RSNplusAnalyse zu Lüttich-Bastogne-Lüttich

Evenepoel zog Quick-Step-Plan auch ohne Alaphilippe durch

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Evenepoel zog Quick-Step-Plan auch ohne Alaphilippe durch"
Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) attackiert an der Cote de la Redoute | Foto: Cor Vos

24.04.2022  |  (rsn) – Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) hat bei Lüttich-Bastogne-Lüttich auf beeindruckende Art und Weise nicht nur seinen ersten Sieg bei einem Monument eingefahren, sondern auch seinem Team ein bisher enttäuschendes Frühjahr gerettet. Dabei sah es bei der 108. Auflage von La Doyenne zunächst so aus, als würde es wieder nichts mit einem Sieg für das so erfolgsverwöhnte Team von Patrick Lefevere werden.

Denn 60 Kilometer vor dem Ziel erwischte es Weltmeister Julian Alaphilippe und den jungen Ilan Van Wilder bei einem heftigen Massensturz schwer. Beide mussten in ein Krankenhaus gebracht werden.

___STEADY_PAYWALL___ Doch davon ließen sich die restlichen Quick-Step-Fahrer, allen voran Evenepoel, nicht aus dem Konzept bringen. Am Redoute-Anstieg rund 30 Kilometer vor dem Ziel schickte der junge Belgier etwa 1000 Meter vor der Kuppe seinen Landsmann Pieter Serry an die Spitze. Der 33-jährige Belgier schraubte das Tempo so hoch, dass keine Attacken der Konkurrenten möglich waren.

In die Karten spielte Quick-Step hier sicherlich das Fehlen von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Primoz Roglic (Jumbo – Visma). Die Sieger der beiden letzten Austragungen hätten an der Redoute entweder selber die Offensive gewählt oder hätten kontern können. Doch in Abwesenheit der beiden Slowenen waren die Ersatzkapitäne Wout Van Aert (Jumbo - Visma) und Marc Hirschi (UAE Team Emirates) eher darauf aus, das Tempo gleichmäßig zu halten, um so am Ende im Sprint etwas erreichen zu können. Gleiches galt für den viermaligen Lüttich-Sieger Alejandro Valverde (Movistar), der bei seiner Abschiedsvorstellung schließlich Siebter wurde.

Bora und Bahrain wollten erst später attackieren

So blieben nur das Team Bora – hansgrohe mit Aleksandr Vlasov und Sergio Higuita und Bahrain Victorious mit Fleche-Sieger Dylan Teuns Kandidaten für eine Attacke an der Redoute, doch beide Teams planten wohl, erst an der Cote de Roche aux Faucons 15 Kilometer vor dem Ziel entscheidend in die Offensive zu gehen.

Bei der 108. Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich sah der Quick-Step-Plan vor, dass Remco Evenepoel (li.) Weltmeister Julian Alaphilippe mit seiner Attacke an der Redoute den Weg ebnet. | Foto: Cor Vos

Dem kam Evenepoel jedoch clever zuvor. 500 Meter vor der Kuppe, als schon niemand mehr mit einer Attacke rechnete, zog der 22-Jährige mit einem fulminanten Antritt auf und davon. Es war die Mischung aus Überraschungseffekt und unglaublich starken Beinen, die dafür sorgte, dass niemand dem Jungstar folgen konnte. Die Attacke jedenfalls war an dieser Stelle genau so vom Team geplant.

Ursprünglich war geplant, Evenepoel im oberen Teil der Redoute attackieren zu lassen, um so Alaphilippes späteren Vorstoß vorzubereiten. Nach dem Ausscheiden des Kapitäns machte Quick-Step aber aus der Not eine Tugend und modifizierte die Taktik. Nun sollte der Edelhelfer an jener geplanten Stelle durchziehen und selbst vollenden. Auch die geschlagenen Konkurrenten erkannten danach an, dass Evenepoel für seinen Vorstoß den perfekten Moment gewählt hatte.

