Rodriguez´ Mut zum "Boxenstopp" belohnt

Froome siegt dank bestem Pacing und kompromissloser Material-Wahl

Von Felix Mattis aus Megeve

Foto zu dem Text "Froome siegt dank bestem Pacing und kompromissloser Material-Wahl"
Kompromisslos in der Materialwahl: Chris Froome (Sky) | Foto: Cor Vos

21.07.2016  |  (rsn) - Wie bereits am Mittag vor dem Start der Favoriten berichtet, stand die Materialfrage im zweiten Zeitfahren der Tour de France von Sallanches nach Megeve im Fokus. Und wie vermutet sah man auf dem 17 Kilometer langen Kurs die unterschiedlichsten Rad-Konstruktionen: Es gab nichts, was es nicht gab.

Doch den Sieg trug am Ende derjenige davon, der keine Kompromisse eingegangen war. Chris Froome (Sky) fuhr die 17 Kilometer als einziger der Spitzenfahrer komplett mit Pinarellos Zeitfahrmaschine sowie Scheibenrad hinten und Dreispeichenrad vorne.

"Das war ein wichtiger Faktor und ich bin froh, dass ich mein Team bei der Entscheidung an meiner Seite hatte", sagte der Mann im Gelben Trikot auf der Pressekonferenz nach dem Rennen auf Nachfrage von radsport-news.com und lachte: "Als ich mir den Parcours angesehen habe, dachte ich, ich sollte das Straßenrad nehmen. Aber nach deren Analysen war es klar, dass ich mit vollem Zeitfahr-Setup fahren muss. Das Scheiben- und auch das Dreispeichenrad vorne haben sicher einen Unterschied gemacht."

Ob es der entscheidende Unterschied war, ist Spekulation. Sicher war die Krafteinteilung des Briten, der sich im steilen ersten Teil des Anstiegs noch zurückhielt, um am Ende aufzudrehen und von Rang fünf auf eins vorzustürmen, noch wichtiger. Doch diese Taktik kam auch durch die Materialentscheidung zustande, wie Sportdirektor Servais Knaven radsport-news.com erklärte:

"Um im flacheren Teil des Anstiegs das Zeitfahrrad und seinen Aerodynamik-Vorteil voll ausnutzen zu können, durfte man vorher nicht zu viel Energie verbrauchen", sagte der Niederländer und ergänzte: "Es kommt auch auf den Fahrertyp an. Wenn man am Berg stärker ist und dort Zeit herausholen will, sollte man das leichtere Rad wählen. Wenn man auf den flacheren Abschnitt setzt, dann das Zeitfahrrad. Chris kann beides und wir mussten uns für eines entscheiden."

Anders entschied sich Richie Porte (BMC). Der Australier fuhr im steilen 2,5 Kilometer langen Anstieg zur Cote de Domancy Bestzeit und führte nach 6,5 Kilometern neun Sekunden vor Tom Dumoulin (Giant-Alpecin). Froome lag dort als Fünfter 23 Sekunden hinter seinem Ex-Teamkollegen. "Für mich war es fürs Klettern passender, auf dem normalen Rad zu fahren", erklärte der bei dieser Tour am Berg glänzende Porte später.

Und auch Dumoulin, der mit einem Zeitfahrrad, aber vergleichsweise normalen Laufrädern - Shimanos C50, mit fünf Zentimeter Profilhöhe - unterwegs war, bestätigte, dass die Entscheidung viel vom Fahrertyp abhänge. "Wir haben viel herumgerechnet, und dabei kam heraus, dass dieses Setup am schnellsten ist - aber eben auch, weil ich mich auf dem Zeitfahrrad so wohlfühle." Den Nachteil seiner Zeitfahrmaschine gegenüber dem Straßenrad im Steilen bezifferte Dumoulin bei etwa 1,5 Kilogramm.

Bei Trek-Segafredo war man stolz auf den Griff zum Aero-Straßenrad mit einem Scheibenrad hinten und angebauten Aufliegern am normalen Lenker, weil man so trotz Scheibenrad nur knapp über den minimal vorgeschriebenen 6,8 Kilogramm blieb. "Es war nah an 6,8kg und ich konnte noch eine gute Position im Anstieg fahren", erklärte Bauke Mollema, der aber 1:25 Minuten gegenüber Froome verlor und im Vergleich mit allen Kontrahenten im Kampf um den Podestplatz in Paris einige Sekunden einbüßte.

