Rückblick auf Gent-Wevelgem 2007

Burghardt: “Das war ein richtungsweisender Erfolg“

Von Eric Gutglück

Foto zu dem Text "Burghardt: “Das war ein richtungsweisender Erfolg“"
Marcus Burghardt nach seinem Sieg bei Gent-Wevelgem 2007 | Foto: Cor Vos

26.03.2022  |  (rsn) – Vor mittlerweile 15 Jahren feierte Marcus Burghardt einen der größten Erfolge seiner Karriere. Als damals 23-jähriger Jungspund triumphierte er im Trikot des T-Mobile-Teams bei Gent Wevelgem. Wir blicken zurück.

Gent-Wevelgem 2007

Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe) ist ein Helfer wie er im Buche steht. Eine lange Siegesliste sucht man vergeblich im Palmares des 38-Jährigen – dafür sind seine sieben Profierfolge fast ausschließlich hochwertige. Der Deutsche Meister von 2017 gewann die 18. Etappe der Tour de France 2008 und holte sich zwei Etappensiege bei der Tour de Suisse 2010. Hinzu kommen zwei Tageserfolge bei der 3-Länder-Tour.

Seinen ersten Profisieg feierte der gebürtige Sachse bereits im Alter von 23 Jahren bei Gent-Wevelgem 2007 im Trikot des Teams T-Mobile. "Das war ein richtungsweisender Erfolg, der mich zum anerkannten Klassikerfahrer gemacht hat", erinnert sich Burghardt im Gespräch mit radsport-news.com, "Es war ein sehr schnelles Rennen, das auf der Windkante auseinanderging."

Gleich zweimal musste an jenem 11. April 2007 der bis zu 18 Prozent steile und gepflasterte Kemmelberg überwunden werden, zuletzt knapp 40 Kilometer vor dem Ziel. Dort ging Burghardt in die Offensive und fuhr zunächst mit Francisco Ventoso (Saunier-Duval) zwischen dem Favoritenfeld und einer dreiköpfigen Spitzengruppe um den Französischen Meister Florent Brard, Christophe Mengin sowie seinem T-Mobile-Teamkollegen Roger Hammond. Das Trio war bereits bei Kilometer 30 ausgerissen und hatte zwischenzeitlich fast zehn Minuten  Vorsprung herausgefahren.

Im richtigen Moment attackiert

Zwar wurde das Duo Burghardt/Ventoso von den Verfolgern um die Favoriten Tom Boonen, Oscar Freire und Robbie McEwen rasch wieder gestellt. Doch ein schlimmer Sturz auf der Abfahrt vom Kemmelberg hatte das Feld geteilt, weshalb das Tempo hoch blieb. Dennoch griffen Freire und Ventoso rund 27 Kilometer vor dem Ziel im Gegenwind an – und erneut war es Burghardt, der sich dem Duo anschloss. "Es war Glück, dass ich zum richtigen Zeitpunkt die Attacke mitgegangen bin. Das war am Ende die Gruppe, die ankam", so Burghardt über die Vorentscheidung.

Vorteil des gebürtigen Sachsen war, dass er mit Hammond einen Kollegen an der Spitze hatte und sich in der Verfolgung zunächst zurückhalten konnte. Doch als die beiden Gruppen vorn zusammenliefen, übernahm auch Burghardt seinen Anteil der Führungsarbeit. "Die Gruppe hat funktioniert, weil jeder glaubte, dass er das Rennen gewinnen kann. Keiner hat von sich gesagt, er sei nicht stark genug. Wir sind voll gefahren, weil das Feld nie weit weg war und Druck gemacht hat."

Durch das hohe Tempo verlor der entkräftete Brard 17 Kilometer vor dem Ende den Anschluss, während das Verfolgerfeld nicht mehr als 30 Sekunden Rückstand aufwies. Doch auf den letzten zehn Kilometern wuchs der Abstand auf fast eine Minute an, obwohl im Feld die Teams Quick-Step, Predictor-Lotto und CSC in Person von Fabian Cancellara Tempo bolzten. Somit wurde ein Erfolg der Gruppe immer wahrscheinlicher.

"Oscar Freire hatte ich als größten Gegner ausgemacht", beschreibt Burghardt das Finale. "Mir war klar, dass ich was machen muss, weil ich gegen einen dreimaligen Weltmeister im Sprint keine Chance habe." Also wagte Burghardt 1,3 Kilometer vor dem Ziel den entscheidenden Vorstoß aus letzter Position: "Ich habe zwei, drei Führungen ausgelassen, mich kurz erholt und dann im richtigen Moment attackiert. Das Timing hat genau gepasst, Ventoso und Freire haben sich kurz angeschaut und das war der entscheidende Moment."

