Kommentar zum Chaos-Sprint von Vittel

Sagan bestraft, aber was ist mit Démare?

Von Felix Mattis aus Vittel

Foto zu dem Text "Sagan bestraft, aber was ist mit Démare?"
Arnaud Démare (FDJ, rechts) sprintet zum Sieg, weil Nacer Bouhanni (Cofidis, links hinten) sich von ihm nicht umfahren lassen wollte und bremste. | Foto: Cor Vos

05.07.2017  |  (rsn) - Mark Cavendish verletzt raus, Peter Sagan disqualifiziert - und auch John Degenkolb trug seine Blessuren davon, die es fraglich machen, ob er noch lange an der 104. Tour de France wird teilnehmen können. Der Massensprint von Vittel hat prominente Opfer gefordert und für große Diskussionen gesorgt.

Ist Sagans Disqualifikation gerechtfertigt? Und wenn ja oder nein, warum? Ist der Ausschluss des Weltmeisters eine Konsequenz aus der Addition mehrerer rüpelhafter Aktionen in dieser Saison, wie am Vortag André Greipel" href="https://twitter.com/Cyclocosm/status/882267742522548224" target="_blank">im Zwischensprint gegen André Greipel oder bei Gent-Wevelgem, als er Maxime Vantomme per Bodycheck von der Straße schickte? Ist Cavendish in eine Lücke gestoßen, die nicht da war und somit selbst schuld am Sturz? Wäre Cavendish aus Platzmangel ohnehin zu Fall gekommen? Ist das überhaupt relevant, weil es bei der Strafe einzig um den Ellbogeneinsatz Sagans geht und nicht um die Schuld am Sturz? Hat Sagan Cavendish mit dem Ellbogen vom Rad geknockt? Hat Sagan mit dem rechten Ellbogen und linken Knie eine Ausgleichs- oder Verteidigungsbewegung gemacht, nachdem ihn Cavendish von hinten rechts touchierte? 

Zu klären sind diese Fragen anhand sämtlicher TV-Bilder nur schwer oder gar nicht. Es riecht aber nach einem normalen Sprintunfall, für den man anhand der mangelnden Beweislage niemanden verantwortlich machen sollte - weder Cavendish, weil die Lücke eben doch noch da war, als er in sie rein stach, und erst zu ging, als er schon neben Sagan war (siehe: Vogelperspektive), noch Sagan, weil er die Linie nicht veränderte und seine Ellbogenbewegung wohl möglicherweise tatsächlich nur eine Ausgleichsbewegung war, nachdem Cavendish schräg hinter ihm ins Straucheln kam und ihn wohl bereits berührt hatte (siehe: Zeitlupen-Aufnahme von vorne).

Die Jury aber hat, auch unter dem öffentlichen Druck, trotzdem schnell und wie übrigens üblich ohne Anhörung des Beschuldigten entschieden: Sagan wird wegen eines "irregulären Sprints" von der Tour ausgeschlossen. Den Fans des Weltmeisters stellt es die Nackenhaare auf und im Lager von Dimension Data musste man sich via Social Media am Abend bereits wüste Beschimpfungen anhören. Man kann nur hoffen, dass am Mittwoch keine besoffenen Sagan-Anhänger handgreiflich werden, wenn Dimension-Data-Fahrer oder -Mitarbeiter an ihnen vorbeikommen.

Die Jury hat entschieden, aber eben nur in diesem Fall. Dass auch Tagessieger Arnaud Démare in Vittel irregulär gesprintet ist und dabei um ein Haar für einen weiteren Sturz gesorgt hätte, das ging in all den Diskussionen völlig unter. Der Französische Meister nämlich zog zunächst von der linken Straßenseite in die Mitte, dann ganz nach rechts und sorgte damit hinter sich auch für jene Bewegung, durch die Cavendish schließlich neben Sagan der Platz ausging.

