RSNplusVan Aert rettet nebenbei Gelb

Jumbo - Visma verhindert knapp den Super-Gau bei dieser Tour

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Jumbo - Visma verhindert knapp den Super-Gau bei dieser Tour"
Wout Van Aert verhinderte das Schlimmste an diesem Horror-Tag für Jumbo - Visma | Foto: Cor Vos

07.07.2022  |  (rsn) – Das Wort Sch**ßtag fiel in nicht wenigen Interviews von Fahrern oder Betreuern des Jumbo-Visma-Teams nach der 5. Etappe der Tour de France. Ausgerechnet an jenem Tag, der für die niederländische Truppe wie gemacht schien, durchlebten sie auf den Kopfsteinpflasterabschnitten von Lille nach Arenberg einen absoluten Alptraum. Innerhalb von nur fünfzehn Minuten fielen die beiden Gesamtwertungsaspiranten Primoz Roglic und Jonas Vingegaard mit Stürzen und Defekten aus der Gruppe der Favoriten zurück.

Mit einem immensen Kraftaufwand verhinderten ihre Teamkollegen unter der Führung von Wout Van Aert den Super-Gau! "Wir haben noch nichts verloren, aber das ist nicht das Ergebnis, das wir wollten", gestand Grischa Niermann am Mikrofon der niederländischen TV-Station NOS und fügte an: "Am Anfang stürzte Wout (Van Aert, d. Red.) nach einer Pinkelpause, dann hat Jonas einen Defekt am Hinterrad. In der Hektik ging alles schief und dann prallte Primoz noch auf einen Strohballen, der von einem Motorrad auf die Straße geschleudert worden war."

Die Pechsträhne verhinderte, dass die Profis von Jumbo - Visma ihre Stärke auf die Straße, bzw. das Pflaster, bringen konnten. Denn sowohl Vingegaard als auch Roglic hatten im Frühjahr beim Grand Prix Denain bewiesen, dass sie auch auf dem für Bergspezialisten ungewohnten Terrain zurechtkommen. Ebenso wie Jumbos Klassikerfraktion Van Aert, Tiesj Benoot, Nathan van Hooydonck und Christophe Laporte. Trotzdem wollte es für die Schwarz-Gelben vom Start weg nicht rundlaufen, wie ihr Mann im Gelben Trikot berichtete.___STEADY_PAYWALL___

Christophe Laporte (links) und Van Aert diskutieren, was zu tun ist. | Foto: Cor Vos

"Von Beginn an habe ich mich im Feld nicht wohl gefühlt. Die Straßen waren viel zu gefährlich meiner Meinung nach", erklärte Van Aert, der am Vortag noch das gesamte Tourfeld an der finalen Bergwertung zerlegt hatte. Doch das Selbstvertrauen aus seinem Etappensieg schien er nicht in den fünften Renntag mitgenommen zu haben. Immer wieder hielt er sich weit hinten im Peloton auf. "Und als ich dann nach vorne fahren wollte, kam der Sturz", erinnerte er sich. In einer Kurve fuhr er auf das Hinterrad seinesTeamkollegen Steven Kruijswijk auf, beide kamen zu Fall.

Als das Duo nach langer Aufholjagd den Konvoi der Begleitfahrzeuge erreichte, folgte die nächste Schrecksekunde. Während sich die beiden aufgeregt unterhielten, bemerkte Van Aert nicht, dass das vor ihm fahrenden Auto der Mannschaft DSM plötzlich bremste. Mit einem artistischen Reflex konnte der Belgier gerade noch einem Zusammenprall ausweichen. "Ich war nach dem Crash noch etwas verwirrt. Als DSM bremste, war ich nur Zentimeter von einem Unglück entfernt", schilderte der Belgier die Situation, dessen Schulter die Wagenseite noch leicht berührte.

Die Kapitäne im Stich gelassen

Das steuerte sicher auch noch einen Teil zur Verunsicherung des Trägers des Gelben Trikots auf der Pflasteretappe bei. Als er sich hinten im Feld einordnete, blieb er lange Zeit auch dort. "Anstatt die Kapitäne im Positionskampf zu unterstützen, habe ich sie im Stich gelassen", gestand der 27-Jährige, der aber am Ende wieder ins Rennen fand, genau zum Zeitpunkt, als es wirklich brenzlig wurde.

Tiesj Benoot, Nathan Van Hooydonck und Primoz Roglic versuchen, den Anschluss zum Favoritenfeld wieder herzustellen.| Foto: Cor Vos

Nach einem Pavésektor hatte der letztjährige Tourzweite Vingegaard einen Defekt und in der sonst so strukturierten Mannschaft begann das Chaos. "Nathan wollte das Rad von Jonas schnell reparieren, doch Jonas schwang sich auf dessen Rad", erzählte Niermann das Geschehen. Das Rad des belgischen Klassikerspezialisten, der fast 20 Zentimeter größer als der dänische Kletterer ist, passte nicht. Vingegaard wechselte erneut. "Er hätte gleich auf das Fahrrad von Sepp Kuss oder Steven Kruijswijk wechseln sollen. Das kann man einhundert Mal diskutieren, aber in der Hektik ging alles schief. Wir sahen überall Fahrer von uns auf der Straße stehen", erinnerte sich Niermann an die Situation.