Ein späterer Zeitpunkt der Attacke wäre auch nur schwer möglich gewesen, weil Evenepoel nach der Redoute-Steigung wohl keinen Teamkollegen mehr an seiner Seite gehabt hätte und als Solist den Plan mit der Attacke wohl nicht so perfekt hätte umsetzen können.

In Zeitfahrermanier baute Evenepoel seinen Vorsprung aus

Danach waren in der Verfolgergruppe viele Teams zwar noch mit einigen Fahrern vertreten – allen voran Bahrain Victorious und Movistar - und konnten sich in der Nachführarbeit abwechseln. Doch Evenepoel spielte in der Passage zwischen Redoute und Roche aux Faucons seine Zeitfahrqualitäten perfekt aus. Hilfreich war ihm zum einen, dass er sich auf den verwinkelten Straßen nicht in einem großen Feld bewegte, sondern durchgängig Ideallinie fahren konnte.

Doch nach dem Ausscheiden des Franzosen, der in Folge eines schweren Sturzes ins Krankenhaus gebracht werden musste, zog sein belgischer Teamkollege durch und feierte seinen ersten Sieg bei einem Monument. | Foto: Cor Vos

Dazu sammelte er nach und nach die aus der Ausreißergruppe des Tages zurückfallenden Fahrer ein, die ihm wie in einem Einzelzeitfahren als Referenzpunkt dienten und an die er sich Stück für Stück ansaugte.

Vor der Cote Roche aux Faucons hatte Evenepoel mit Bruno Armirail (Groupama – FDJ) den letzten Ausreißer eingeholt und diesen in der Steigung direkt abgeschüttelt. Während der Belgier im Anstieg gleichmäßig sein Tempo fuhr, gab es in der Verfolgergruppe dahinter vor allem zu Beginn der Steigung fast schon Stehversuche, weil man sich in der Nachführarbeit nicht einig war. Diese Sekunden, die hier verloren gingen, fehlten möglicherweise am Ende, als sich die Verfolger bis auf 18 Sekunden an den Spitzenreiter herangeschoben hatten.

Mal wieder das alte Spiel: Die Verfolger sind sich uneinig

Im Anstieg Roche-aux-Faucons konnten Movistar und Bahrain Victorious den Rückstand auf Evenepoel letztlich kaum verringern und in Richtung Ziel wiederholte sich genau das, was sich zuvor schon zwischen den beiden letzten Anstiegen des Tages gezeigt hatte. Evenepoel, neben Van Aert bester Zeitfahrer im Doyenne-Peloton, spielte seine Stärken aus und schlug ein durchgängig hohes Tempo ein, wogegen es dahinter immer wieder zu Unstimmigkeiten in der Nachführarbeit kam, die dazu durch weitere Attacken noch verstärkt wurden.

Erstmals seit 1976 konnten die heimischen Fans wieder ein belgisches Podium bei La Doyenne bejubeln, v.l.: Quinten Hermans (Intermarché - Wanty - Gobert), Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl), Wout Van Aert (Jumbo - Visma) | Foto: Cor Vos

So waren Dylan Teuns, Sergio Higuita und Daniel Martinez 9,5 Kilometer vor dem Ziel zwar bis auf 18 Sekunden an den Spitzenreiter herangekommen, doch dann fingen eben wieder die taktischen Spielchen an: Niemand wollte in dieser Phase zu viel Führung übernehmen, um die Konkurrenten an Evenepoel heranzuführen. Und keiner aus dem Trio war sich sicher, in einem Sprint gewinnen zu können. So nahmen die Verfolger wieder die Beine hoch, die nächste Gruppe schloss auf und das Tempo wurde wieder verschleppt.

