“Große Überraschung“ und “ein geiles Gefühl“

Canyon-SRAM rauscht zum Abschied vom TTT nochmal zum WM-Titel

Von Felix Mattis aus Innsbruck

Foto zu dem Text "Canyon-SRAM rauscht zum Abschied vom TTT nochmal zum WM-Titel"
Das Team Canyon-SRAM ist Mannschaftszeitfahr-Weltmeister 2018. | Foto: Cor Vos

23.09.2018  |  (rsn) - Mit Spannung wartete das Sextett von Canyon-SRAM am Ende des Auslaufbereichs hinter dem Ziel in Innsbruck auf die Titelverteidigerinnen. Die Top-Favoritinnen von Boels-Dolmans waren bereits um 21,9 Sekunden an der Bestmarke von Trixi Worrack, Lisa Klein und Co. gescheitert, nur Sunweb befand sich noch auf der Strecke. 

Während sich die "Ladies in White" dem Rennweg, der Zielgeraden dieser Weltmeisterschaften, näherten, tickte die Uhr: Eine Stunde, eine Minute und 44 Sekunden, 45 Sekunden, 46, 47...  Als Ellen van Dijk und Co. schließlich mit 28,67 Sekunden Rückstand auf das unter deutscher Flagge startende Sextett von Canyon-SRAM ins Ziel kam, war am Ende des Auslaufbereichs der Jubel groß: Weltmeisterinnen!

"Es ist ein unglaubliches Gefühl", sagte Klein später, und Worrack erklärte radsport-news.com die Freudentränen: "Klar, mehrere von uns haben geheult. Denn es ist wirklich total besonders: Keiner hat mit uns gerechnet!" Für sie persönlich war es der fünfte WM-Titel in der Disziplin, die es 2019 nicht mehr bei der WM geben wird, und das im letzten Rennen für Canyon-SRAM - Worrack wechselt im Winter zu Trek Factory Racing. 

Funkelnde Augen hatte auch Teamchef Ronny Lauke. "Es ist großartig. Wir hatten einen Funken Hoffnung, weil das Training extrem gut lief und wir von Tag zu Tag besser wurden. Aber unser Ziel war trotzdem das Podium. Dass es die oberste Stufe wird, ist natürlich eine große Überraschung", sagte er.

Auch wenn es für Lauke und Worrack bereits der fünfte WM-Titel in dieser Disziplin seit 2012 war, stellte der Sieg eben genau das dar: eine dicke Überraschung. Denn das deutsche Team war in den vergangenen beiden Jahren zunehmend von Boels-Dolmans und Sunweb überflügelt worden, und duellierte sich zuletzt eher mit Cervelo-Bigla um das Standing der drittstärksten Zeitfahr-Mannschaft  - bis das dänische Team den WM-Start nun kurzfristig absagte.

Wiggle-High5 ging schnell an - zu schnell

Nach dem Start an der Area47 eingangs des Ötztals war Canyon-SRAM schon bald schnell unterwegs, legte den später gestarteten beiden Top-Favoriten an der einzigen offiziellen Zwischenzeitnahme nach 22,8 der insgesamt 54,1 Kilometern eine starke Zeit vor, an der sich sowohl Boels-Dolmans als auch Sunweb die Zähne ausbissen. Einzig Wiggle-High5 um Lisa Brennauer war zu diesem Zeitpunkt noch zehn Sekunden schneller, hatte im Gegensatz zu Laukes Sextett aber nur noch fünf Frauen an Bord, verlor kurz darauf mit der Schwedin Emilia Fahlin auch die Nummer fünf und brachte außerdem Annette Edmondson als Nummer vier in der Kette immer wieder in Schwierigkeiten.

"Wir hatten nach zwölf Kilometern unseren eigenen Zwischenzeitmesspunkt und lagen da zwar weit hinter Wiggle, waren aber recht gleichauf mit Boels und Sunweb", schilderte Lauke das Erleben im Teamfahrzeug. "Da wussten wir, dass die Chancen hoch sind. Denn so wie Wiggle angegangen ist, war klar, dass sie einbrechen werden." Das passierte auch so. Brennauer, Kirsten Wild, Audrey Cordon-Ragot und Annette Edmondson kamen letztlich mit 57,38 Sekunden Rückstand auf Rang vier.

