Müllers Mendoza-Tagebuch

Wir fuhren ein paar Kurven, die es nicht hätte geben sollen

Von Robert Müller

Foto zu dem Text "Wir fuhren ein paar Kurven, die es nicht hätte geben sollen"
Robert Müller (rechts) und seine Fratelli-Teamkollegen bei der Vuelta Ciclista de Mendoza | Foto: privat

25.02.2024  |  (rsn) - Zum Start der komplett flachen 6. Etappe über 170 Kilometer hatten wir einen einstündigen Transfer zu absolvieren. In der Startaufstellung stand ich ganz vorne und konnte zum ersten Mal das Prozedere der Führungstrikotübergabe beobachten. Die Fahrer stehen mit ihren Teamtrikots in der ersten Reihe und bekommen dann vom Rundfahrt-Chef ihr Führungstrikot mit ihrer Nummer dran überreicht und ziehen sich vor den Fotografen um. Wichtig dabei ist, dass sie nicht vergessen ihre Rennverpflegung umzupacken. Nach dem Start fuhren wir eine kleine Ehrenrunde um den Marktplatz und dann ging es auf eine große Runde.

Ich war zufällig ganz vorne und fuhr eine Attacke mit, hatte jedoch gleich genug Fahrtwind gespürt und verkroch mich lieber wieder im Feld. Es dauerte etwas, bis endlich eine Gruppe ziehen gelassen und im Feld kontrolliert gefahren wurde. Die Straßen waren erneut ziemlich schlecht und es gab viele unangenehme Speedbumps in den Ortschaften. Etwa zur Mitte des Rennens ging es erneut mit Attacken aus dem Feld los, obwohl die Gruppe noch über drei Minuten Vorsprung hatte. Doch bald hatten sie sich abreagiert und es kehrte wieder etwas Ruhe ein. Der Wind spielte zum Glück keine große Rolle.

Nach 140 Kilometern bogen wir auf den Zielrundkurs ein, der zehn Kilometer lang mit zwei 180 Grad Wenden und dreimal zu fahren sein sollte. Als wir den Zielbogen das erste Mal passierten, wurden uns noch drei Runden angezeigt und dies auch vom Rennsprecher durchgesagt. Bis dahin lief alles wie im Roadbook beschrieben. Doch dann fuhren wir deutlich länger als fünf Kilometer in eine Richtung und fuhren ein paar Kurven, die es nicht hätte geben sollen. Mir dämmerte allmählich, dass die Etappe entweder deutlich länger werden würde oder wir keine drei Runden mehr fahren würden. Als wir uns den 170 Kilometern näherten, kam die typische Finalnervosität im Feld auf und als wir den Zielbogen auf der Gegenfahrbahn erreichten, sahen wir die Spitzengruppe um den Sieg sprinten. Damit war klar, dass auch wir gleich im Ziel waren. Am letzten Kreisverkehr attackierte von uns Dennis Vogt und da die Argentinier keine Meister im Kurvenfahren sind, gewann er somit den Sprint des Feldes und wurde 9. Schlussendlich waren wir anstatt drei Zehn-Kilometer-Runden eine 30-Kilometer-Runde gefahren, kann ja mal passieren.

Nach der Etappe hatten wir einen dreistündigen Transfer zum Startort der nächsten Etappe zu absolvieren und aßen unterwegs zu Abend. Dadurch zog sich alles lange hin und wir erreichten erst um ein Uhr nachts unsere Unterkunft. Die 7. Etappe startet bereits um 9 Uhr und ist die Königsetappe mit der gefürchteten Bergankunft auf 3840 m Höhe in den Anden direkt an der Grenze zu Chile. Ich habe Respekt davor, aber freue mich auch auf diese besondere Herausforderung, denn ich war noch nie mit dem Rad in solcher Höhe unterwegs und weiß nicht, wie mein nicht akklimatisierter Körper darauf reagiert.

Gez. Sportfreund Radbert

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