Interview mit dem Manager des Teams Sauerland

Scherf: “Die Deutschland Tour wäre das Sahnehäubchen“

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Scherf: “Die Deutschland Tour wäre das Sahnehäubchen“"
Jörg Scherf (li.) mit seinen Team-Sauerland-Kollegen Wolfgang Oschwald und Heiko Volkert | Foto: Valéry Kloubert

16.11.2017  |  (rsn) - Gemeinsam mit Heiko Volkert leitet Jörg Scherf die Geschicke des Continental-Teams Sauerland NRW. Im Interview mit radsport-news.com blickt der Team-Manager auf die zweite Saison des Drittligisten zurück und äußert sich zu den personellen Veränderungen für 2018 sowie zur weiteren Zukunft seines Rennstalls.

Ihr Team hat seine zweite Saison auf Continental-Niveau absolviert. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?
Jörg Scherf: Ich bin sehr zufrieden. Das Team ist weiter zusammengewachsen und gerade in der zweiten Saisonhälfte haben wir einige gute Rennen gezeigt. Das Sportliche steht natürlich immer im Vordergrund, aber wir versuchen, auch im Hintergrund saubere Arbeit zu leisten. Gerade die Kombination mit meinem Kollegen Heiko Volkert, der die Zahlen regelt und als Quereinsteiger super Ideen mit reinbringt, sowie dem NRW-Landestrainer und sportlichen Leiter des Teams Wolfgang Oschwald hat sich bewährt. Weiter haben wir jetzt feste Betreuer und können so tatsächlich sehr weit vorausschauend planen. In unserer Region haben wir mittlerweile einige Aufmerksamkeit auf uns gezogen und wir wollen das weiter ausbauen.

Was waren Ihre Highlights der Saison?
Scherf: Da gab es viele. Aus sportlicher Sicht sicherlich die beiden Tage von Felix Intra im Trikot des besten Nachwuchsfahrers bei der Tour de Azerbaijan und sein U23-Vizemeistertitel bei der Berg-DM. Aaron Grosser gewann in Nordrhein-Westfalen den Meistertitel und allein die Teilnahmen bei Rennen wie Rund um Köln, Eschborn-Frankfurt oder dem Münsterland Giro sind für Teams wie das unsrige schon Highlights. Fahren dann die Jungs bei den größeren UCI-Rennen noch einigermaßen mit und werden von den WorldTour-Teams nicht abgehängt, macht das weiter stolz. Die letzte gute Nachricht erreichte uns gerade aus Japan. Hier konnte Louis Leinau die U23-Wertung der Tour de Okinawa gewinnen. Das Rennen ist schon zum dritten Mal in Folge der Saisonabschluss für einen Teil des Teams und schon allein wegen Land und Leuten eine weite Reise wert.

Zudem gab es in diesem Jahr im Rahmen der Bundesliga die 1. Sauerland-Rundfahrt, ein echtes Heimspiel...
Scherf: Ja, das war für uns der Saisonhöhepunkt überhaupt. Das Ergebnis spiegelte an dem Tag nicht ganz das tolle Rennen der Sauerländer wieder. Der ganze Renntag war aber der Knaller. Zahlreiche Zuschauer an vielen Anstiegen und gleich sechs unserer Jungs in der Spitzengruppe des Tages waren schon sehr cool. Bis zum Ortsschild Winterberg hofften dann auch noch alle auf den Sieg von Ausreißer Jonas Härtig, der aber leider auf den letzten Metern eingefangen wurde. Obwohl es dann nicht zum Podium reichte, war es ein super Tag für uns und unsere Region.

Welcher Ihrer Fahrer hat Sie 2017 positiv überrascht?
Scherf: Fast alle auf ihre Art. Allen voran Luca Felix Happke, der als "erstjähriger“ direkt Fuß gefasst hat und kaum kleinzukriegen war. Wer mit 19 Jahren schon Rennen wie die Tour de Azerbaijan beendet und dort fast schon Top-Ergebnisse abliefert, der hat was drauf. Weiter hatte mich Aaron Grosser überrascht. Nach heftigem Formtief hat er sich zum Spätsommer glücklicherweise wieder gefangen. Irgendwie hatte sich im Frühjahr alles zu seinen Ungunsten entwickelt. Mit Sturz- und Defektpech sowie gesundheitlichen Problemen war der Saisonstart schon daneben. Schulstress und der Tod seinen langjährigen Förderers Reinhold Böhm vom RSV Unna taten dann ihr Übriges. Dass Aaron sich aus dieser ganzen Misere selber wieder rausgeholt hat, überraschte und freute uns dann alle sehr und lässt auf 2018 hoffen. Die größte positive Überraschung war aber unser Kapitän Christoph Schweizer. Er ist eine wichtige Stütze im Team und Bindeglied vom Management zu den Fahrern. Obwohl seine erste Saison bei uns nicht so gut verlief, war er für 2017 ein gesetzter Fahrer. Nach gutem Aufbau im Winter fuhr er plötzlich wieder starke Rennen und bewährte sich intern weiter sehr.

