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27.04.2015 | (rsn) - „Every champion was once a contender who refused to give up.“ An diesen Satz musste ich in den letzten Wochen immer denken. Bevor ich nämlich gestern zum ersten Mal in einem großen Rennen den Mut hatte, im Sprint meine eigene Chance wahrzunehmen und die dann auch noch prompt zu nutzen und in einem sehr gut besetzten Rennen auf’s Podest steigen zu dürfen, musste ich nämlich vor allem gegen meinen eigenen Kopf arbeiten.
Seit ich bei Gent-Wevelgem wieder in die Straßenrennen zurückgekehrt bin, war das Gefühl da, in guter Form zu sein. Allerdings hat immer etwas gefehlt, so dass ich mit meinen Rennen nie wirklich zufrieden sein konnte. Vor allem, wenn richtig Vollgas gefahren wurde, fehlte mir das letzte bisschen an Kraft, um in der ersten Gruppe bleiben zu können. Hinzu kam, dass das Vertrauen in meine eigene Stärke im letzten Jahr sehr unter meinen schwachen Leistungen gelitten hat.
Und mit jedem Rennen, das ich so weit von der Spitze weg war, verlor ich auch mehr von dem unbedingten Siegeswillen, der mir im Nachwuchsbereich zu so vielen Erfolgen verholfen hatte. Erst in den vergangenen Wochen, als ich gemerkt habe, dass der Abstand nach vorne gar nicht mehr so groß ist und ich Stück für Stück die Lücke schließe, kam die Wende. Im Training hatte ich endlich wieder ein Ziel vor Augen und konnte mich dadurch dazu bringen, mehr zu investieren und auch mal etwas länger auf dem Sattel sitzen zu bleiben als im Trainingsplan vorgegeben.
Lange und offene Gespräche mit meinem unmittelbaren sportlichen Umfeld gaben mir dann wohl den letzten notwendigen Tritt in den Hintern. Mein Teamchef, meine Trainerin und mein Vater haben mir zugehört, als ich meine Zweifel und Unsicherheiten loswerden musste. Vor allem mein Papa fand die richtigen Worte, um mich zu motivieren und wieder aufzubauen.
Umso schöner war es dann gestern, dass er mein Rennen live verfolgen konnte. Er ist derjenige, der mich überhaupt so weit gebracht hat. Bis zu meinem letzten Juniorinnenjahr hat er meine Trainingspläne geschrieben, die wir oft noch fünf Minuten vor Trainingsstart verworfen haben und das gemacht haben, was uns in dem Moment sinnvoller erschien.
Auch jetzt sitzt er noch bei vielen Trainingsfahrten neben mir auf dem Rad und ist derjenige, der Frust und Enttäuschung als Erster abbekommt. Am Wochenende war er als Betreuer für das Team Mangertseder zur Juniorinnenausgabe des Omloop van Borsele vor Ort. Damit er im Anschluss an deren Rennen noch meines anschauen konnte, übernahmen die anderen Betreuer sogar das Putzen der Räder. Er stand nur ein paar hundert Meter hinter der Zieldurchfahrt und sein „Heute ist dein Tag!“ half mir auf der Schlussrunde, mich gegen die anderen Sprinterinnen im Positionskampf zu behaupten.
Denn die hatten überhaupt kein Verständnis dafür, dass ich das Hinterrad von Kirsten Wild nicht abgeben wollte. Die Frage von Shelly Olds, der Zweitplatzierten, die vor der Siegerehrung wissen wollte, wie denn überhaupt mein Name sei, erklärt die Konstellation ganz schön. Für die anderen schien ich nur den Weg zu blockieren, weil ich im Finale in noch keinem anderen Rennen auf mich aufmerksam gemacht hatte. Meine Fähigkeiten von der Bahn, mich mit Ellbogen durchzukämpfen und mich auch von vermeintlich überlegenen Gegnerinnen nicht einschüchtern zu lassen, halfen mir da enorm. Letztendlich verlor ich zwar das Hinterrad von Kirsten Wild, konnte mich aber in den Zug von Alè Cippollini einschleichen und hatte damit freie Fahrt auf den letzten 200 Metern.
Den Sprint selbst konnte ich trotz voller Konzentration auf die immer näher kommende Ziellinie richtig genießen. Denn die guten Beine aus den vorangegangenen 140 Kilometern ließen mich auch zum Schluss nicht im Stich und brachten mir persönlich einen weiteren Motivationsschub und vielleicht auch ein bisschen mehr Respekt bei meinen Gegnerinnen in den kommenden Rennen. Ich freue mich auf jeden Fall darauf!
Bis dann
Eure Anna
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