

Weitere Radsportnachrichten

08.07.2025Ein hartes Finale nicht nur für die Sprinter

(rsn) - Nach drei Tagen im äußersten Norden beginnt nun die Reise Richtung Süden. Die 4. Etappe der Tour de France führt über 174 Kilometer von Amiens nach Rouen, quer durch die Picardie und Norm

08.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

08.07.2025Coquard mit feuchten Augen: “Bin kein schlechter Mensch“

(rsn) – Bryan Coquard konnte einem nach der 3. Etappe der Tour de France in Dünkirchen wirklich leidtun. Wie ein Häufchen Elend stand der 33-jährige Franzose vor dem Mannschaftsbus seiner Cofidis

07.07.2025Van Poppel kassiert dritte Gelbe Karte, Meeus gestürzt

(rsn) - Auch in der Geschichte der 3. Etappe der Tour de France 2025 gehört Red Bull – Bora – hansgrohe zu den Protagonisten. In diesem Fall geht es nicht um eine verpasste Windkante wie zum Auft

07.07.2025Neue Gerüchte: Evenepoel 2026 doch zu Red Bull?

(rsn) – Schon vor einem Jahr flammten Gerüchte auf, dass Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) künftig das Trikot von Red Bull – Bora – hansgrohe tragen könnte. Und zwar noch vor Ablauf sei

07.07.2025Highlight-Video der 3. Etappe der Tour de France 2025

(rsn) - Die 3. Etappe der Tour de France wurde im Massensprint entschieden. Tim Merlier (Soudal - Quick-Step) setzte sich dabei um Reifenbreite vor Jonathan Milan (Lidl - Trek) durch und feierte seine

07.07.2025Im Überblick: Alle Gelbe Karten bei der 112. Tour de France

(rsn) – Drei Tage hat es gedauert, bis die UCI-Jury bei der Tour de France 2025 zum ersten Mal hart durchgegriffen und Gelbe Karten verteilt hat: Im Sturzchaos von Dünkirchen bestraften die Kommiss

07.07.2025Bauhaus: “Die Extra-Magie fehlt mir“

(rsn) - Phil Bauhaus hat seinen Frieden gefunden bei der Tour de France. Bei der von Stürzen, aber auch von teilweise sehr ruhiger Fahrt gekennzeichneten 3. Etappe kam er – mal wieder – auf einen

07.07.2025Wellens befreit Kapitän Pogacar vom Gepunkteten Trikot

(rsn) – Die 3. Etappe der Tour de France 2025 musste zwar ohne eine Ausreißergruppe auskommen, einen ungewöhnlichen Schachzug durften die Zuschauer auf den 178 Kilometern zwischen Valenciennes und

07.07.2025Philipsens Tour-Aus öffnet Kampf um Grün

(rsn) – Das Grüne Trikot hing zerfetzt an Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck), während er am Straßenrand lag. Schnell war klar: Die Tour de France (2.UWT) ist für den belgischen Top-Sprint

07.07.2025Rickaert: “Sein Leben für 10 Punkte zu riskieren, da fehlen mir die Worte“

(rsn) – Nach einer echten Bummeletappe ohne richtige Ausreißergruppe sprintete Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) zum Tagessieg. Der Europameister war nach 178 Kilometern zwischen Valenciennes und

07.07.2025Merlier gewinnt Massensprint der 3. Tour-Etappe vor Milan

(rsn) – Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) hat die 3. Etappe der Tour de France im Massensprint vor Jonathan Milan (Lidl – Trek) und Phil Bauhaus (Bahrain – Victorious) gewonnen. In einem von S

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Tour of Magnificent Qinghai (2.Pro, CHN)