Interview nach dem Mattscheiben-Aus

Wüst: Ich wehre mich gegen den Generalverdacht

31.05.2007  |  (Ra) - Der ehmalige Radprofi Marcel Wüst, lange Zeit als Experte bei Radrennen in der ARD tätig, wurde von seinem Arbeitgeber von seinen Aufgaben entbunden. Im Interview mit Radsport aktiv äußert sich Wüst über sein plötzliches Ende bei der ARD, den Generalverdacht im Radsport und den Doping-Skandal beim Team Telekom.

Herr Wüst, die ARD hat bekannt gegeben, dass man keine ehemaligen Radprofis mehr als Experten bei den Rennen einsetzen wird. Davon sind auch Sie betroffen. Wann haben Sie davon erfahren?

Wüst: Mir wurde es vorgestern mitgeteilt. Es gab eine Konferenz auf der beschossen wurde, dass keine ehemaligen Radprofis bei den Radsportübertragungen als Experten dienen sollen.

Hat Sie diese Entscheidung überrascht?

Wüst: Natürlich. Ich bedaure diese Entscheidung sehr, kann sie aber nicht beeinflussen. Ich habe auf jeden Fall einen gültigen Vertrag mit der ARD. Wie es nun weiter geht, warte ich einfach ab.

Finden Sie die Reaktion der ARD nicht überzogen? Schließlich haben Sie ja keine Dopingvergangenheit.

Wüst: Ja, das stimmt. Ich habe keine Dopingvergangenheit und habe mir da nichts vorzuwerfen. Die ARD hat sich selbst Druck auferlegt und musste nun reagieren. Ich habe meinen Job gerne gemacht. Von der getroffenen Entscheidung bin ich enttäuscht.

ARD und ZDF werden wohl ab 2009 keine Tour de France mehr übertragen. Die richtige Entscheidung?

Wüst: Ich habe keine Ahnung, ob das richtig ist oder nicht. Das wird die Zeit zeigen. Es wäre aber fatal, wenn wir wieder Zustände wie in den 80er-Jahren hätten, wo 20 Minuten von den Bergetappen und sonst nur im Nachrichtenblock berichtet wurde. Eine großflächige Radsportübertragung ist wichtig, es ist aber letztendlich egal ob bei den Öffentlich-Rechtlichen oder bei den Privaten.

Wie beurteilen Sie die Dopingdiskussionen, die zur Zeit laufen?

Wüst: Was mich an den aktuellen Diskussionen am Meisten stört, ist dieser Generalverdacht, der auch saubere Fahrer wie mich mit einschließt. Ich habe keinen Bock auf Dopingverdacht. Das ist absolut schädlich fürs Image. Ich werde mich mit anderen Fahrern, die das gleiche Schicksal ereilt hat, zusammenschließen, eine geeignete Plattform suchen um mich offensiv dagegen zu wehren, auch wenn dies sehr schwer wird.

Ãœberraschen Sie die Entwicklungen der letzten Tage im Doping Skandal um Telekom?

Wüst: Nun zuerst einmal muss man sich fragen, ob der Pfleger Jef d`Hont dem Radsport helfen möchte oder nur aufs Geld aus ist. Wenn ich lese, dass er sich gut fühlt, weil sein Buch auf Platz 1 der Verkaufslisten steht, sagt das schon viel. Ob ich von dem Geständnis von Bert Dietz bei Beckmann überrascht war? Schwer zu sagen, ich hatte ja schon den Vorabdruck zu Jef d’Hont im Spiegel gelesen. Ich habe aber 98 auch mit meinen ehemaligen Teamkollegen von Festina gesprochen, und die geschilderten Vorgänge von Dietz und denen damals beim Festina-Skandal waren anscheinend doch sehr ähnlich. Der Auftritt von Erik Zabel hat mich überrascht, aber auch bewegt. Das muss ich ehrlich sagen.

Haben Sie mit Zabel und Co. Mitleid oder fühlen Sie sich um ein paar Siege betrogen?

Wüst: Ich habe in meiner Karriere genug gewonnen. Im Nachhinein ist es aber erklärlich, das ich bei den großen Landesrundfahrten oft nicht in Paris, Mailand oder Madrid angekommen bin. Ich hege da aber keinen Groll. Zabel glaube ich aber, dass er nur in dieser einen, besagten Woche vor der Tour 1996 etwas genommen hat und sonst sauber war. Ich bin mir auch sicher, dass man starke Leistungen auf dem sauberen Weg erzielen kann. Vielleicht nicht den Tour de France Sieg, aber es gibt ja auch andere Rennen.

