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06.08.2023 | (rsn) - Dass die Belgier bei Straßenweltmeisterschaften mit Doppelspitzen antreten, ist aufgrund der Großzahl an Klassefahrern nichts Ungewöhnliches. Doch ging diese Taktik in der Vergangenheit nicht immer so gut auf wie im Vorjahr, als Remco Evenepoel den Titel holte.
Bei der Heim-WM vor zwei Jahren etwa harmonierten die Belgier nicht wirklich und gingen am Ende leer aus. Bei der WM in Glasgow tritt man am Sonntag sogar mit einer Dreierspitze an, denn neben Titelverteidiger Evenepoel und Wout Van Aert wurde auch noch Jasper Philipsen und das neunköpfige Aufgebot berufen. Da stellt sich die Frage, ob drei Kapitäne für die Belgier eher Fluch oder Segen sein werden?
Für Ex-Weltmeister Tom Boonen ist die Antwort klar. Er geht davon aus, dass dies keine sinnvolle Auswahl gewesen sei. So hätte er entweder Van Aert oder Philipsen mitgenommen, nicht aber beide. Seine Begründung: Beide seien sich vom Fahrertyp her zu ähnlich.
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"Sie haben es beide verdient, dabei zu sein. Das ist nicht die Frage. Aber es wird so taktisch eher schwierig. Die Aufgabe bei der Zusammenstellung des Kaders ist es, im Vorfeld Konflikte zu beseitigen. Und ich bin mir sicher, dass es diese Konflikte jetzt geben wird", sagte Boonen im Podcast Wielerclub Wattage.
Vor allem im Finale könnte es schwierig werden, vermutete der Ex-Profi. "Nimmt man zwei Fahrer mit demselben Profil, um das Finale zu fahren, dann wird es bestimmt zu Situationen kommen, die für einen von beiden nicht angenehm sein werden. Das will man einfach nicht. Wenn ein Sprinter den Zielstrich sieht, dann will er sprinten", erklärte Boonen, dass es zwischen Van Aert und Philipsen im Falle einer Sprintentscheidung zum Zwist kommen könnte.
Die Belgier bei der Streckenbesichtigung des WM-Kurses. Foto: Cor Vos
Die nominierten Fahrer spielten indes mögliche Schwierigkeiten bei der Findung der richtigen Taktik herunter. Van Aert betonte zwar gegenüber Het Laatste Nieuws, dass die WM ein Hauptziel von ihm sei und er nicht einfach nur mitrollen wolle. Aber die alleinige Kapitänsrolle oder zumindest die Bevorzugung gegenüber Philipsen forderte er nicht ein. "Es wird ein schwerer Kurs, auch sehr technisch. Es wird genügend Stellen geben, an denen man etwas probieren kann. Jasper ist superstark. Wir haben verschiedene Szenarien. Jasper muss einfach nur dranbleiben und am Ende dann sprinten. Für mich ist das nicht unbedingt schlecht", erklärte Van Aert, der so eine offensive Rolle bekommen könnte, da er eben nicht den Sprint-Backup geben muss, sollte die Karte Evenepoel nicht stechen.
Nach der Einschätzung von Van Aert, wird er sich also nicht mit Philipsen um die Rolle des Sprinters streiten. Dafür wird er aber schauen müssen, dass er und Evenepoel es taktisch clever spielen. Dies sah auch Evenepoel so. "Wir haben drei verschiedene Karten zu spielen. Wir müssen unsere Stärken gemeinsam nutzen. Ich denke, wir haben das stärkste Team", so Evenepoel.
Genau dort sieht aber auch Ex-Profi Jan Bakelants das Problem. "Wout sitzt jetzt zwischen den Stühlen. Er muss im Rennen früh attackieren, aber das fände ich respektlos gegenüber Evenepoel, schließlich ist er der amtierende Weltmeister. Evenepoel ist kein Fahrer mehr, dem man sagen kann: Du kannst es von Runde 5 bis 3 vor dem Ziel probieren, das ist dein Bereich. Er ist der beste belgische Fahrer, wenn er in der letzten Runde noch etwas probieren will, sollte niemand etwas dagegen sagen"; so Bakelants.
Bespricht Remco Evenepoel (li.) hier die WM-Taktik für das Straßenrennen? Foto: Cor Vos
Evenepoel sah dies jedoch nicht als Problem. "Wout und ich könnten die gleiche Herangehensweise haben. Wichtig ist, dass wir miteinander reden, uns gut absprechen", meinte der Titelverteidiger. Im Idealfall könne man alle drei Kapitäne in einer Spitzengruppe platzieren, so Evenepoels Hoffnung. "Wenn das Finale wieder früh beginnt, dann wäre das perfekt. Im Idealfall wären wir mit Wout, Jasper und mir vorne. So könnten wir ein ständiges Spiel spielen und abwechselnd attackieren. Und hätten dann vielleicht noch Jasper für den Sprint," fügte er an, dass er für sich nur wegen seiner Rolle als Titelverteidiger keinen Sonderstatus erwarte.
Auch Philipsen konnte die Kritik der Ex-Profis nicht nachvollziehen. "Mehr Kapitäne als die anderen zu haben, das ist unsere Stärke"; so der vierfache Etappensieger der Tour de France. Für sich selbst sieht er aber nur Außenseiterchancen. "Die Angreifer sind klar im Vorteil bei diesem Kurs. Ich brauche einen guten Tag, dann habe ich vielleicht eine kleine Chance", so Philipsen gegenüber RTBF. Seine Nominierung rechtfertigte er aber trotzdem. "Der Sprint wird wahrscheinlich meine einzige Chance auf einen Erfolg sein. Es ist keine Garantie, aber wir müssen und diese Option offen halten", sieht sich Philipsen als Back-Up.
Evenepoel indes kann sich für sich wieder eine frühe Attacke vorstellen, die ihm nicht nur im letzten Jahr den WM-Sieg einbrachte, sondern in der Vergangenheit auch Siege bei der Clasica San Sebastian und Lüttich-Bastogne-Lüttich. "Ein Solo ist immer möglich"; meinte er. Allerdings kann sich Evenepoel auch gut vorstellen, dass er von der Konkurrenz in Manndeckung genommen wird. "Dann werden meine beiden Teamkollegen wichtig. Gut, dass wir drei Trümpfe haben", so Evenepoel, der Van Aert bisher "eine sehr gute Saison" attestierte und über Philipsen mit einem Augenzwinkern sagte. "Er hat bei der Tour 1000 Etappen gewonnen."
Wichtig sei für ihn, dass der Titel in Belgien bleibe, wer als Erstes über den Zielstrich fahre, sei dabei egal. "Wenn Wout am Sonntag gewinnt und ich dafür am Freitag (im Einzelzeitfahren, d. Red.), wäre das für mich auch in Ordnung", sagte Evenepoel.
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