RSNplusEhrliche Analyse und Verneigung vor Koch

Frierende Lippert muss sich diesmal mit dem Vize-Titel begnügen

Von Felix Mattis aus Bad Dürrheim

Foto zu dem Text "Frierende Lippert muss sich diesmal mit dem Vize-Titel begnügen"
Das Podium der Deutschen Meisterschaften der Frauen, v.l.: Liane Lippert, Franziska Koch, Antonia Niedermaier | Foto: Cor Vos

23.06.2024  |  (rsn) – Großer Jubel bei strahlendem Sonnenschein im Vorjahr, frierend und von der Nässe gezeichnet diesmal: So groß war der Unterschied zwischen dem dritten Titelgewinn von Liane Lippert (Movistar) 2023 und ihrem zweiten Platz an selber Stelle bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften in Bad Dürrheim.

Die 26-Jährige musste sich nach 134,2 Kilometern, bei teilweise heftigem Regen, im Sprint eines Spitzentrios ihrer Ex-Teamkollegin Franziska Koch (dsm-firmenich – PostNL) geschlagen geben und fror anschließend im Zielbereich beim Warten auf Siegerehrung sowie Pressekonferenz und Dopingkontrolle mangels trockener Teambekleidung ohne Meisterstreifen lange Zeit sehr. Erst im gut geheizten Pressezentrum taute Lippert auf.

___STEADY_PAYWALL___

"Mir war im Rennen auch so kalt und ich konnte im Sprint nicht mehr schalten. Das Wetter hat heute allgemein eine Rolle gespielt", sagte die Friedrichshafenerin dort zu radsport-news.com, was sie aber nicht als Ausrede für die Niederlage gegen Klassikerspezialistin Koch verstanden wissen wollte.

Gegen Franziska Koch (dsm-firmenich – PostNL) war Liane Lippert (Movistar, li.) im Zielsprint in Bad Dürrheim chancenlos. | Foto: Cor Vos

Im Gegenteil: Lippert erkannte ganz offen an, dass sie selbst es verpasst hatte, für die Entscheidung zu sorgen, freute sich aufrichtig für ihre Ex-Teamkollegin und ordnete auch realistisch ein: Nach ihrer langwierigen Genesung vom Ermüdungsbruch im Oberschenkelhalsknochen, den sie im Winter erlitten hatte, sei sie eben in diesem Juni einfach noch nicht so stark wie zwölf Monate zuvor.

"Auf der einen Seite bin ich froh, wie ich gefahren bin und dass ich am Berg eine der Stärksten war. Andererseits ist es schade, dass es mit der Titelverteidigung nicht geklappt hat", sagte sie. "Franzi hat es im Sprint einfach richtig gut gemacht. Es war auch allgemein ein megastarker Auftritt von ihr – auch an den Bergen. Ich finde es richtig schön zu sehen, wie stark sie ist und dass sie sich da echt verbessert hat. Sie hat das auf jeden Fall verdient gewonnen heute."

Stark in den Anstiegen, im finalen Sprint gegen Koch chancenlos

Dabei gab Lippert zu, dass sie sich bei der Einschätzung ihrer Sprintstärke vertan habe. "Ich habe gezögert, ob ich in Aasen (am letzten Anstieg, Anm. d. Red.) nochmal attackieren soll. Im Endeffekt wäre es wahrscheinlich besser gewesen. Ich habe mich zu sehr auf den Sprint verlassen", meinte sie und ergänzte: "Ich habe nicht daran gedacht, dass ich dieses Jahr noch nicht wirklich einen Sprint gefahren bin. Klar: Meine Daten sind gut und ich fühle mich im Training sehr stark. Ich denke, wenn ich einen Kopf-an-Kopf-Sprint mit vielen habe, bin ich stärker. Aber im Rennen ist es immer etwas anderes und wenn man dann ein paar Meter hat, kommt man nicht mehr hinterher."

Die entthronte Titelverteidigerin nahm die Niederlage gegen ihre ehemalige Teamkollegin aber sportlich und freute sich mit Koch über deren Sieg. | Foto: Cor Vos

Im Rennverlauf zeigte sich auf jeder Runde in den Anstiegen von Öfingen und Aasen, dass Lippert und Antonia Niedermaier (Canyon – SRAM) erwartungsgemäß bergauf die Stärksten waren – zumindest fuhren die beiden dort immer ganz vorn. Doch nachdem sich bereits 72 Kilometer vor dem Ziel die entscheidende, zehnköpfige Selektion gebildet hatte, blieb diese Gruppe anschließend bis zur letzten Runde zusammen.

Ein frühes Solo wie im Vorjahr, als Lippert bereits in der vorletzten Runde über 30 Kilometer vor dem Ziel allen weggefahren war, kam angesichts ihrer Verfassung für die Titelverteidigerin diesmal allerdings nicht in Frage und so attackierte sie erst 15 Kilometer vor dem Ziel im vorletzten Anstieg des Tages in Öfingen. Niedermaier und Koch sprangen nach, fuhren mit zwei Sekunden Rückstand über die Kuppe und schlossen danach zu Lippert auf.