Evenepoel dagegen baute durch seine gleichmäßige Fahrweise seinen Vorsprung schnell wieder auf 45 Sekunden aus. Die letzte Chance, den entfesselt fahrenden Quick-Step-Mann zu stellen, war verschenkt. Selbst mit vereinten Kräften wäre es für die Verfolger schwer geworden, Evenepoel zu stellen. Doch ohne Einigkeit war man letztlich chancenlos gegen einen Mann, der seinen besten Tag auf dem Rad hatte und zudem noch seine Attacke im richtigen Moment lanciert hatte.

Mehr Informationen zu diesem Thema

21.06.2022Alaphilippe gibt bei Französischen Meisterschaften Comeback

(rsn) – Julian Alaphilippe wird am Wochenende nach einer zweimonatigen Verletzungspause sein Comeback geben. Der zweimalige Weltmeister startet am Sonntag im Straßenrennen der französischen Meiste

28.04.2022Evenepoel läutet bei Norwegen-Rundfahrt zweite Saisonhälfte ein

(rsn) – Nach seinem Triumph bei Lüttich-Bastogne-Lüttich legt Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) eine rund vierwöchige Rennpause ein, ehe er zur Norwegen-Rundfahrt (2.Pro / 24. – 29. Mai)

26.04.2022Evenepoels Trainer: Erfolg bei Lüttich hat sich abgezeichnet

(rsn) – Der bisher größte Sieg in der Karriere von Remco Evenepoel mit dem Erfolg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich hat sich abgezeichnet. Das sagte zumindest Koen Pilgrim, einer der Trainer des jun

25.04.2022Hirschi: “Habe gesehen, dass ich auf dem richtigen Weg bin“

(rsn) – Er war einer der großen Stars des ersten Corona-Jahres: Marc Hirschi glänzte im Spätsommer und Herbst 2020 als Etappensieger und Dauer-Angreifer bei der Tour de France, wurde eine Woche d

25.04.2022Bardet: “Jeder hätte in dieser Situation dasselbe getan“

(rsn) – Vor vier Jahren belegte Romain Bardet (DSM) schon einmal den dritten Platz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich. Nach seinem Gesamtsieg bei der Tour of the Alps gehörte der Franzose auch beim let

25.04.2022Die schlimme Bilanz des Massensturzes von Lüttich

(rsn) – Der Massensturz 62 Kilometer vor dem Ziel und einige weitere kleinere Crashs haben größere Breschen ins Feld von Lüttich-Bastogne-Lüttich geschlagen. Neben dem schwer verletzten Quick-St

25.04.2022Viermal Top 10: Lippert zufrieden mit Ardennen-Ausbeute

(rsn) – Mit einem achten Platz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich ist die Klassiker-Kampagne von Liane Lippert (Team DSM) zu Ende gegangen. Bei allen vier Ardennenrennen kam die Friedrichshafenerin in d

25.04.2022Hinter Evenepoel kam es zum Sprint der “sterbenden Schwäne“

(rsn) – Seit dem Sieg von Philippe Gilbert (Lotto Soudal) 2011 schaffte es kein Belgier mehr aufs Podest von Lüttich-Bastogne-Lüttich, doch am Sonntag waren es bei der 108 Ausgabe gleich drei, den

24.04.2022Auch in Lüttich zeigte die Bora-Kurve nach oben

(rsn) - Bora - hansgrohe arbeitete sich mit aktiver Renngestaltung bei den letzten Klassikern aus dem Krankheitstief des Frühjahrs heraus. Platz fünf für Sergio Higuita und eine dominante Vorstellu

24.04.2022Alaphilippe: Rippenbrüche, Schulterblattfraktur, Pneumothorax

(rsn) - Bei dem Massensturz 60 Kilometer vor dem Ziel des von seinem Teamkollegen Remco Evenepoel gewonnenen 108. Lüttich-Bastogne-Lüttich hat sich Weltmeister Julian Alaphilippe (Quick-Step Alpha V