Adam Yates (Orica-BikeExchange) war nur zwei Sekunden schneller als Mollema, fuhr aber genau das gegenteilige Setup: eine Zeitfahrmaschine von Scott, allerdings ohne Scheibenrad. "In den steilen Sektoren war das Gewicht sicher ein Faktor, aber meistens war es sehr schnell und da ist es besser, in der Zeitfahrposition zu sein", so der Gesamtdritte, der 1:23 Minuten hinter Froome Tages-16. wurde.

Unter den Kandidaten für einen Podestplatz in Paris setzten auch die Canyon-Piloten Nairo Quintana und Alejandro Valverde (beide Movistar) auf die Zeitfahrmaschine - der Kolumbianer ohne und der Spanier mit Scheibenrad hinten. Sie landeten im Tagesklassement auf den Plätzen zehn und zwölf mit 1:10 beziehungsweise 1:18 Minuten Rückstand auf Froome.

Romain Bardet (Ag2r) und Louis Meintjes (Lampre-Merida) hingegen griffen zum Straßenrad und ließen sich jeweils ein Zeitfahrcockpit anbauen - nicht nur einen Aufsatz, sondern gleich einen kompletten Zeitfahrlenker, so dass der Griff an den Unterlenker in der Abfahrt zum Ziel nicht möglich war, dafür aber vorher die Aerodynamik besser. Sie wurden mit 42 Sekunden beziehungsweise 1:08 Minuten Rückstand auf Froome Fünfter (Bardet) bezieungsweise Neunter. Fabio Aru (Astana) glänzte mit einem Straßenrad mit angebautem Zeitfahrauflieger und wurde nur 33 Sekunden hinter Froome Tagesdritter.

Den bemerkenswertesten Auftritt aber legte Joaquim Rodriguez (Katusha) hin. Der routinierte Spanier wechselte als einziger Top-Fahrer sein Arbeitsgerät während des Zeitfahrens: Nachdem er die flachen vier Auftakt-Kilometer auf der vollausgestatteten Zeitfahrmaschine verbrachte, saß er danach auf einem Straßenrad ohne jede Zusatzbauteile und fuhr auf einen starken achten Rang mit 1:05 Minuten Rückstand auf Froome.

"Ich bin sehr glücklich", sagte der Spanier über eines der besten Zeitfahren seiner langen Karriere. "Wir haben schon vor dem Dauphiné diese Etappen besichtigt und entschieden, dass ich nach dem Flachstück das Rad wechseln sollte. Das waren zwar nur vier Kilometer, aber genug um mich schon deutlich zurückzuwerfen. Der Wechsel hat etwa 15-20 Sekunden gekostet, aber dabei konnte ich mich auch etwas erholen."

Einen oder sogar zwei Radwechsel hatte am Vormittag auch Dimension-Data-Sportdirektor Rolf Aldag im Gespräch mit radsport-news.com für diejenigen empfohlen, die um den Sieg fahren wollten. Und auch wenn Sky-Sportdirektor Servais Knaven nach dem Rennen meinte, "dieser Kurs war nicht für einen Radwechsel gemacht", so lässt Rodriguez' Leistung doch vermuten, dass die Idee gar nicht so schlecht war.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.07.2020Video-Rückblick: Froome joggt 2016 den Ventoux hinauf

(rsn) – Heute vor vier Jahren erlaubten staunende Zuschauer am Mont Ventoux das Finale eines denkwürdigen Tour-Tages. Nach einem Sturz im Schlussanstieg der 12. Etappe rannte Chris Froome am Franz

27.07.2016Nibali hatte bei der Tour schon Rio im Blick

(rsn) – Vincenzo Nibali hat verärgert auf die Kritik an seinen Leistungen bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Tour de France reagiert. Der Italiener und sein Astana-Team waren ohne Etappensieg ge

26.07.2016Erneuter Tour-Ausstieg der ARD darf kein Thema sein

(rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" v

26.07.2016Quintana will weiter für seinen Gelben Traum kämpfen

(rsn) – Kolumbien muss weiter auf seinen ersten Tour-de-France-Sieger warten. Auch im dritten Anlauf hat es Nairo Quintana nicht geschafft – doch noch nie war der Movistar-Kapitän weiter vom Gelb

26.07.2016Künftig ein britisches Duell um das Gelbe Trikot?

