JayJays Welt, Teil 3

Jaksche: Die Operation Puerto ist noch nicht zu Ende

Von Christian Harth

24.01.2008  |  Jörg Jaksche denkt über sein Leben und die Radsport-Welt nach. Im 3. Teil des Gesprächs mit Christian Harth in Kitzbühel spricht er über Team-Chefs, die Rad-Verbände, Jochen Behle und die Staatsgewalt.

Jaksche zu:

einem Neuprofi, dessen Ehrgeiz es ist die Tour de France zu gewinnen
“Er soll sich mal kleinere Ziele stecken, denn das ist ein sehr großes Ziel. Und daran kann man im Extremfall zerbrechen. Außerdem wird man dadurch offen und anfällig für bestimmte Sachen, die nicht in Ordnung sind.”

Gianluigi Stanga (der ihn bei Polti zum Doping aufgefordert haben soll)
„Von Zwang würde ich nicht sprechen, es war von seiner Seite viel mehr eine Beschreibung der damaligen Realität. In letzter Zeit hatte ich wenig Kontakt mit ihm, vor allem, seit ich ihn im Spiegel-Artikel erwähnte. Er hat mir gedroht, dass Leute eidesstattlich versichern könnten, dass es damals alles ganz anders war, ehemalige Mitarbeiter wie Silvio Martinelli und Giuseppe Guerini. Seitdem habe ich nichts mehr von Stanga gehört.“
Walter Godefroot (ehemaliger Telekom Teamchef und Berater Astana)
„’Wir müssen uns Gesamtgedenkjes machen über die Situation’, würde Walter wohl sagen, in seinem drolligen flämisch-deutsch … Er ist einer vom alten Schlag. Er war ein Teil des Team Telekom, ich denke, er wusste wohl, was abgeht. Was ich sonst über Leute wie ihn zu sagen hatte, das sagte ich bereits dem BKA.“

Rasmus Damsgaard (Doping-Forscher, in Diensten von CSC und Astana)
„Anti-Doping ist ein großes Business, oder?“

Der spanische Radsportverband RFEC
„Der RFEC, das spanische Sportministerium, die spanische Regierung und die Operacion Puerto, das ist für mich alles der gleiche Wahnsinn. Nur soviel: Die Anwälte, die die bis dato bekannten Fahrer der Liste versucht haben anzuklagen, dass waren dieselben, die im September Alejandro Valverde vor der CAS verteidigten, damit er die Weltmeisterschaften in Stuttgart fahren kann. Ich bin überzeugt, dass die Operacion Puerto nicht zu Ende ist. Bestimmte staatsrechtliche Institutionen wissen sehr genau, wer Geld auf Fuentes’ Konto überwiesen hat.
In Italien arbeitet der Chefermittler des Nationalen Olympischen Komitees CONI, Ettore Torri, mit einem jungen Guardia Civil-Beamten zusammen. Im Januar werden Briefe rausgeschickt, an alle internationalen Fahrer, die, so das italienische Nachrichtenmagazin Panorama, nach Meinung des CONI mit der Operacion Puerto etwas zu tun haben. Wenn diese Fahrer sich nicht innerhalb eines Monats verantworten, dann dürfen sie keine Rennen mehr auf italienischem Boden fahren. Das bedeutet, dass sie auch keine Tour de France 2008 fahren dürfen, weil die Tour in den Alpen einen Abstecher nach Italien macht.
Das bloße Leugnen der Tatsache, dass Athleten anderer Sportarten ebenfalls auf der Liste sind, kann nicht aufrechterhalten werden, es wird noch viel rauskommen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Guardia Civil sagt, dass sie am 12., 13. und 14.Mai 2006 (zufällig wenige Tage vor dem Champions League-Finale, dass der FC Barcelona – ein mutmasslicher Kunde Fuentes’ - 2:1 gegen den FC Arsenal London gewann, Anm. der Red.) Fuentes 72 Stunden am Stück beschattete und am Stück hat arbeiten sehen. Zur gleichen Zeit wurde von vier oder fünf Personen Blut abgegeben. Aber der Einzige, den sie gesehen haben wollen, das war Jörg Jaksche. Eigentlich haben sie mich aber gar nicht mit ihm zusammen gesehen, sie wissen nur, dass ich im Hotelzimmer war! Ich war auch tatsächlich da, aber es gibt kein einziges Bild von uns zusammen. Eigenartig ist für mich, dass sie keine weiteren Namen und keine Bilder dieser drei Tage im Mai haben.
Ganz allgemein: Es gibt andere Sportarten, die vom Doping genauso befallen sind wie der Radsport, in denen es um noch viel mehr Geld geht als im Radsport. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass alle bösen Menschen sich im Radsport treffen.“

