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26.07.2016 | (rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" vom superschnellen André Greipel.
Dieses aus deutscher Sicht so glanzvolle Finale war nicht nur der endlich verdiente Lohn für einen vorbildlichen Sportler, sondern es krönte auch die Arbeit des Fernseh-und Radio-Teams der ARD.
Mit nur 35 Mitarbeitern hat diese kleine Mannschaft dem deutschen Publikum ein - aus meiner Sicht - hervorragendes Programm geliefert. "Verglichen mit den Team-Telekom-Jahren, waren wir weniger als die Hälfte von damals", sagte Teamchefin Gabi Bohr (Saarländischer Rundfunk) beim Besuch des alten ZDF-Kollegen. Und, voller Stolz, "alle ziehen an einem Strang. Wir sind eine verschworene Truppe."
Drei Wochen lang täglich mehrere Stunden Live-Sendung mit Online-Programm; dazu Erklärstücke und Porträts; Kurzfassungen für die verschiedenen Nachrichtensendungen; Berichte für Morgen- und Mittags-Magazin - diese kleine Mannschaft zeigte Einsatz für zwei.
Sie hatte ihren täglich wechselnden Arbeitsplatz in der Zone Technique, der kleinen Fernseh-und Radio-Stadt unmittelbar neben dem Ziel. Hier bauen mehr als 100 Sender der Welt ihr Equipment auf - ihre Aufzeichnungs- und Sendewagen, improvisierte "Büros", Miniatur-Moderations-und Interview-Plattformen; hier parken die Gerätetransporter und hat schließlich auch noch ein kleines Verpflegungszelt Platz.
Früher, als ARD und ZDF noch mit rund 200 Mitarbeitern aufkreuzten, gab es Catering; heute ist Selbstverpflegung angesagt. Damit nicht jeder einzeln losrennen muss, geht die Team-Chefin höchstpersönlich allmorgendlich zum Einkauf - auf Märkte, zum Metzger, zum Bäcker... bevor sie dann die Koordinationszügel der Redaktion in die Hand nimmt.
Gabi Bohr, die zierliche, kämpferische, erfahrene Redakteurin, die an der Seite des unvergessenen Werner Zimmer gelernt hat und nun in seinem Geist weiterarbeitet.
Der Tour-de-France-Arbeitstag übrigens begann morgens um sechs, am Zielort, mit dem Aufbau in der Zone Technique. Wer da auch nur 20 Minuten zu spät erscheint, dringt nicht mehr zu seinem abgesteckten "Planquadrat" durch, muss dann am Rande der Fernsehstadt aufbauen und improvisieren, u.U. ein paarhundert Meter Kabel zusätzlich legen... Soll heuer nicht passiert sein.
Der Technik-Abbau nach Etappenende, wenn alle Wünsche der Heimatredaktion erfüllt waren, dann selten vor 20 Uhr. Aber auch da war der Tag noch längst nicht zuende - es war der Aufbruch in Richtung neues Etappenziel. Die Übernachtungherberge sollte ihm möglichst nahe sein. Oft wurden es zwei, drei Stunden Fahrt.
Doch nun endlich zum Programm! Meine offene, natürlich ganz persönliche, Meinung.
Da gefiel mir die "Sturmspitze", Michael Antwerpes. Oft etwas streng wirkend, diesmal heiter, locker, informativ einführend in die Etappe. Dazu routiniert und dennoch keineswegs abgestumpft als Interviewer, der auch am manchmal hektischen Etappen - und Sende - Ende noch Ruhe ausstrahlte. Gekonnt auch die Brücken, die er schlug, zum anderen Tagesgeschehen – zu Politik und Olympia.
Der Mann aber, der uns Zuschauern Tag für Tag die Frankreich-Rundfahrt vermittelte und näher brachte, war Florian Naß (48) vom Hessischen Rundfunk. Der Radsport-, Handball- und Fussball-Experte agierte im Alleingang am Mikrophon. Und stand dennoch nicht im Schatten früherer Reporter Duos wie Werner Zimmer/Herbert Watterott oder Watterott/Jürgen Emig.