Wurde Ihnen zu ihrer aktiven Zeit auch Doping angeboten?

Wüst: Wenn ich mich um Dopingmittel bemüht hätte, hätte ich sicherlich welche bekommen. Auch ich habe damals eine medizinische Versorgung gebraucht – aber nur mit Mitteln, die nicht auf der Dopingliste standen. Ich habe mich nicht nach Dopingmitteln erkundigt und mir wurde auch nie etwas angeboten.

Was muss passieren, dass der Radsport wieder auf den rechten Weg zurückkommt?

Wüst: Zunächst einmal muss eine internationale Aufarbeitung der alten Wahrheiten geschehen. Das ist für mich aber sehr zweifelhaft. Ein Patentrezept gibt es meiner Meinung nach nicht. Natürlich spielt im Radsport das Geld eine wichtige Rolle, da die Fahrer irgendwann auch mal eine Familie zu versorgen haben. Wenn ein Fahrer also erwischt werden sollte, dann müsste er sein ganzes Geld zurückzahlen. Das würde als Abschreckung reichen. Vielleicht sollte der Weltradsportverband UCI diese Klausel in seine Musterverträge mit aufnehmen. Die Frage ist allerdings, ob die jungen Athleten in drei oder vier Jahren in ihrem Sport überhaupt noch Geld verdienen können. Wenn keine Radrennen mehr gezeigt werden und sich weitere Sponsoren zurückziehen, dann schadet das dem Profiradsport, vor allem aber auch der Basis. Immer mehr kleine Radrennen werden wegen Sponsorenmangel wegfallen, wenn sich im Radsport nicht schnell etwas ändert. Man muss aber auch sehen, dass es in unserer Gesellschaft überall Betrug gibt und immer geben wird. So wird es im Sport auch immer sein.

Mit Marcel Wüst sprach Christoph Adamietz

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.08.2009Rapp: 2010 wohl keine Deutschland Tour

(rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Inte

20.08.2009"Für ganz vorne fehlte noch ein bisschen was"

(rsn) – Nach schwachem Saisonstart hat Gerald Ciolek (Milram) in den vergangenen Monaten beständig gute Leistungen gezeigt, auch wenn es bisher erst zu einem Sieg reichte. Im Interview mit Radsport

20.04.2009"Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird"

(sid) - Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) spricht der Milram-Kapitän über seine F

19.03.2009"Wir sind als böse Ketzer dargestellt worden"

(sid) - Der wochenlangen Schlammschlacht folgt der Showdown im Nobelhotel: BDR-Präsident Rudolf Scharping stellt sich am Samstag auf der Bundesversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer zur Wiederwah

17.03.2009Claußmeyer: "Wir leben von unserer Stärke als Team"

(rsn) - Aus dem Continental-Team Sparkasse wurde zur neuen Saison das Team Nutrixxion Sparkasse. In Gespräch mit Radsport News erklärte Teamchef Mark Claußmeyer die Zusammensetzung des Teams, die S

04.03.2009„Letztendlich geht es immer um den Erfolg“

(rsn) – Mit neuem Hauptsponsor und einigen namhaften Neuzugängen wie Sebastian Sielder und René Haselbacher ist das österreichische Team Vorarlberg-Corratec in die neue Saison gegangen. Im Interv

26.02.2009„Kein Sieg im letzten Jahr – das hat mich gewurmt“

(rsn) – Paul Martens steht in seiner zweiten Saison beim niederländischen Rabobank-Team. Im letzten Jahr gelang dem 25-Jährigen trotz guter Leistungen kein Sieg. Das soll in dieser Saison anders w

24.02.2009„Ich habe mich als Co-Kapitän sehr wohl gefühlt“

(rsn) – Als Vierter der Andalusien-Rundfahrt zeigte Martin Velits (Milram) schon früh in der Saison sein großes Potenzial. Im Interview mit Radsport News sprach der 24-jährige Slowake über seine

13.02.2009"Schlimmer kann es nicht mehr kommen"

(rsn) - Der Australier William Walker, 2005 Vize-Weltmeister in der U23-Klasse, zählt zu den großen Talenten des Radsports. Das konnte der 23-Jährige in den letzten beiden Jahren im Rabobank-Trikot

11.02.2009"Ich will mich 2009 für höhere Weihen empfehlen"