Van Aert ließ sich zurückfallen, um Vingegaard wieder an das immer kleiner werdende Feld der Favoriten heranzuführen. Wenig später gab es dort den nächsten Knalleffekt. Und wieder war ein Jumbo-Fahrer betroffen. Ein Begleitmotorrad hatte einen zur Absicherung dienenden Strohballen touchiert und an den Sraßenrand geschleudert. Caleb Ewan (Lotto Soudal), Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) und der zweite Jumbo-Kapitän Primoz Roglic gingen dabei unteranderem zu Boden.

Roglic renkt sich die Schulter selbst wieder ein

"Primoz hat sich dabei die Schulter ausgekugelt. Glücklicherweise konnte er sie sich wieder selbst einrenken, aber das dauerte", schildert Niermann das neuerliche Unglück. Vingegaard und Van Aert bekamen von der Situation nichts mit: "Wir konnten nicht helfen. In den 15 Minuten war so viel passiert", blickte Van Aert zurück, der die letzten 30 Kilometer bis zum Ziel fast alleine die Verfolger anführte. Mit einer herausragenden Kraftanstrengung reduzierte er den Vorsprung von Jasper Stuyven (Trek – Segafredo) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), die aus der Favoritengruppe heraus attackiert hatten, von über einer Minute auf 13 Sekunden.

Dass er dabei nebenbei sein Maillot Jaune rettete, war ihm gar nicht bewusst: "Während des Rennens hatte ich mit Gelb abgeschlossen. Ich habe mich voll für das Team geopfert, um den entstandenen Schaden zu reduzieren."

Roglic wird nach seinem Sturz angeschoben. | Foto: Cor Vos

Sein Teamchef sprach von einem speziellen Risikomanagement, dass die niederländische Equipe an diesem Tag anwenden musste. "Wir hatten zwei Anführer und beiden mussten wir helfen. Dank Christophe und Wout konnten wir bei Jonas den Schaden begrenzt halten", resümierte Niermann. Und auch das Gelbe Trikot blieb in der Mannschaft. Am Donnerstag trägt es Van Aert, wenn es in seine Heimat nach Belgien geht. Zumindest ein schwacher Trost nach diesem Chaos-Tag.

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.07.2023Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

(rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London bee

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

Weitere Radsportnachrichten

09.10.2025Astana verlängert mit López, Cofidis mit Buchmann und Izagirre

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

09.10.2025“Form stimmt, Beine sind gut“: Pogacar bereit für Il Lombardia

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Team – Emirates – XRG) will seiner bisher wohl stärksten Saison der Karriere am Samstag mit einem fünften Sieg bei Il Lombardia (1.UWT) das Sahnehäubchen aufset

09.10.2025Die Aufgebote für das 119. Il Lombardia

(rsn) – Zum 119. Mal steht Il Lombardia im Rennkalender. Das der fünf Monumente des Radsports führt diesmal über 241 Kilometer von Como nach Bergamo, wobei die Strecke fast identisch mit der von

09.10.2025Neue UCI-Helmregeln ab 2027

(rsn) - Die UCI hat die angekündigten Helmvorschriften nun festgeschrieben. Nachdem in dieser Saison einige Teams bei Straßenrennen Helme einsetzten, die eher an Zeitfahrmodelle erinnern, will der R

09.10.2025Deutschland Tour 2026 vom 19. - 23. August

(rsn) - Mit der Veröffentlichung des UCI-Rennkalenders steht fest: Die kommende Deutschland Tour (2.Pro) wird vom 19. – 23. August 2026 stattfinden. Die nationale Rundfahrt führt dann über wieder

09.10.2025Verabschiedet sich Evenepoel mit einem Sieg von Soudal?

(rsn) – Remco Evenepoel will sich mit einem “guten Ergebnis“ von seinem Team Soudal – Quick-Step verabschieden. Der Zeitfahrwelt- und -europameister, der in der kommenden Saison das Trikot von

09.10.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

08.10.2025Deutschland bekommt 2026 eine zweite UCI-Rundfahrt

(rsn) – Am Dienstag präsentierte der Radsportweltverband UCI den Rennkalender der Männer für 2026 und wie jedes Jahr gibt es auch in der neuen Saison zahlreiche Änderungen. Die wichtigsten fasst

08.10.2025Cyclocross bei Olympia 2030 immer wahrscheinlicher

(rsn) – Seit vielen Jahren versucht der Radsportweltverband UCI die Disziplin Cyclocross ins Olympische Programm zu hieven. Und die Anzeichen verdichten sich, dass dies bei den Winterspielen 2030 ta

08.10.2025Del Toro peilt beim Gran Piemonte 15. Saisonsieg an

(rsn) – Nach seinem mal wieder in überragender Manier herausgefahrenen Sieg bei Tre Valli Varesine (1.Pro) gönnt sich Tadej Pogacar (UAE – Team Emirates – XRG) vor Il Lombardia (1.UWT) , dem l

08.10.2025“Ein bisschen so wie damals, als Eddy Merckx Rennen fuhr“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Team – Emirates – XRG) tritt in dieser Saison dominanter denn je auf. Vor seinem letzten Einsatz bei Il Lombardia (11. Okt.), wo er seinen fünften Triumph in Seri

08.10.2025Intermarché - Wanty hat Schulden: Fusionspläne verzögern sich

(rsn) – Noch immer ist die schon vor Monaten angekündigte Fusion von Lotto und Intermarché - Wanty nicht abgewickelt. Verantwortlich dafür sein soll laut der Zeitung Het Laatste Nieuws ein Schuld

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Gran Piemonte (1.Pro, ITA)