Soweit ist Démare nichts vorzuwerfen, er fuhr schließlich vor den Sturzopfern und darf einmal im Sprint die Fahrtrichtung ändern - so wie es alle getan haben, als sie von links nach rechts rüberzogen, obwohl der kürzeste und somit natürlichste Weg weiterhin an der linken Bande entlang geführt hätte. Doch anstatt dann rechts zu bleiben und durch die Lücke vor sich auch rechts an Alexander Kristoff vorbeizusprinten, schwenkte der 25-Jährige plötzlich noch einmal hart nach links rüber und fuhr seinem französischen Dauerrivalen Nacer Bouhanni in dessen nordostfranzösischem Wohnzimmer am Rande der Vogesen so knallhart vor die Karre, dass nur Bouhannis Reaktionsschnelligkeit und ein hartes Bremsmanöver einen weiteren heftigen Crash verhinderten.

Bouhanni rollte enttäuscht als Fünfter über den Zielstrich und wurde durch Sagans Disqualifikation schließlich Vierter, während sich Démare als Sieger feiern durfte - trotz eines irregulären Sprints und wahrscheinlich nur, weil er das Glück hatte, dass durch seinen verbotenen zweiten Richtungswechsel und die Fahrt durch eine viel zu kleine Lücke zwischen Kristoff und Bouhanni niemand zu Fall kam.

Wie so oft ist es schade, dass es offenbar nur dann interessiert und  gehandelt wird, wenn es zum Unfall kommt.

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.07.2020Video-Rückblick: Matthews erobert das Grüne Trikot der Tour 2017

(rsn) - Als Michael Matthews (Sunweb) 2017 erstmals in seiner Karriere das Grüne Trikot der Tour de France eroberte, beendete er eine glanzvolle Frankreich-Rundfahrt, in deren Verlauf er auch zwei Et

01.07.2020Video-Rückblick: Valverdes Tour-Sturz von Düsseldorf

(rsn) - Vor genau drei Jahren stürzte Alejandro Valverde (Movistar) beim Auftakt der Tour de France in Düsseldorf im Zeitfahren auf regennasser Straße so schwer, dass dem Spanier sogar das Karriere

30.10.2019Düsseldorf muss Tour de France-Vertrag offenlegen

(rsn) - Die Stadt Düsseldorf muss den Vertrag, der zwischen der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens und der französischen Amaury Sport Organisation im Zuge es Tour de France-Starts 2017 geschloss

06.12.2017Fall Sagan: Dimension Data kritisiert Vorgehensweise der UCI

(rsn) - Mark Cavendishs Dimension Data-Team fühlt sich bei der Entscheidungsfindung im Fall Sagan übergangen. Wie Manager Douglas Ryder in einer Pressemitteilung erklärte, sei man davon ausgegangen

05.12.2017Sagans Tour-Ausschluss beruhte auf einem Fehlurteil

(rsn) - Peter Sagans Disqualifikation nach der 4. Etappe der Tour de France war nicht Folge eines Fehlverhaltens des Weltmeisters, der in einem hart umkämpften Sprint in Vittel den Sturz seines Konku

13.11.2017Sagans Tour-Disqualifikation wird vor dem CAS verhandelt

(rsn) - Peter Sagans umstrittene Disqualifikation nach der 4. Etappe der Tour de France wird am 5. Dezember vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS verhandelt. Das geht aus CAS-Terminkalender her

06.09.2017Düsseldorf macht mit Grand Depart 7,8 Millionen Euro Verlust

Düsseldorf (dpa) - Die Stadt Düsseldorf hat mit dem Start der Tour de France 2017 einen Verlust von 7,8 Millionen Euro gemacht. Diese Zahl nannte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) bei de

28.07.2017Denk: "Das Material gibt es ja, man muss es nur verwenden"

(rsn) - Ralph Denk hat mit Verwunderung auf die Forderung von Philippe Mariën, Chef der Jury der Tour de France, reagiert, künftig bei Radrennen auf den Video-Beweis zu setzen. Hintergrund ist der A

28.07.2017Barguil fährt lieber ohne Powermeter

(rsn) – Auch in diesem Jahr brodelt nach der Tour de France in Sachen Teamwechsel die Gerüchteküche, vor allem bei denjenigen Fahrern, deren Verträge auslaufen. Letzeres gilt zwar nicht für Warr

28.07.2017Martens: "Roglic und Groenewegen können Weltstars werden"