24.04.2022Evenepoel jubelt nach seinem besten Tag auf dem Rad

(rsn) – Im zarten Alter von 22 Jahren hat sich Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) vor seinen beiden Landsleuten Quinten Hermans (Intermarché – Wanty – Gobert) und Wout Van Aert (Jumbo –

24.04.2022Van Aert: “Evenepoel hat Moment der Attacke perfekt gewählt“

(rsn) - Die 108. Austragung von Lüttich-Bastogne-Lüttich war geprägt von der 30-Kilometer-Solofahrt von Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl), der sich nach einer Attacke an der Côte de la Red

Weitere Radsportnachrichten

06.05.2024Roglic: Pyrenäen-Besichtigung, Höhen-Camp und Dauphiné geplant

(rsn) – Während Jonas Vingegaard aufgrund seiner schweren Verletzungen aus dem Massensturz auf der 4. Etappe der Baskenland-Rundfahrt im Mai nicht mit seinem Team Visma – Lease a Bike im Höhentr

06.05.2024Pogacar stellt wie im kindlichen Spiel historische Episoden nach

(rsn) - Tadej Pogacar kopiert beim 107. Giro d´Italia große Szenen der Vergangenheit. Das qualifiziert ihn für den Radsport-Oscar. Das Rosa Trikot könnte er mit zu viel Spielerei aber auch riskie

06.05.2024Thomas: “Der späte Angriff war sicher nicht der Plan“

(rsn) - Letztlich gab es auf der 3. Etappe des Giro d´Italia (2.UWT) zwar den erwarteten Massensprint, doch bis es dazu kam, mussten erst noch Tadej Pogacar und Geraint Thomas nach einem späten Angr

06.05.2024Bauernfeind beendet Vuelta besser als erwartet

(rsn) – Wer weiß, was alles möglich gewesen wäre. Wenn Ricarda Bauernfeind nicht zu Beginn der Vuelta Feminina (2.WWT) etwas gekränkelt hätte. Und wenn sie von Beginn an als Kapitänin von Cany

06.05.2024Highlight-Video der 3. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) - Die 3. Etappe des Giro d´Italia 2024 galt es erster Tag für die Sprinter der diesjährigen Rundfahrt. Doch bevor die schnellen Männer auf der Zielgeradem zum Sprint ansetzen konnten, musste

06.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

06.05.2024Ein Hauch von Mailand-Sanremo

(rsn / ProCycling) – Die Fahrt über die Po-Ebene, ein langer Anstieg in der Mitte der Strecke, das Erreichen der ligurischen Küste und Passagen durch malerische kleine Städtchen – es ist eine E

06.05.2024Merlier gewinnt nach später Attacke von Pogacar und Thomas

(rsn) – Am Ende einer komplett verrückten Etappe gewann Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) auf dem dritten Teilstück des 107. Giro d’Italia (2.UWT) den erwarteten Massensprint. Der Belgier war

06.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 3. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

06.05.2024In Frankfurt und in Vorarlberg gab es wenig zu holen

(rsn) - Die deutschen KT-Teams hatten in dieser Woche ein volles Rennprogramm. Doch die erhofften Erfolge sprangen dabei gegen die internationale Konkurrenz nicht heraus.Die ereignisreichste Woche ha

06.05.2024Milan: “Wenn man das Trikot einmal hatte, will man es wieder“

(rsn) – So spät kommen die Sprinter selten bei einer Grand Tour zum Zug. Die heutige 3. Etappe bietet die erste Chance für die schnellen Männer, um einen Etappensieg zu kämpfen. Einfach wird es

06.05.2024O’Connor “muss jetzt die Konsequenzen tragen“

(rsn) – Wenn Ben O’Connor (Decathlon – AG2R La Mondiale) in diesem Jahr irgendwo an den Start ging, war es meistens von Erfolg gekrönt. Auf seinen Sieg bei seinem Saisonauftakt bei der Murcia-R

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)