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08.07.2016 | (rsn) - An der Madonna della Guardia mussten alle an ihr Limit. Der 7,4 Kilometer lange, zweigeteilte Schlussanstieg der vorentscheidenden 6. Giro-Etappe zog sogar Mortirolo-Königin Mara Abbott (Wiggle-High5) den Zahn. Die US-Amerikanerin verlor ihr Rosa Trikot nach 118 Kilometern über vier schwere Anstiege an ihre Landsfrau Megan Guarnier (Boels-Dolmans). Doch die konnte im Ziel zunächst nicht lächeln. Denn auf den letzten zwei Kilometern hatte Teamkollegin Evelyn Stevens sie abgehängt um sich selbst den zweiten Etappensieg zu sichern.
"Es war perfekt: Megan bekam Rosa und ich den Etappensieg", bilanzierte die Tagesschnellste. Sie hatte deshalb Recht, weil Guarnier sich mit einigem Abstand trotzdem noch festbiss und sechs Sekunden nach ihr als Zweite ins Ziel rollte. Skurril war es trotzdem: zwei Teamkolleginnen an der Spitze des Rennens, mit zunehmend leicht anwachsendem Abstand zwischen einander, und die etatmäßige Edelhelferin schaut sich um, wartet aber nicht auf ihre Teamkollegin, die auf dem Weg ins Rosa Trikot ist.
Guarnier wich im Interview nach dem Rennen trotz mehrmaligem Nachfragen immer wieder aus, kommentierte die Situation nicht. Doch nachdem Stevens ihr bereits auf der 2. Etappe in Montenars auf dem steilen Schlusskilometer davon gesprintet war und Guarnier das Rosa Trikot abnahm, sagte deren Mienenspiel oben an der Madonna della Guardia nun genug über ihr Empfinden aus. "Ich bin glücklich, aber es sind immer noch drei Tage bis zum Ziel - noch viel Arbeit", sagte sie zumindest über die Rückkehr ins Maglia Rosa.
Lieber gar nichts sagen, wollte Abbott. Die Frau, die am Mortirolo 24 Stunden zuvor noch dominiert hatte, wurde von der Konkurrenz bei knapp 35 Grad in den ligurischen Bergen zunächst isoliert, dann müde gefahren und schließlich abgehängt. Mit 53 Sekunden Rückstand auf Stevens wurde sie Tagesfünfte. Vor Abbott kamen 19 beziehungsweise 40 Sekunden nach Stevens noch Anna Van der Breggen (Rabo-Liv) und Claudia Lichtenberg (Lotto-Soudal) im Ziel an.
Im Gesamtklassement führt Guarnier nun 46 Sekunden vor Abbott und 1:03 Minuten vor Stevens. Lichtenberg folgt als beste Nicht-Amerikanerin mit 1:06 Minuten Rückstand auf Rang vier vor Tatiana Guderzo (Hitec Products / + 1:49). Verliererin des Tages war Elisa Longo Borghini (Wiggle-High5), die bereits am zweiten von vier Bergen in Probleme geriet und schließlich 16:56 Minuten verlor - vom dritten rutschte sie auf den 13. Gesamtrang ab.
"Boels ist auch im Zeitfahren stark und sie haben ein gutes Team für die letzten zwei Tage. Es wird schwer, da jetzt noch etwas auszurichten", sagte Lichtenberg an der Madonna della Guardia über ihre Aussichten auf Giro-Sieg Nummer zwei. "Zeitfahren ist nicht meine Lieblingsdisziplin und wir werden sehen. Glücklicherweise bin ich heute nicht total tot, deshalb hoffe ich, dass ich ein gutes Zeitfahren zeigen kann und dann wissen wir mehr."
Für den entscheidenden Vorstoß, der Abbott in Probleme brachte, sorgte allerdings keine der beiden Boels-Fahrerinnen, sondern die von Tag zu Tag besser werdende Van der Breggen. Sie attackierte in einer flacheren Passage ungefähr drei Kilometer vor dem Ziel. "Ich dachte mir: Wenn wir bis zum letzten steilen Abschnitt warten, dass Mara dann wieder die Etappe gewinnt. Also habe ich auf dem flacheren Abschnitt attackiert und es hat ziemlich gut geklappt", so die Titelverteidigerin.
Guarnier sprang sofort mit, während Lichtenberg und Stevens auf Abbotts Nachführarbeit warteten. Doch die Frau in Rosa hatte nicht mehr genug Reserven, um zu reagieren, nachdem sie im Verlauf der Etappe bereits selbst attackiert und lange vor der Konkurrenz gefahren war sowie im Schlussanstieg das Tempo machte. Abbott wusste, dass sie angesichts nur zehn Sekunden Vorsprung auf Guarnier in der Gesamtwertung vor dem anstehenden Einzelzeitfahren weitere Zeit gutmachen musste. Deshalb attackierte sie bereits mehr als 50 Kilometer vor dem Ziel im vorletzten Anstieg, um zur zu diesem Zeitpunkt allein ander Spitze fahrenden Kasia Niewiadoma (Rabo-Liv) aufzuschließen. Das gelang, allerdings nur mit Stevens am Hinterrad.
Das Trio harmonierte eine Weile gut und ging mit 2:30 Minuten Vorsprung in die lange Abfahrt an den Fuß des Schlussanstiegs, wurde dann aber im Flachen gestellt - vor allem durch intensive Verfolgungsarbeit von Lichtenberg und Guderzo. "Ich habe kaum mehr dran geglaubt, dass wir das Loch schließen können. Es war harte Arbeit, aber am Ende hat es geklappt", so Lichtenberg. Unterstützung von den drei Boels-Fahrerinnen in der achtköpfigen Verfolgergruppe konnte sie wegen Stevens' Anwesenheit in der Spitzengruppe nicht erwarten.
Pünktlich zum Zwischensprint in Albenga 18 Kilometer vor dem Ziel kam es zum Zusammenschluss, so dass Guarnier dort bereits durch drei Bonussekunden näher ans Rosa Trikot heranrücken konnte. Im Schlussanstieg verkleinerte sich die Gruppe dann schnell von zwölf auf sieben Fahrerinnen mit Abbott, Guarnier, Stevens, Van der Breggen, Lichtenberg sowie den Boels-Helferinnen Lizzie Armitstead und Karol-Ann Canuel. Abbott zog mehrmals das Tempo an und hängte Armitstead und Canuel ab, bevor dann Van der Breggen den entscheidenden Angriff setzte.
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