(rsn) - Paul Martens (LottoNL-Jumbo) hatte bei seiner dritten Tour de France allen Grund zum Jubeln. Sein Team kehrte mit zwei Etappensiegen durch Primoz Roglic und Dylan Groenewegen aus Frankreich zu

28.07.2017Jury-Chef der Tour fordert Video-Beweis für Sprints

(rsn) - Philippe Mariën, Chef der Jury der Tour de France, die Peter Sagan nach der 4. Etappe in einer heftig kritisierten Entscheidung wegen dessen vermeintlichem Ellbogencheck gegen Mark Cavendish

28.07.2017Dan Martin fuhr die Tour mit zwei gebrochenen Wirbeln zu Ende

(rsn) - Daniel Martin (Quick-Step Floors) hat sich bei seinem Sturz auf der 9. Etappe der Tour de France zwei Wirbel gebrochen. Die Verletzung allerdings wurde erst in dieser Woche bei einer Computert

Weitere Radsportnachrichten

05.05.2024Eine erste Chance für die Sprinter

(rsn / ProCycling) – Nachdem sie sich zwei Tage lang "aufwärmen" konnten, ist es nun für die schnellen Männer des Pelotons Zeit, ihren Job zu verrichten. Bevor sie jedoch ihren ultimativen Zielsp

05.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

05.05.2024Pogacar auf den Spuren Pantanis

(rsn) - 1999 hatte Marco Pantani am Fuße des Anstiegs zur Kapelle nach Oropa einen Defekt. Die Kette fiel ihm herunter. Es dauerte, bis ein Materialwagen bei ihm war. Fahrer um Fahrer zog derweil an

05.05.2024Nur ein Defekt bremste Martinez hinauf nach Oropa

(rsn) – Gut fünf Kilometer vor dem Ziel der 2. Etappe am Santuario di Oropa gab es Grund zur Beunruhigung beim Team Bora – hansgrohe. Am Ende des Tages aber sah man nichts als strahlende Gesichte

05.05.2024Martinez: “Das Resultat ist großartig für unsere Moral“

(rsn) – Mit einem Tag “Verspätung“ hat Tadej Pogacar am Sonntag bei der ersten Bergankunft den erwarteten Etappensieg am Auftaktwochenende des 107. Giro d’Italia eingefahren. Am Santuario di

05.05.2024Highlight-Video der 2. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Zum Auftakt des 107. Giro d’Italia (2.UWT) musste sich Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) noch mit Rang drei begnügen. An der ersten Bergankunft jedoch gab es für den Top-Favoriten kein H

05.05.2024Pogacar stürmt in Oropa trotz Sturz ins Rosa Trikot

(rsn) – Marco Pantani triumphierte 1999 an der Wallfahrtskirche Santuario di Oropa dank einer historischen Aufholjagd, nachdem er am Fuße des Anstiegs durch einen Defekt gestoppt worden war. 25 Jah

05.05.2024De Lie in der Bretagne auch durch zwei Plattfüße nicht zu stoppen

(rsn) – Nach Platz zwei im Vorjahr hat sich Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) die 41. Ausgabe von Tro Bro Léon (1.Pro) gesichert. Der 22-jährige Belgier entschied in der Bretagne das über 203,6 Kil

05.05.2024Vollering nutzt Rückenwind-Passage zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Mit einem weiteren überragenden Auftritt hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) die 10. Vuelta Femenina (2.UWT) souverän für sich entschieden. Die 27-jährige Niederländerin schüttelt

05.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 2. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

05.05.2024Pogacar: ”Die Post wird abgehen”

(rsn) – Der Auftakt zum 107. Giro d’Italia ist atypisch. Einen Tag nach der schweren 1. Etappe, auf der bereits einige Favoriten Federn gelassen haben, steht bereits die erste Bergankunft auf dem

05.05.2024Narvaez sorgt für die nächsten rosa Träume in Ecuador

(rsn) – Fünf Jahre ist es her, dass Richard Carapaz das Radsportland Ecuador mit seinem sensationellen Gesamtsieg beim Giro d´Italia in Rosa gehüllt hat. Nun feiern die Nachbarn der Kolumbianer i

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)