(rsn) – Wie sein berühmter Landsmann Bradley Wiggins wird auch Adam Yates in die Geschichtsbücher des Radsports eingehen. War der mittlerweile 36-jährige Stundenweltrekordler vor vier Jahren der

26.07.2016Kittel kam bei der Tour in keinen "richtigen Flow"

(rsn) – Bei André Greipel (Lotto Soudal) lief am Sonntag auf den Champs-Élysées alles nach Wunsch. Wie bereits 2104 gewann der Deutsche Meister die prestigeträchtige Abschlussetappe der 103. Tou

26.07.2016Hektische Sprints und Cavendish machten Greipel das Leben schwer

(rsn) – Nach drei teils frustrierenden Wochen schien für André Greipel (Lotto Soudal) doch noch die Sonne. Am Sonntagabend holte sich der Deutsche Meister in Paris auf den Champs-Élysées den so

25.07.2016Bardet zum dritten Mal in Folge in Paris auf dem Tour-Podium

(rsn) – Romain Bardet hat den heimischen Fans die Tour de France gerettet. Der 25 Jahre alte Kapitän der Ag2R-Equipe legte auf den letzten drei Tagen ein Finale sondergleichen hin, sicherte sich au

25.07.2016Kittel: Erst durch Defekte gestoppt, dann im Finale kraftlos

(rsn) – Zum großen Finale der 103. Tour de France wollten Marcel Kittel und sein Etixx-Quick-Step-Team nochmals zuschlagen. Der Erfurter, der bereits 2013 und 2014 jeweils den Schlussakkord auf den

25.07.2016Jogging-Einlage in Gelb und ein machtloser Herausforderer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Dominator in Grün und Schweizer Coup durch einen Kolumbianer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Kollision mit dem Teufelslappen und ein fataler Entschluss

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

Weitere Radsportnachrichten

05.05.2024Eine erste Chance für die Sprinter

(rsn / ProCycling) – Nachdem sie sich zwei Tage lang "aufwärmen" konnten, ist es nun für die schnellen Männer des Pelotons Zeit, ihren Job zu verrichten. Bevor sie jedoch ihren ultimativen Zielsp

05.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

05.05.2024Pogacar auf den Spuren Pantanis

(rsn) - 1999 hatte Marco Pantani am Fuße des Anstiegs zur Kapelle nach Oropa einen Defekt. Die Kette fiel ihm herunter. Es dauerte, bis ein Materialwagen bei ihm war. Fahrer um Fahrer zog derweil an

05.05.2024Nur ein Defekt bremste Martinez hinauf nach Oropa

(rsn) – Gut fünf Kilometer vor dem Ziel der 2. Etappe am Santuario di Oropa gab es Grund zur Beunruhigung beim Team Bora – hansgrohe. Am Ende des Tages aber sah man nichts als strahlende Gesichte

05.05.2024Martinez: “Das Resultat ist großartig für unsere Moral“

(rsn) – Mit einem Tag “Verspätung“ hat Tadej Pogacar am Sonntag bei der ersten Bergankunft den erwarteten Etappensieg am Auftaktwochenende des 107. Giro d’Italia eingefahren. Am Santuario di

05.05.2024Highlight-Video der 2. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Zum Auftakt des 107. Giro d’Italia (2.UWT) musste sich Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) noch mit Rang drei begnügen. An der ersten Bergankunft jedoch gab es für den Top-Favoriten kein H

05.05.2024Pogacar stürmt in Oropa trotz Sturz ins Rosa Trikot

(rsn) – Marco Pantani triumphierte 1999 an der Wallfahrtskirche Santuario di Oropa dank einer historischen Aufholjagd, nachdem er am Fuße des Anstiegs durch einen Defekt gestoppt worden war. 25 Jah

05.05.2024De Lie in der Bretagne auch durch zwei Plattfüße nicht zu stoppen

(rsn) – Nach Platz zwei im Vorjahr hat sich Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) die 41. Ausgabe von Tro Bro Léon (1.Pro) gesichert. Der 22-jährige Belgier entschied in der Bretagne das über 203,6 Kil

05.05.2024Vollering nutzt Rückenwind-Passage zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Mit einem weiteren überragenden Auftritt hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) die 10. Vuelta Femenina (2.UWT) souverän für sich entschieden. Die 27-jährige Niederländerin schüttelt

05.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 2. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

05.05.2024Pogacar: ”Die Post wird abgehen”

(rsn) – Der Auftakt zum 107. Giro d’Italia ist atypisch. Einen Tag nach der schweren 1. Etappe, auf der bereits einige Favoriten Federn gelassen haben, steht bereits die erste Bergankunft auf dem

05.05.2024Narvaez sorgt für die nächsten rosa Träume in Ecuador

(rsn) – Fünf Jahre ist es her, dass Richard Carapaz das Radsportland Ecuador mit seinem sensationellen Gesamtsieg beim Giro d´Italia in Rosa gehüllt hat. Nun feiern die Nachbarn der Kolumbianer i

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)