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29.08.2018 | (rsn) - Radsportdeutschland war reif für diese Wiedergeburt einer Rundfahrt, die mehr als 100 Jahre alt ist. Die nicht nur durch zwei Weltkriege mehrfach aus der Bahn geworfen wurde, so dass wir die erst 33. Ausgabe seit ihrer Gründung im Jahr 1911 erlebten. Nach zehn Jahren Pause eine freudvolle und eine glanzvolle Rückkehr.
Dieser Neuanfang - zwar nur vier Tage zwischen Koblenz, Bonn, Trier, Merzig, Lorsch und Stuttgart, den mutigen, aber letztlich belohnten ersten Etappenorten - hat unerwartet Vielen eine große sportliche Freude gemacht. Zuschauermengen zu Tausenden an Start, Ziel und am Streckenrand. Angelockt durch ein illustres Fahrerfeld - einem Teil der Weltelite sowie dem „Aufmarsch“ fast aller Profis und Mannschaften, die unser Land zu bieten hat.
Und gerade die sogenannten elf kleinen Rennställe, aus Deutschland, Holland, Israel und Luxemburg, die nur wenige Gelegenheiten haben, sich vor großer Kulisse zu zeigen, haben den anderen, den elf World-Tour-Teams, die Stirn geboten. Ihnen mit ihren Ausreißversuchen das Leben schwer, die Etappen auf dem anspruchsvollen Parcours interessant bis zum Zielstrich gemacht. Stellvertretend für unser Land nenne ich die Teams Sauerland, Lotto-Kernhaus und Heizomat.
Junge Wilden imponierten
Imponiert haben vor allem die „jungen wilden“ Deutschen Matthias Schachmann (Quick-Step) und Nils Politt (Katusha) mit ihren Etappensiegen; der nimmermüde aggressive, leider erfolglose Deutsche Meister Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe). Doch auch die Landsleute Rick Zabel (Katusha), Jasha Sütterlin (Movistar) haben wir kämpfen sehen.
Und vorbildliche Prototypen wie Marcel Sieberg (Lotto-Soudal), der so gerne André Greipel, den heuer Glücklosen, zu einem Etappensieg geführt hätte, sowie Christian Knees (Team Sky) an der Seite von Tour-de France-Sieger Geraint Thomas, dem Briten, der sich nach dem Triumph in Frankreich nun in Deutschland wieder einrollte, aber immer wieder zeigte - als selbstloser Teamplayer und Tempomacher, um Lücken zu schließen.
Mit dem bald 24jährigen Slowenen Matej Mohoric (Bahrein Merida) hat diese 33. Deutschland Tour nach beachtlich schnellen 737 Kilometern (Durchschnitt 42,2 km/h) und einem kampfreichen Finale in Stuttgart zwar einen noch unpopulären Gesamtsieger; doch seine Karriere führt kontinuierlich nach oben: Junioren- und U-23-Weltmeister (2012 und 2013), Etappensieger bei Vuelta (2017) und Giro (2018), Gewinner vor wenigen Tagen der Benelux-BinckBank-Tour und nun eben der anspruchsvollen neuen, alten Deutschland-Tour - sind eine Visitenkarte, die dem Radsport einen neuen Star verspricht. Wenn alles so gut weiterläuft.
Letzteres wünscht man sich auch, nein - ganz besonders für die Zukunft der Rundfahrt. Dieser Anfang - erlaubt sich der alte Radreporter zu sagen - war prächtig. Vielverheißend. Aus meinen Augen eine beispielhafte deutsch-französische Zusammenarbeit.
Die A.S.O., der finanzstarke Veranstalterkonzern unseres Nachbarlandes (Organisator der Tour de France, der Vuelta, berühmter Klassiker, Tour of Katar und California, Arctic Race of Norway und seit 2017 auch von Eschborn – Frankfurt; verantwortlich für die Paris Open im Golf und die legendäre Dakar-Rallye) hat nun „seinen“ deutschen (Radsport-)Markt erweitert und begonnen, mit bereitwilligen Helfern und Kommunen die seit 2008 offene Lücke Deutschland-Rundfahrt zu schließen.
Es war - wie ich es beobachtet habe - ein erfrischender Anfang, diese Zusammenarbeit zwischen routinierten Franzosen und engagierten jungen Deutschen wie Fabian Wegmann, dem ehemaligen erfolgreichen Profi und Hanka Kupfernagel, der oftmaligen Weltmeisterin auf Straße und im Gelände sowie vielen anderen, die sich dem Radsport verschrieben und ihm die Treue auch in den schweren Zeiten gehalten haben.
Eine organisatorische Meisterleistung
Trotz kleiner, ganz natürlicher Sprachbarrieren und ein paar kaum zu spürenden organisatorischen Schrammen war diese erste D-Tour nach langer Zeit eine organisatorische Meisterleistung. An ihr hat die deutsche Polizei einen großen Anteil; ebenso die beiden Stimmen an Start und Ziel, Stefan Schwenke und Marcel Meinert; und allen voran der junge Mann, der die organisatorischen Fäden in der Hand hielt: der Luxemburger Claude Rach.
Dieser erst 31-jährige Marketing- und Organisationsexperte (studierte in Frankreich, Kanada, der Schweiz und England) war nach Eschborn-Frankfurt nun auch der neuen Deutschland Tour ein umsichtiger, energischer, aber allzeit freundlicher Kapitän. Und Vermittler! Einen Besseren konnte die A.S.O. dem deutschen Radsport nicht schicken.
Der Kreis meiner Nachbetrachtung schließt sich mit den Medien. Die alten und jungen Kollegen von Presse, Funk und Fernsehen haben diese Deutschland Tour der Öffentlichkeit mit viel Sympathie, aber auch kritischer Betrachtung bestens vermittelt.
Dafür haben die Kittel, Greipel, Degenkolb, Burghardt, Geschke und Co. die Vorarbeit geleistet, ebenso die „letzten Mohikaner“ unter den Veranstaltern, die Organisatoren der wenigen großen deutschen Rennen wie Eschborn – Frankfurt (Familie Moos), Rund um Köln (Artur Tabat), die Cyclassics Hamburg und - bis vor wenigen Jahren - auch der Internationalen Bayernrundfahrt (Ewald Strohmeier).
ARD und ZDF übertrugen in bester Qualität
So war es letztendlich auch möglich, dass ARD, die Dritten Programme und das ZDF in diesen Vier-Etappen-Neuanfang (von einer großen deutschen Zeitung herablassend als „Deutschlandtourchen“ betitelt) eingestiegen sind. Täglich live und weltweit übernommen. Mit weit weniger technischen und personellen Möglichkeiten als im Ausland, daher nicht vergleichbar mit der Tour de France oder Giro. Aber, das darf man mir abnehmen, mit bester Qualität.
Auch das war eine Werbung für den Radsport in Deutschland. Man sollte diesen künftig weniger voreingenommen betrachten. Nicht nur im Rückblick. Mittlerweile ist „das leidige Thema“ Gegenwart bei so manchen anderen populären Sportarten.
Das wussten wohl auch die mehreren hunderttausend Zuschauer, die der neuen alten Etappenfahrt bei ihrer Taufe ein so großartiges Spalier gebildet haben, dass sie - wie es Udo Döring von der Rhein-Main-Presse treffend beschrieb „wie ein kleines Sommermärchen auf Rädern“ wirkte.
Freuen wir uns auf 2019! Wenn es im August wieder heißt „Deutschland - Deine Tour“.
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