"Wenn man zu dritt ist, ist das immer gut. Dann hat man auf jeden Fall eine Medaille und die Fahrerinnen sind alle eher motiviert. Und ich dachte auch: Wenn ich alleine bin, ist es wirklich weit. Nach der Verletzung und allem ist es nicht wie letztes Jahr, dass ich mich so super fühle. Deswegen fand ich die Kombination mit den beiden richtig gut und wir waren uns auch einig", erzählte Lippert, dass ihr die Konstellation als Trio das Finale anzugehen gut gefiel. Dann aber biss sich Koch auch in Aasen an den beiden Klettererspezialistinnen fest und so lief es auf den letzten fünf Kilometern auf den Sprint hinaus, den Koch schließlich knapp 300 Meter vor der Linie früh eröffnete, und in dem Lippert dem Kick ihrer Ex-Teamkollegin nichts mehr zu entgegnen hatte.

Mit Rang zwei war die Friedrichshafenerin, die wegen einer schweren Verletzung erst spät in die Saison einsteigen konnte, sichtlich zufrieden. | Foto: Cor Vos

Trotzdem blieb unterm Strich eine positive Bilanz für die DM-Zweite, die erst bei der Vuelta a Espana am 28. April in ihre Saison gestartet war und dort noch keine Akzente setzen konnte. Etwas besser ging es Mitte Mai bei der Burgos-Rundfahrt, doch auch da fehlte noch einiges zur Top-Form. Nun waren die Deutschen Meisterschaften nach einem weiteren Trainingslager der nächste wichtige Schritt.

"Zum Glück kommt jetzt noch der Giro", sagte Lieppert über ihren weiteren Fahrplan in Richtung Olympische Spiele und Tour de France Femmes im August. "Ich habe wirklich Lust, jetzt Rennen zu fahren und glaube das brauche ich auch. Ich merke, dass mir das ein bisschen fehlt." Bei der Italien-Rundfahrt will sich Lippert weiter an die Weltspitze herantasten und hofft, dann auch auf WorldTour-Niveau die Rennen wieder mitzubestimmen.

Lippert rechtzeitig zu Paris wieder bei den Allerbesten?

Zwei Tage bevor der Giro am 7. Juli beginnt, muss der Bund Deutscher Radfahrer auch den dreiköpfigen Kader für das Olympische Straßenrennen nominieren. Lippert galt da lange Zeit als gesetzt und klare Kapitänin. Doch in Bad Dürrheim erklärte sie: "Ich bin nicht gesetzt. Es gibt keine Nominierung bisher und ich konnte mich ja auch noch nicht so zeigen, wie ich es gerne würde mit der Verletzung und allem."

Sie vertraue allerdings darauf, dass Bundestrainer André Korff ihr Potenzial gut genug einschätzen könne und auch Vertrauen in sie habe, dass sie rechtzeitig für Paris wieder zu den Allerbesten gehört.

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.06.2024Brenner: Selbstbewusst vom Super-Junior zur weißen Hose

(rsn) – Zwei Monate und vier Tage vor seinem 22. Geburtstag ist Marco Brenner (Tudor) am Sonntag in Bad Dürrheim zum jüngsten Deutschen Meister der Elite seit Gerald Ciolek 2005 in Mannheim geword

24.06.2024DM-Kampf um Bronze ohne echten Verlierer

(rsn) – “Ich kann mit dem Verlauf des Rennens sehr zufrieden sein“, das waren die Worte des drittplatzierten Kim Heiduk (Ineos Grenadiers) gegenüber RSN im Ziel der Deutschen Meisterschaft in B

23.06.2024Highlight-Video der Deutschen Straßenmeisterschaften der Männer

(rsn) – Marco Brenner (Tudor) hat bei den Deutschen Meisterschaften die Siegesserie von Bora – hansgrohe beendet und sich erstmals in seiner Karriere den Titel im Straßenrennen der Männer gesich

23.06.2024Bora gibt sich früh zufrieden und nutzt die Optionen nicht

(rsn) – 2016 André Greipel, 2020 Marcel Meisen und 2024 nun Marco Brenner: Alle vier Jahre gewinnt bei den Deutschen Straßen-Meisterschaften ein Fahrer, der nicht das Trikot von Bora – hansgrohe

23.06.2024Ethan Hayter holt Titel für Ineos zurück, Hajek lässt Bora jubeln

(rsn) – Die vorletzte Juniwoche ist den Nationalen Meisterschaften vorbehalten. Zunächst standen die Wettbewerbe im Zeitfahren an, ehe nun die Straßenrennen folgen. Wir liefern hier eine Zusammen

23.06.2024Olympia-Kandidaten neutralisierten sich bei DM gegenseitig

(rsn) – Zwar dominierte die frühe Ausreißergruppe um den späteren Deutschen Meister Marco Brenner (Tudor) das Straßenrennen von Bad Dürrheim, doch auch die Nominierung der fünf deutschen Olymp