Hinter dem jubelnden Solosieger machte Hammond den Doppelsieg für den Bonner Rennstall perfekt, Freire blieb im Sprint gegen den Briten nur der dritte Rang. "Roger war eine große Hilfe im Finale. Er brauchte sich nur auf Freire zu konzentrieren. Wenn Freire das Loch zugefahren hätte, hätte Roger drüber attackieren können", sagt Burghardt.

Karriere als Edelhelfer

Doch trotz des frühen Erfolgs konnte Burghardt in den Folgejahren bei den Klassikern nur selten auftrumpfen. Dennoch entwickelte er sich zu einem der anerkanntesten Fahrer im Peloton. An der Seite von Cadel Evans feierte er 2011 dessen Tour-de-France-Sieg und war wichtiger Helfer von Peter Sagan bei dessen Triumphen in Gent-Wevelgem und Paris-Roubaix 2018. "Ein Einzelerfolg steht immer höher als der Sieg eines Teamkollegen", gesteht Burghardt ein. "Natürlich war der Sieg von Peter in Roubaix großartig, aber selbst bei der Siegerehrung dabei zu sein, ist ein schöneres Gefühl."

Burghardt erläutert auch, warum bei ihm die großen Klassikererfolge ausblieben, von denen viele Fans nach Gent-Wevelgem 2007 träumten. "Die Leistungsdichte ist im gesamten Radsport höher geworden. Mir haben einfach fünf bis zehn Prozent Talent gefehlt. Irgendwann stößt man an seine Grenzen und das muss man akzeptieren. Ich kann einem Peter Sagan das Finale vereinfachen, weil ich bis Kilometer 220 gut fahren kann. Für das Finale fehlen mir dann aber diese fünf bis zehn Prozent."

Trotzdem hört man bei Burghardt keine Wehmut heraus: "Ich fahre uneigennützig und weiß, was meine Aufgaben sind. Meine eigenen Ambitionen stelle ich da in den Hintergrund. Das ist ein wichtiger Grund, warum ich immer noch im Geschäft bin."

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.03.2021Im Finale von Gent-Wevelgem rebellierte Bennetts Magen

(rsn) - Als sich Sam Bennett (Deceuninck - Quick-Step) bei Gent-Wevelgem 35 Kilometer vor dem Ziel als neunter und letzter Fahrer der Spitzengruppe über den Kemmelberg quälte und tatsächlich den An

12.10.2020Nur im Finale spielten Degenkolbs Beine nicht mehr mit

(rsn) - Nach der Absage von Paris-Roubaix bleibt John Degenkolb (Lotto Soudal) noch am kommenden Sonntag die Flandern-Rundfahrt, um bei einem seiner geliebten Frühjahrsklassiker, die diesmal wegen de

11.10.2020War Gent-Wevelgem Cavendishs letztes Radrennen?

(rsn) - Mark Cavendish (Bahrain - McLaren) zeigte sich beim 82. Gent-Wevelgem in der Gruppe des Tages, spielte aber wie erwartet in der entscheidenden Phase des flämischen Klassikers keine Rolle. Nac

11.10.2020Mads Pedersen erweitert die Liste seiner großen Siege

(rsn) - Nicht die am höchsten gehandelten Wout Van Aert (Jumbo - Visma) oder Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix), sondern Mads Pedersen (Trek - Segafredo) sicherte sich die  82. Austragung von Ge

11.10.2020Highlight-Video des 82. Gent-Wevelgem

(rsn) - Der Däne Mads Pedersen (Trek - Sewgafredo) hat sich die 82. Austragung von Gent-Wevelgem gesichert. Der Weltmeister von 2019 gewann nach 232,5 Kilometern von Ypres nach Wevelgem im Sprint ein

11.10.2020Mads Pedersen siegt vor Senechal, Degenkolb Sechster

(rsn) - Der Däne Mads Pedersen (Trek - Sewgafredo) hat sich die 82. Austragung von Gent-Wevelgem gesichert. Der Weltmeister von 2019 gewann nach 232,5 Kilometern von Ypres nach Wevelgem im Sprint ein

11.10.2020Vorschau auf die Rennen des Tages / 11. Oktober

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

10.10.2020Sprint oder Attacke - Van Aert kann beides

(rsn) – Am Sonntag steht die 82. Austragung von Gent – Wevelgem in Flanders Fields auf dem Programm. Der Kopfsteinpflasterklassiker ist für die einen die Generalprobe für die Flandern-Rundfahrt