Wie werden Sie die Mannschaft mit Blick auf 2018 verstärken?
Scherf: In Zusammenarbeit mit dem Landesverband NRW setzen wir da voll auf Eigengewächse, die aus der U19 hoch kommen. Dass es mit Per Christian Münstermann, Michel Gießelmann, Johannes Hodapp und Jon Knolle gleich die vier Top-Talente aus der Region sind, macht uns zuversichtlich. Wenn sich unsere bewährten Fahrer weiter entwickeln und unsere Nachwuchsjungs sich entfalten wie beispielsweise Luca Felix Happke, geht es voran.

Werden Sie wieder eine Kontinental-Lizenz lösen?
Scherf: Natürlich haben wir wieder eine KT-Lizenz beantragt. Und auch der Name "Team Sauerland NRW" bleibt bestehen. Alle Sponsoren bleiben an Board und es kommen neue dazu. Nur der Titelsponsor wird getauscht. Anfang Dezember wird es dazu weitere News geben.

Will das Team nur bei den nationalen Rennen, wie etwa der Bundesliga, Spitze sein oder auch bei UCI-Rennen Akzente setzen?
Scherf: Wir wollen in der Bundesliga vorn landen! Gerade für unsere jungen Fahrer ist die Liga sehr wichtig. Die Bundesliga bleibt eine gute Plattform und wir fahren sie gern. Wir erkennen hier die Arbeit des Verbands an und wissen, dass die nationale Rennserie durchaus ein Sprungbrett sein kann. Beispielsweise wurde 2016 das Team Sunweb auf unseren Fahrer Florian Storck aufmerksam. Warum? Weil er die Nachwuchswertung der Liga gewonnen hatte. Natürlich haben wir auch die internationalen UCI-Rennen gerade für die älteren Fahrer im Blick. Dort muss der Knoten mal platzen. Toll wären gute Platzierungen bei Rund um Köln, in Münster oder sogar bei der Deutschland Tour. Ein Startplatz bei der Neuauflage der D-Tour ist ein Wunsch, oberstes Saisonziel und würde unserem Team nochmals Rückenwind geben.

Zu Beginn des Jahres 2017 hieß es, dass Sie in "mittelbarer Zukunft" eine ProKontinental-Lizenz anstreben. Wie laufen diese Planungen und können Sie "mittelbar"  konkretisieren?
Scherf: Diese Idee steckt schon seit Beginn des Teams in unseren Köpfen. Unsere Sponsoren sind im Bilde, dass wir diese Richtung auch mit Ihnen einschlagen wollen. In den ersten beiden Jahren sind wir gesund gewachsen und wollen dies auch weiter tun. In unserer Region Sauerland und Südwestfalen gibt es tatsächlich viele Unternehmen, die unsere Visionen stemmen könnten. Gespräche gab es bereits und wir sind am Ball. Generell bremsen wir aber eher und wollen erstmal ein seriöses Kontinental-Team aufbauen, statt mit Gewalt einen PKT-Status zu bekommen. Es gab in der Vergangenheit genug Beispiele, wie so eine Blase platzen kann und dann plötzlich ein ganzes Team stirbt. Vorbilder sind für uns Leute wie Ralph Denk (Bora-hansgrohe) oder Douglas Ryder (Dimension Data). Beide Manager fingen auch kleiner an und haben ihr Ziel stetig und hartnäckig verfolgt. So etwas bewundern wir und wollen wir nachmachen.

Wie wird der Rennkalender aussehen?
Scherf: Kurz gesagt: Das gleiche Programm wie 2017 plus vier internationale Rundfahrten und mehrere internationale Eintagesrennen. Im Herbst wurden wir beispielsweise spontan zu Putte Kappelen oder zur Famenne Ardenne Classics eingeladen. Von solchen Rennen brauchen und wollen wir mehr. Sahnehäubchen wäre, wie zuvor erwähnt, die Deutschland Tour. Fett angekreuzt haben wir im Kalender auch die U23-DM in Unna. Gerade für die ehemaligen "Unneraner" Aaron Grosser, Luca Felix Happke und Jon Knolle wird das Rennen in Gedenken an Reinhold Böhm ein Saisonziel.

KT-Teams sind in erster Linie für die jungen Fahrer Sprungbretter für eine Profikarriere. Welchem Fahrer Ihres Kaders trauen Sie am ehesten diesen Sprung zu den Profis zu?
Scherf: Aaron Grosser, Felix Intra und Per-Christian Münstermann. Generell haben wir unsere Jungs noch nicht ausgereizt und wissen bei einigen noch gar nicht, wie weit es gehen kann. Beispielsweise haben wir unsere Leinau-Zwillinge die letzten zwei Jahre im Schongang eingesetzt. Beide haben bzw. machen noch eine Ausbildung und konnten noch nie unter Idealbedingung trainieren. Wer den kompletten Winter und erst ab 17 Uhr mit Lampe trainiert und am Wochenende bei UCI-Rennen mit Profis mithalten kann, scheint einen guten Motor zu haben…

 

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