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15.07.2016 | (rsn) - Enge Menschenspaliere am Berg gehören zur Tour. Sie ergeben tolle Bilder und machen einen wichtigen Teil der Faszination des Rennens, ja des ganzen Straßenradsports aus. Niemand möchte darauf verzichten - solange alles gut geht. Am Chalet Reynard aber tat es das nicht.
Das Chaos und die von Panik getriebene Laufeinlage des Gelben Trikots werden in die Tour-Geschichte eingehen. Die Situation zwang die Jury, eine schwierige Entscheidung zu treffen, die hohe Wellen schlägt: Obwohl die 3-km-Regel am Berg nicht gilt, wertete man die Zeit der betroffenen Fahrer mit der Zeit jener, an deren Seite sie zum Zeitpunkt des Vorfalles 1.200 Meter vor dem Ziel waren.
Froome bekam deshalb erneut das maillot jaune und wurde bei der Entgegennahme auf dem Podium von einigen unverbesserlichen "Fans" ausgepfiffen, als könne der Brite etwas für die Misere. Dabei waren doch die Zuschauer selbst am Chalet Reynard das Problem - oder vielmehr: das Versäumnis, sie im wahrsten Sinne des Wortes in Zaum zu halten.
"Wenn Du die Massen nicht kontrollieren kannst, was kannst Du dann kontrollieren?", fragte Porte in seinem ersten Interview nach dem Rennen beim Ausfahren auf der Rolle und traf den Nagel damit auf den Kopf. Denn die Jury-Entscheidung, durch die übrigens nicht nur Froome und Porte, sondern auch Nairo Quintana, Alejandro Valverde (Movistar) und Tejay van Garderen (BMC) einige Sekunden gutgeschrieben bekamen, war der Versuch, einen Fehler der ASO wieder gut zu machen. Es ging dabei weniger um Fairness als um Politik.
Die ASO nämlich hat es versäumt, die Strecke auf den letzten Kilometern zum Ziel ausreichend abzusichern. "Erst auf den letzten 500 Metern gab es Barrieren. Das ist Wahnsinn!", sagte Paul Voß, und nahezu jeder andere Fahrer pflichtete ihm bei. Normalerweise sind bei Bergankünften mindestens die letzten zwei Kilometer abgesperrt. "Wir konnten keine Barrieren stellen, da sie vom Sturm weggeweht worden wären", versuchte sich Tour-Chef Christian Prudhomme mit einer Erklärung.
Komisch nur, dass sie auf den letzten 500 Metern dann doch standen. Jeder, der schon mal am Mont Ventoux war weiß, dass die letzten Meter vor dem Chalet Reynard deutlich windanfälliger sind als etwa noch einen Kilometer zuvor, wo der Wald die Straße schützt und wo es nun zum Chaos kam. Und auch die Menschenmassen hätten mutmaßlich wohl als Windbrecher gedient, die Barrieren quasi vor dem Wegfliegen oder Umfallen bewahrt.
Doch auch wenn es stimmt, dass die übrigens zwischen Chalet Reynard und Ventoux-Gipfel für die ursprünglich geplante Ankunft am Straßenrand liegenden Absperrgitter wegen des Windes vor dem Chalet Reynard nicht aufgestellt werden konnten, so ist klar: Es war der ASO schlicht nicht möglich, die Strecke ausreichend zu sichern - sei es durch Gitter oder durch ein erhöhtes Polizeiaufkommen.
Denn was sich durch die Verkürzung der Etappe erhöhte - die ja an sich sehr wohl der Sicherheit diente - war die Zahl der Zuschauer pro Quadratmeter auf den letzten zwei Kilometern vor dem neuen Ziel. Dort ballte sich die Menschenmenge noch mehr als sonst üblich, weil all die Fans, die an den Vortagen ihr Camp am Berg und auf den annullierten sechs Schlusskilometern aufgezogen hatten, hinunter wanderten. Natürlich verteilten sie sich nicht gleichmäßig auf die gesamten 15 Kilometer Anstieg, sondern liefen eben so weit, bis sie die Strecke erreichten. Auf diesen zwangsläufigen Effekt schien die Organisation nicht ausreichend vorbereitet.
Mit der Entscheidung, den sportlichen Effekt des Chaos' letzlich nicht in die Gesamtwertung der Tour einfließen zu lassen, wurde bestmöglich Schadensbegrenzung betrieben. Auch wenn das Reglement auf Bergetappen dafür keine Grundlage bietet, so hat Prudhomme völlig Recht, wenn er sagt: "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen."
Froome und Co. konnten für das ganze Chaos sicher am allerwenigsten. Und absolute Fairness jeder einzelnen Person gegenüber war in dieser Situation leider nicht mehr herzustellen.
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