Gerry van Gerwen (Rennstallbesitzer Team Milram, Stanga-Nachfolger)
„Hat Ete die Stange gehalten nach seinem Outing und wird es wohl auch weiterhin tun. Das ist richtig und wichtig.“

Bob Stapleton (Besitzer High Road Sports, ehemals T-Mobile Team) „Seiteneinsteiger. Er tut dem Radsport gut. Es ist ganz wichtig, dass man jemanden wie ihn hat, der nicht aus dem Radsport kommt, der aber vor allem unabhängig ist. Er hat es nicht nötig damit Geld zu verdienen.“

Thomas Kofler (Team Volksbank/Österreich)
„Netter Mensch, der an das Gute im Menschen glaubt. Der sehr viel riskiert hat, weil er seinen „normalen“ Job aufgab. Und jetzt versucht, sich eine neue Zukunft aufzubauen. Ihn habe ich natürlich auch angelogen, so wie ich viele Leute angelogen habe. Damals war ich noch in den alten Mechanismen gefangen, außerdem war ich damals vom österreichischen Radsportverband freigesprochen worden, hatte also sozusagen gute Karten. Trotzdem habe ich mich bei ihm und anderen zu entschuldigen.“

Oleg Tinkoff (Rennstallbesitzer, Ex-Arbeitgeber Jaksches 2007)
„Kein Kommentar.“

Hans-Michael Holczer (Rennstallbesitzer, Manager Team Gerolsteiner)
„Plötzlich habe ich also nicht genug gesagt, bin Einzeltäter. Das verstehe ich nicht. Holczer ist seit zehn Jahren im Profi-Radsport mit dabei. Man sagt, 2006 habe er sehr viel an Kredit gewonnen. Und dann hat er sehr viel verloren - mehr als er gewonnen hatte. Mein Eindruck: Mittlerweile wird er zusammen mit Jens Voigt in der öffentlichen Wahrnehmung sehr kritisch gesehen.“

Peter Danckert (Vorsitzender des Sportausschusses)
„Von der Politiker-Seite ist er der Einzige, der mir Hilfe angeboten hat. Er ist sehr gut informiert und steht zu seinem Wort. Er hat sicherlich ein gewisses Standing in der deutschen Sportszene und kann daher auch erörtern, was gut und was schlecht ist für den Sport. Er hat ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, was in Deutschland passiert. Er steht für die Kronzeugenregelung und die Aufarbeitung der Vergangenheit. Das ist der einzig richtige Ansatz, denn wenn du sie nicht komplett aufarbeitest, dann kommt sie stückchenweise heraus - immer mal wieder, und das über einen sehr langen Zeitraum.“

Pat McQuaid (Präsident des Weltradsportverbands UCI)
„Die größte Macht liegt im Augenblick bei der UCI und der französischen ASO, den Besitzern u.a. der Tour de France. In deren Hand liegt die Zukunft des Radsports. Wenn sie wollen, dann können sie etwas bewirken. Die ASO scheint ihren Kurs relativ hart durchzuziehen. Der von der UCI geplante biologische Pass sowie das Steroidprofil scheinen in die richtige Richtung zu gehen. Aber kann man von der UCI verlangen, dass sie sich selbst kontrolliert? Ganz wichtig ist, dass die UCI viele Gelder lockermacht, um die Anti-Doping-Forschung zu unterstützen, um bestehende Tests wasserdicht zu machen und permanent auf neue Substanzen reagieren zu können.“

Rudolf Scharping (Präsident des BDR)
„Von ihm darf man nicht erwarten, dass er sofort in einen Aktionismus verfällt, der gefordert und teilweise gemacht wurde, in Stuttgart und anderswo. Ich denke schon, dass Herr Scharping lautere Absichten hat, aber man darf nicht zuviel erwarten. Das meine ich jetzt nicht böse - ich meine nicht, dass man nicht zuviel von ihm persönlich erwarten darf. Man muss, wenn die Wogen sich geglättet haben, die Situation realistisch analysieren; die ganzen Strukturen - natürlich auch Verbands- und Funktionärs-Strukturen. Und dann schauen, was man ändern muss. Hau-ruck-Aktionen bringen niemanden weiter! Ich schlage vor, dass er in spätestens einem halben Jahr ein Resumee zieht. Manchmal ist auch die ordentliche Justiz gefragt um einzugreifen, denn die Sportverbände alleine schaffen es nicht.“

Rudolf Massak (Präsident des österreichischen Radsportverbandes ÖRV)
„Was ich an den Österreichern mag, ist deren Hausverstand. Sie sehen manche Sachen etwas lockerer, aber dadurch realistischer. Nicht nachlässig, aber eben auch nicht wie die Deutschen. Die versuchen alles immer 110-prozentig richtig zu machen. Ich nenne das die „Erbschuld“.“

Dick Pound (Kanada, ehemaliger Chef der WADA)
„Er war ein seriöser WADA-Chef, mit ehrenhaften Intentionen. Was er sagt, entspricht der Wahrheit.“

John Fahey (Australien, neuer Präsident der WADA)
„Ich hoffe, er geht den Weg von Dick Pound weiter.“

Potentielle zukünftige Sponsoren
„Es ist jetzt ein günstiger Moment um einzusteigen. Ich verstehe absolut, dass Telekom sich zurückgezogen hat. Aber ich denke, wir haben die Talsohle durchschritten. Vor fünf Jahren war der Radsport um einiges dreckiger als heute. Jetzt braucht es intelligente Köpfe in der Führung des Radsports, die die richtigen Wege einschlagen. Dann wird man sehen wie es sich entwickelt - ich hoffe es geht in die richtige Richtung. Aber es bedeutet viel Arbeit.“

Jochen Behle (ehemaliger Skilangläufer, Bundestrainer Skilanglauf)
„Er hatte die Fälle Evi Sachenbacher-Stehle und Jens Filbrich. Wir haben eigentlich im Radsport schon genug Leute, die mit dem Finger auf andere zeigen und sagen: ‚Wir machen es nicht, ihr seid die Bösen!’ Wie man sieht gibt es dieses Phänomen aber nicht nur im Radsport, sondern auch sportartenübergreifend. Es treffen sich nicht alle bösen Jungs im Radsport – in anderen Sportarten gibt es auch Geld zu verdienen …“

Thomas Bach (Präsident des DOSB und IOC-Vizepräsident)
„Es ist schwierig festzustellen, wie man den Sport am besten fördern kann und Gelder verteilt. Durch das Abschneiden im Medaillenspiegel? Andererseits leben wir in einer Leistungsgesellschaft, es wird immer Betrug geben. Was ist also der richtige Weg? Zu Bach persönlich: Neulich meinte er in einem Interview, die öffentlichen Äußerungen von Patrik und mir würden nicht auf große Einsicht schließen lassen. Ich hoffe er ist falsch zitiert worden, denn vom Vorsitzenden der Berufungskammer am CAS so etwas zu hören kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Denn damit wäre ja das CAS parteiisch, befangen und voreingenommen!“

Die „Staatshand“
„… ist gefordert!“

Ende

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