Florian Naß ist absolut kompetent, wirkt nie aufgeregt. Er schildert das Geschehen abgeklärt, aber durchaus dynamisch; er kennt die Akteure und ihre Persönlichkeiten. Erfasst Rennsituationen und Taktiken, die er gut einordnet. Auch auf Land und Leute geht er ein, schildert das von den französischen Kameraleuten toll eingefangene, so vielfältige und originelle Geschehen am Rande der Rennstrecke … und er lässt uns Zuschauern Zeit zum Staunen und Genießen.
So wie wir Zuschauer beispielsweise genießen konnten, als der ARD-Reporter am vorletzten Tag nach Morzine Johannes Fröhlinger an seiner Seite hatte – den Teamkollegen von John Degenkolb, als eloquenten, selbstbewusst das Wort ergreifenden Co-Kommentator.
Zu genießen auch, wie Florian Naß "seine" Tour nach 7 000 (!) zurückgelegten Kilometern nach und in Frankreich selbst empfand: "Es muss nicht immer nur der Sieg sein, was man am Ende mit nach Hause nimmt."
Für seine Kommentierung der "Großen Schleife 2016" gibt der alte Kollege ein "Summa cum laude" - ein ganz besonderes Lob.
Eine Steigerung ist nun ja nicht mehr möglich. Aber ähnlich stufe ich die Leistung von Uli Fritz ein. Als Regisseur ergänzte er die Bilder der Gastgeber "nahtlos" mit der ARD eigenen Kamera, vornehmlich um den speziellen deutschen Aspekt; als mehrfach ausgezeichneter Filmemacher ließ der SWR-Mann seine Klasse ebenso als Autor vieler Hintergrundgeschichten von dieser Tour blitzen. Wie auch - und kaum weniger - die Redakteure Henrik Deichmann (NDR), Marc Drumm und Thomas Braml (beide SR) mit ihren Beiträgen. Ebenso Bernd Arnold, der HR-Mann, erprobt und bewährt in vielen "Schlachten", als der rasende Reporter für fast alle Interviews.
Auch Jens Voigt (44) war ein guter Griff. Seine Erklärungen waren Insiderwissen aus 17 mal Tour de France, selbst Erlebtes - für Laien wie für Experten bestens an den Mann gebracht. Ein Höhepunkt, von ihm zu erfahren, wie total konzentriert, ja wie kaserniert (!) sich das SKY-Team mit Chris Froome für das Saisonziel Tour-de-France-Sieg vorbereitet hatte. Nur gelegentliche Treffs mit der Familie... Jens Voigt: "Ein Leben, das so intensiv ich nicht mehr führen möchte."
Aber Vorsicht, lieber Schnellsprecher Voigt: nicht überpacen!
Da hätten wir auch gleich den Übergang zu meinem Schlußwort: überpacen alias überdrehen. Was ich vor ein paar Tagen bei T-Online aus der Quelle einer großen deutschen Nachrichtenagentur gelesen habe, war aus meiner Sicht maßloses Überpacen: "ARD erwägt Ausstieg bei der Tour de France". Diese, dem Radsportfreund Angst machende Überschrift, entbehrt eigentlich jeder Grundlage. Auch wenn die Einschaltquoten des Senders nicht die erhoffte Höhe hatten, so waren sie doch - wie ein ARD-Sprecher es im Artikel sagte - "sehr ordentlich".
Mit keiner Silbe wurde gesagt, dass ein "Ausstieg erwägt" ist. Diese "Prophezeihung" aber wird dem Leser mit der Überschrift suggeriert. Für mich als alten Journalisten ist das ein höchst unseriöser, spekulativer Umgang mit der Realität, mit dem Gesagten.
Deswegen hoffe ich, dass die ARD diese "Ente" ad absurdum führt und nach der sehr guten TdF-Darstellung durch eine relativ kleine Fernsehequipe (Ich ziehe den Hut, Chapeau!), das Schaufenster Radsport auch weiterhin offen hält in Deutschland. Und ganz besonders 2017, wenn die Tour de France in Düsseldorf ihren Anfang nimmt.
Vielleicht teilt man sich ja die künftigen Senderechte-Kosten mit dem ZDF. Und trägt die Last damit verteilt auf zwei starke Schultern.
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