(rsn) - Christian Müller (26) galt in seiner U23-Zeit als eines der größten deutschen Zeitfahrtalente. Nach einer guten Neo-Profi-Saison 2005 bei CSC lief in den folgenden drei Jahren nur wenig zus

07.02.2009"Wir sind eines der jüngsten Continental-Teams"

(rsn) - Das Bochumer Continental-Team Vlassenroot startet 2009 unter dem Namen Seven Stones. Im Gespräch mit Radsport News erklärt der Sportliche Leiter Lars Diemer, was hinter der Namensänderung s

05.02.2009"In Topform zu den Ardennenklassikern"

(rsn) - Robert Gesink ist das größte niederländische (Kletter-)Talent seit vielen Jahren. 2008 machte der 22-jährige Rabobank- Profi in mehreren großen Rennen mit Spitzenplatzierungen bereits von

Weitere Radsportnachrichten

18.04.2024Lopez: “Einer der härtesten Tage meines Lebens“

(rsn) – Die 3. Etappe der Tour of the Alps 2024 wird den Teilnehmern lange in Erinnerung bleiben. Zwar hatte der 140 Kilometer lange Abschnitt rund um Schwaz in Tirol nur wenig an Spektakel zu biete

18.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wie geht´s zum Liveticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

17.04.2024Highlight-Video des 27. Flèche Wallonne Femmes

(rsn) – Nach einem dritten (2017) und einem zweiten Platz (2021) hat Kasia Niewiadoma (Canyon – SRAM) erstmals in ihrer Karriere den Flèche Wallonne Femmes gewonnen. Bei der 27. Ausgabe des Arden

17.04.2024“Auf dieses Wetter vorbereitet“: Uno-X imponiert beim Flèche

(rsn) – Ineos Grenadiers, UAE Team Emirates und Jayco – AlUla brachten keinen ihrer einzigen Fahrer ins Ziel der 88. Ausgabe des Flèche Wallonne (1.UWT), bei neun weiteren Teams beendete nur jewe

17.04.2024Highlight-Video des 88. Flèche Wallonne

(rsn) – Auch Kälte und Regen konnten ihn nicht stoppen: Stephen Williams (Israel - Premier Tech) hat beim Flèche Wallonne den größten Erfolg seiner Karriere eingefahren. Der 27-jährige Brite ge

17.04.2024Lüttich-Bastogne-Lüttich im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Lüttich-Bastogne-Lüttich bildet traditionell den krönenden Abschluss der Ardennenwoche. La Doyenne, das älteste Eintagesrennen der Welt, ist mit seinen kurzen, teils extrem steilen Anst

17.04.2024Wird Het-Nieuwsblad-Sieger Tratnik Teamkollege von Roglic?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

17.04.2024Nach fast fünf Jahren bricht Niewiadoma an der ´Mur´ den Bann

(rsn) – Fast fünf Jahre musste Kasia Niewiadoma (Canyon – SRAM) auf den 19. Sieg ihrer Profikarriere warten. Bei der 27. Ausgabe des Flèche Wallonne Femmes war es soweit. Nach 146 Kilometern mit

17.04.2024Williams genießt Regen und Kälte und triumphiert an der ´Mur´

(rsn) – In einer wahren Regenschlacht kämpfte sich Stephen Williams (Israel - Premier Tech) beim 88. Flèche Wallonne an der berühmten Mauer von Huy als Erster über den Zielstrich. Beim zweiten A

17.04.2024Degenkolb: Geschwollenes Knie gefährdet Start in Eschborn

(rsn) – Nach dem Sturz auf sein linkes Knie bei der Streckenerkundung von Paris-Roubaix konnte John Degenkolb (dsm-firmenich – PstNL) zwar sein Lieblingsrennen bestreiten und belegte am 7. April i

17.04.2024Lopez trotzt bei seinem ersten Profisieg Regen und Kälte

(rsn) – Mit seinem ersten Profisieg hat Juan Pedro Lopez (Lidl – Trek) das Grüne Trikot der Tour of the Alps (2.Pro) übernommen. Der 26-jährige Spanier setzte sich auf der 3. Etappe über 124,8

17.04.2024Steinhauser holt sich in guter Form den Giro-Feinschliff

(rsn) – Eine Corona-Erkrankung beendete Georg Steinhausers erste Profisaison 2023 vorzeitig. Der Deutsche kämpfte daraus resultierend sogar mit Herzproblemen und verpasste dadurch auch die Vuelta,

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Belgrade Banjaluka (2.2, BIH)