09.10.2020Van Aert will in dieser Saison noch drei Mal auf Sieg fahren

(rsn) - Nach einer zweiwöchigen Rennpause stehen für Wout Van Aert (Jumbo - Visma) die letzten drei Einsätze in dieser Saison an: Zunächst startet der Vize-Weltmeister im Zeitfahren und auf der St

08.10.2020Flanders Classics appelliert an Fans: “Bleibt zuhause“

(rsn) - Die Organisatoren der in den kommenden Tagen anstehenden flämischen Klassiker Gent-Wevelgem (11. Oktober), Scheldepreis (14. Oktober) und Flandern-Rundfahrt (18. Oktober) haben weitere Maßna

17.06.2020Ackermann fährt doch nicht Seite an Seite mit Sagan zum Giro

(rsn) - Es war ohnehin ein verwegener Plan: Im Winter gab Bora - hansgrohe bekannt, dass man im Mai 2020 mit einer Doppelspitze aus zwei Sprintern beim Giro d´Italia antreten werde. Pascal Ackermann,

12.06.2020Nizzolo zieht Klassiker dem Giro vor und fährt die Tour

(rsn) - Giacomo Nizzolo (NTT) wird im Oktober nicht seine Heimat-Grand Tour bestreiten, sondern stattdessen die flämischen Klassiker anvisieren. Das erklärte der Italiener der Tuttosport. "Als Itali

Weitere Radsportnachrichten

06.05.2024O’Connor “muss jetzt die Konsequenzen tragen“

(rsn) – Wenn Ben O’Connor (Decathlon – AG2R La Mondiale) in diesem Jahr irgendwo an den Start ging, war es meistens von Erfolg gekrönt. Auf seinen Sieg bei seinem Saisonauftakt bei der Murcia-R

06.05.2024In Frankfurt und in Vorarlberg gab es wenig zu holen

(rsn) - Die deutschen KT-Teams hatten in dieser Woche ein volles Rennprogramm. Doch die erhofften Erfolge sprangen dabei gegen die internationale Konkurrenz nicht heraus.Die ereignisreichste Woche ha

05.05.2024Eine erste Chance für die Sprinter

(rsn / ProCycling) – Nachdem sie sich zwei Tage lang "aufwärmen" konnten, ist es nun für die schnellen Männer des Pelotons Zeit, ihren Job zu verrichten. Bevor sie jedoch ihren ultimativen Zielsp

05.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

05.05.2024Pogacar auf den Spuren Pantanis

(rsn) - 1999 hatte Marco Pantani am Fuße des Anstiegs zur Kapelle nach Oropa einen Defekt. Die Kette fiel ihm herunter. Es dauerte, bis ein Materialwagen bei ihm war. Fahrer um Fahrer zog derweil an

05.05.2024Nur ein Defekt bremste Martinez hinauf nach Oropa

(rsn) – Gut fünf Kilometer vor dem Ziel der 2. Etappe am Santuario di Oropa gab es Grund zur Beunruhigung beim Team Bora – hansgrohe. Am Ende des Tages aber sah man nichts als strahlende Gesichte

05.05.2024Martinez: “Das Resultat ist großartig für unsere Moral“

(rsn) – Mit einem Tag “Verspätung“ hat Tadej Pogacar am Sonntag bei der ersten Bergankunft den erwarteten Etappensieg am Auftaktwochenende des 107. Giro d’Italia eingefahren. Am Santuario di

05.05.2024Highlight-Video der 2. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Zum Auftakt des 107. Giro d’Italia (2.UWT) musste sich Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) noch mit Rang drei begnügen. An der ersten Bergankunft jedoch gab es für den Top-Favoriten kein H

05.05.2024Pogacar stürmt in Oropa trotz Sturz ins Rosa Trikot

(rsn) – Marco Pantani triumphierte 1999 an der Wallfahrtskirche Santuario di Oropa dank einer historischen Aufholjagd, nachdem er am Fuße des Anstiegs durch einen Defekt gestoppt worden war. 25 Jah

05.05.2024De Lie in der Bretagne auch durch zwei Plattfüße nicht zu stoppen

(rsn) – Nach Platz zwei im Vorjahr hat sich Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) die 41. Ausgabe von Tro Bro Léon (1.Pro) gesichert. Der 22-jährige Belgier entschied in der Bretagne das über 203,6 Kil

05.05.2024Vollering nutzt Rückenwind-Passage zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Mit einem weiteren überragenden Auftritt hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) die 10. Vuelta Femenina (2.UWT) souverän für sich entschieden. Die 27-jährige Niederländerin schüttelt

05.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 2. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)