23.06.2024Video-Interviews zum DM-Titelkampf der Männer

(rsn) – Das Straßenrennen der Männer bei den Deutschen Meisterschaften 2024 in Bad Dürrheim war schon früh vorentschieden: Bereits 180 Kilometer vor dem Ziel, am ersten Anstieg des Tages, setzte

23.06.2024Jan Ullrich bei der DM in Bad Dürrheim willkommen

(rsn) - Die Deutschen Meisterschaften in Bad Dürrheim waren auch so etwas wie das Comeback von Jan Ullrich in der Radsport-Familie. Überall, wo der bislang einzige deutsche Toursieger sich im Zielbe

23.06.2024Van den Broek-Blaak, Kiesenhofer und Kopecky holen Titel

(rsn) – Die vorletzte Juniwoche ist den Nationalen Meisterschaften vorbehalten. Zunächst standen die Wettbewerbe im Zeitfahren an, ehe nun die Straßenrennen folgen. Wir liefern hier eine Zusammenf

23.06.2024Albrecht entthront in Bad Dürrheim Vorjahressieger Fietzke

(rsn) – Vorjahressieger Paul Fietzke (Team Grenke – Auto Eder) hat sich diesmal im Juniorenrennen der Deutschen Meisterschaften mit Silber zufrieden geben müssen. Der 18 Jahre alte Vizeweltmeiste

23.06.2024Bergauf der Stärkste: Marco Brenner erstmals Deutscher Meister

(rsn) – Marco Brenner (Tudor) hat bei den Deutschen Meisterschaften die Siegesserie von Bora – hansgrohe beendet und sich erstmals in seiner Karriere den Titel im Straßenrennen der Männer gesich

22.06.20242 aus 5: Wessen Olympiaträume platzen in Bad Dürrheim?

(rsn) - In diesem Jahr geht es bei den Deutschen Meisterschaften nicht nur um das Trikot mit den schwarz-rot-goldenen Streifen. Auf den 209 Kilometern zwischen zwischen Donaueschingen und Bad Dürrhe

Weitere Radsportnachrichten

25.12.2024Auch Colombo und vier Kollegen verlassen Q36.5

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

25.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

24.12.2024Der größte Sieg war jener über Long-Covid

(rsn) – Es war eine Saison voller Höhen und Tiefen für Marlen Reusser (SD Worx – Protime), wobei vor allem in der zweiten Saisonhälfte die Tiefe übernahm – und zwar komplett. Denn die Schwe

24.12.2024Top-Sprinter mit starkem Sinn für Realismus

(rsn) - Mit zwei Siegen und insgesamt 21 Top-Ten-Resultaten bei UCI-Rennen zeigte Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) auch 2024, dass er zu den schnellsten Männern im Feld zählt. Mit seiner Saison w

24.12.2024Mit 36 Jahren noch immer einer der Besten

(rsn) – Seit vielen Jahren gehört Riccardo Zoidl (Felt – Felbermayr) zu den absolut besten Fahrern Österreichs. 2013 erlebte er seinen absoluten Durchbruch, wo er sich mit zahlreichen Rundfahrts

24.12.2024Hamilton bricht sich das Schlüsselbein bei Trainings-Crash

(rsn) – Chris Hamilton, Tim Naberman und Oscar Onley sind am letzten Tag des Dezember-Trainingslagers des Teams dsm-firmenich – PostNL, das ab Januar Picnic – PostNL heißen wird, gestürzt. Wä

24.12.2024Die Trikots der Women´s WorldTeams für die Saison 2025

(rsn) – Auch die Teams der Women’s WorldTour zeigen ihre Trikots für die Saison, teilweise in gemeinsamen Präsentationen mit ihren männlichen Kollegen. Den Anfang machte in diesem Winter das US

24.12.2024Horror-Jahr mit zwei Knie-OPs: “Ich saß weinend auf dem Rad“

(rsn) – Sie war gemeinsam mit Teamkollegin Antonia Niedermaier der Shootingstar im deutschen Frauen-Radsport und nach ihrem Tour-de-France-Etappensieg in Albi am 27. Juli 2023 die gefeierte Heldin.

24.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2024

(rsn) - Wie bei den Männern so blicken wir traditionell am Jahresende auch auf die Saison der Frauen zurück und stellen die besten 15 Fahrerinnen unserer Jahresrangliste vor. Wir haben alle UCI-Ren

24.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

23.12.2024Eine Saison, die keinen Grund zur Klage gab

(rsn) – Auch wenn er gegenüber RSN nicht von einer perfekten ersten Saisonhälfte sprechen wollte, so war Tim Torn Teutenberg (Lidl – Trek Future Racing) doch sehr nahe dran. Dazu wurden seine st

23.12.2024Van der Poel gräbt den Schatz am Silbersee aus

(rsn) – Am Zilvermeer in Mol hat Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) bei seinem zweiten Saisoneinsatz den zweiten Sieg gefeiert. Dabei war der Weltmeister - obwohl er es in der Anfangsphas

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine