Vorgestellt: die 19 WorldTour-Mannschaften

Bahrain - McLaren: Noch nicht die ganz große Nummer

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Bahrain - McLaren: Noch nicht die ganz große Nummer"
Das Team Bahrain McLaren im Trainingslager auf der kroatischen Insel Hvar. | Foto: Cor Vos

19.01.2020  |  (rsn) - Zur Saison 2020 stellen wir in einer Serie die diesmal 19 WorldTour-Teams vor. Dazu gehören neben einem Rückblick auch die Analyse der Personalpolitik sowie die Beurteilung der Aussichten für das anstehende Radsportjahr.

Teil 11: Bahrain - McLaren

Rückblick 2019: Eine Saison mit Licht und Schatten. Beim Giro d’Italia schlug sich Vincenzo Nibali als Gesamtzweiter ordentlich und auch der Auftritt bei der Tour de France verlief mit den ersten beiden Tour-Etappensiege der Teamgeschichte durch Dylan Teuns und Nibali erfolgreich. Weitere Tagessiege in der WorldTour gelangen durch Jan Tratnik (Tour de Romandie), Ivan Garcia (Kalifornien-Rundfahrt) sowie Teuns (Critérium du Dauphiné) und Rohan Dennis (Tour de Suisse).

Weniger erfreulich verliefen die Klassiker: Trotz namhafter Akteure wie Teuns, Sonny Colbrelli und Matej Mohoric blieb die Equipe hinter den Erwartungen – Mohoric sorgte mit Platz fünf bei Mailand-Sanremo für das beste Ergebnis. 16 Saisonerfolge dürften die Teamleitung in Summe nicht zufriedengestellt haben. Negativ blieb außerdem der plötzliche Ausstieg von Dennis während der Tour in Erinnerung. Der Australier bestritt nach dem Eklat kein Rennen mehr für das Team. Kristijan Koren geriet in der Operation Aderlass zudem unter Blutdopingverdacht und wurde suspendiert.

Die wichtigsten Zu- und Abgänge: Bereits im Vorjahr stieg das aus der Formel 1 bekannte Technologie-Unternehmen McLaren ins Team ein. Für 2020 wird die Zusammenarbeit weiter ausgebaut und McLaren taucht als 50-prozentiger Teilhaber im Teamnamen auf. In der Führungsebene gab es ebenfalls Veränderungen: Rod Ellingworth, zehn Jahre Performance-Manager bei Ineos, übernahm die sportliche Leitung, Milan Erzen zusammen mit John Allert von McLaren den Posten des Geschäftsführers. Erzen ist allerdings umstritten, sein Name fiel in den Doping-Ermittlungen zur Operation Aderlass. Der bisherige Teamchef Brent Copeland agiert künftig als Technischer Direktor.

Im Kader sind die Änderungen nicht weniger signifikant: Nibali galt als treibende Kraft hinter der Teamgründung 2017 und als Gesicht der Mannschaft, verließ die Equipe jedoch in Richtung Trek - Segafredo. Als neues Aushängeschild für die Rundfahrten holte man Mikel Landa (Movistar). Vielversprechende Neuzugänge sind außerdem Pello Bilbao (Astana) und Wout Poels (Ineos).

Für Schlagzeilen sorgte ebenfalls die Verpflichtung von Mark Cavendish, der bereits zu Beginn seiner Karriere erfolgreich mit Ellingworth zusammenarbeitete. Hinter dem 34-jährigen Ex-Weltmeister liegen drei ergebnisarme Jahren geprägt durch Verletzungen und einer hartnäckigen Epstein-Barr-Erkrankung. Erfahrene und vielseitig einsetzbare Fahrer kamen zudem mit Eros Capecchi (Deceuninck - Quick-Step), Rafael Valls (Movistar), Enrico Battaglin und dem Österreicher Marco Haller (beide Katusha - Alpecin). Keine neuen Verträge erhielten Domenico Pozzovivo (NTT), Valerio Agnoli und Antonio Nibali. Außerdem gab es mit Dennis nach Vorkommnissen im Vorjahr keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit, der Zeitfahrweltmeister fährt 2020 für Ineos.

Im Fokus: Mikel Landa gehört zu den besten Kletterern und Rundfahrern im Peloton – die vergangenen drei Frankreich-Rundfahrten beendete er auf den Plätzen vier, sieben und sechs. Erstaunlicherweise suchte sich der Spanier in der Vergangenheit mit Astana, Sky und Movistar jedoch stets Team, in denen er sich die Kapitänsrollen mit anderen großen Namen teilen musste. Das funktionierte weder für Landa noch für die Teams besonders gut. Der Spanier drängte auf mehr Verantwortung und ist bei McLaren Bahrain nun erstmals alleiniger Kapitän für eine große Landesrundfahrt und bekommt ein starkes Team an seine Seite gestellt. Zu was der Spanier ohne interne Konkurrenz in der Lage ist, wird er 2020 zeigen müssen.

Aufgepasst auf … Mark Padun. Der Ukrainer ist inzwischen kein unbekannter Name mehr im Peloton. Bislang machte der 23-Jährige vor allem mit guten Resultaten aus Fluchtgruppen auf sich aufmerksam, gewann 2018 eine Etappe der Tour of the Alps und sorgte im Vorjahr mit dem Gesamtsieg beim Adriatica Ionica Race für den einzigen Rundfahrtenerfolg des Teams. Mit seinen Fähigkeiten für anspruchsvolles Terrain schlummert in ihm allerdings deutlich mehr Potenzial. 2020 könnte ihm der nächste Entwicklungsschritt gelingen und sein Name häufiger im Klassement einwöchiger Rundfahrten auftauchen.

Ausblick 2020: Die Ansprüche sind mit dem Engagement von McLaren gestiegen – und damit der Ergebnisdruck. Auch die Installierung von Ellingworth als früherer Kopf hinter den Erfolgen von Sky weckt Erwartungen. Der Kader ist für 2020 jedoch nur bedingt verbessert worden. Für die großen Landesrundfahrten büßt die Equipe mit dem Wechsel von Nibali auf Landa an Qualität ein – Landa wies bislang weder ein vergleichbares Niveau noch die Ausstrahlung des Italieners nach. Bei der Tour de France scheint für den Spanier eine Top-fünf-Platzierung das Maximum.

Auch die namhafte Verpflichtung von Cavendish birgt zweifelhafte Erfolgsaussichten. Die Klasse seiner früheren Erfolgsjahre schien der 30-fache Tour-Etappensieger zuletzt verloren zu haben. Mit bald 35 Jahren braucht Cavendish in der kommenden Saison dringend einen erfolgreichen Turnaround – nicht umsonst erhielt er nur einen Einjahresvertrag. In den Sprints verfügt Bahrain McLaren mit Colbrelli und dem Bocholter Phil Bauhaus über weitere Optionen:

Colbrelli ist der Mann für das anspruchsvollere Terrain und die Klassiker, Bauhaus ist hingegen eher im klassischen Massensprint zuhause. Beide sind zwar keine Seriensieger, einige Erfolge sind aber möglich – wobei die Teamleitung gerade bei Bauhaus den nächsten Entwicklungsschritt erwarten dürfte. Zuletzt zeigte auch der Spanier Garcia aufsteigende Leistungen als sprintstarker Etappenjäger. Gute Unterstützung steht den Sprintern mit Haller, Heinrich Haussler und Marcel Sieberg zur Verfügung.

Punkten kann Bahrain McLaren darüber hinaus mit seiner herausragenden Breite an Fahrern für anspruchsvolles Terrain – sowohl als Domestiken als auch mit eigenen Ambitionen. Insbesondere Neuzugang Poels könnte mit mehr Freiheiten als bei seiner vorherigen Mannschaft bei einwöchigen Rundfahrten und Eintagesrennen aufblühen. Neben dem Niederländer sind für diesen Bereich zusätzlich Teuns, Bilbao, Padun, Damiano Caruso sowie dem Österreicher Hermann Pernsteiner zu nennen. Gute Resultate verspricht zudem Mohoric, der von seinen Anlagen beinahe auf jedem Terrain zu beachten ist, sich für 2020 aber deutlich steigen muss.

Das Potenzial für etliche Siege steckt allemal im Kader, die Saisonbilanz sollte besser als im Vorjahr ausfallen. Die ganz große Nummer ist Bahrain McLaren 2020 aber noch nicht.

Eckdaten:
Land: Bahrain
Hauptsponsor: Bahrain Petroleum Company / McLaren
Branche: Wirtschaftsunternehmen aus Bahrain / Technologie-Unternehmen
Teamchef: Rod Ellingworth
Radausrüster: Merida
Teamranking-Platzierung 2019: 13
Fahrer im Aufgebot: 29

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