Doch zwischen Canyon-SRAM, Boels-Dolmans und Sunweb hätte es noch sehr spannend werden können - zumal Boels-Dolmans beim WorldTour-Teamzeitfahren von Vargarda bereits eher langsam angegangen war, und mit starkem Schlussspurt dann alles in den Schatten stellte. Entscheidend schien schließlich zu sein, dass es einzig die deutsche Equipe schaffte, mit allen sechs Fahrerinnen ins Finale und bis zum Ziel zu kommen. 

Der Schlüssel war zu sechst zu bleiben

"Das heute war etwa 15 Minuten länger, als das längste Teamzeitfahren, das es je gab. Wer weiß, was da passiert? Von daher mussten wir so lange wie möglich komplett bleiben", erklärte Worrack den Plan, der perfekt umgesetzt wurde - auch auf Grund erneut akribischer Vorbereitung: "Wir sind den Kurs zum achten oder neunten Mal gefahren", so die 36-Jährige, für die auf Grund des eigenen Tempos und des Vorsprungs gegenüber der Konkurrenz zu Rennhalbzeit immer deutlicher wurde, dass Gold möglich war: "Da wir so gleichmäßig und schnell geblieben sind, dachte ich mir schon: Wie sollen die jetzt noch 20 Sekunden aufholen? Dann müssten sie ja 70 fahren!"

Am Ende brachten Worrack, Klein, die Italienerin Elena Cecchini, Alena Amialiusik aus Weißrussland und die britischen Barnes-Schwestern Alice und Hannah eine Zeit von 1:01:46,60 Stunden ins Ziel des 54,1 Kilometer langen Zeitfahrens. Das entsprach einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 52,544 Stundenkilometern und war somit das schnellste Teamzeitfahren in der WM-Geschichte - auf dem längsten Kurs, der zugegebenermaßen aber mit einem Höhenverlust von 128 Metern zwischen Start und Ziel auch zu Hochgeschwindigkeit einlud.

"Wir wussten, dass wir extrem starkes Material dabei hatten, und da in allen Bereichen nochmal etwas zulegen konnten", sagte Lauke nach dem Rennen, konnte es aber trotzdem kaum glauben: "Am Ende sitzt Du im Ziel im Auto, siehst den Live-Stream und denkst: Das kann doch nicht wahr sein, dass wir das jetzt holen!"

Seine Teams legten immer, egal ob Lauke Sportlicher Leiter oder nun Teamchef war, großen Wert auf diese Disziplin. Von 2012 bis 2015 holten sie Gold. Umso trauriger für ihn, dass die Disziplin nun bei den Weltmeisterschaften verschwindet. Doch negative Emotionen bieten sich an Tagen wie diesen einfach nicht an. Also sagte er: "Jetzt sind wir die Letzten, die es gewonnen haben - das ist natürlich ein geiles Gefühl!"

Mehr Informationen zu diesem Thema

26.04.2024Vollering, ´ELB´ & Niewiadoma kämpfen um erste GT der Saison

(rsn) – Die erste Grand Tour der Saison beginnt nicht erst am 4. Mai in Italien, sondern bereits am Sonntag in Valencia. Zugegeben: Die Vuelta Espana Femenina (28. April - 5. Mai) ist keine dreiwöc

25.04.2024Lechner sorgt für den ersten UCI-Saisonsieg einer Deutschen

(rsn) – Corinna Lechner vom Bundesliga-Team Wheel Divas aus Berlin hat für den ersten Saisonsieg einer deutschen Frau auf UCI-Niveau gesorgt. Die 29-Jährige, die am 14. April bereits Dritte beim e

25.04.2024Drei Bergankünfte, Sprints, Windkantengefahr & Teamzeitfahren

(rsn) – Nachdem die Spanien-Rundfahrt im vergangenen Jahr von Torrevieja an der Costa Blanca vorbei an Madrid in den Norden nach Asturien an den Atlantik und zur abschließenden Bergankunft an den L

21.04.2024Trotz Patzer triumphiert Brown bei Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Nach zweiten Plätzen in den Jahren 2020 und 2022 hat Grace Brown (FDJ – Suez) erstmals das Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen gewonnen. Die Australierin ließ nach schweren 152,9 Kilom

21.04.2024Lippert: “Ich will einfach genießen, wieder Rennen zu fahren“

(rsn) – Mit Lüttich-Bastogne-Lüttich geht am Sonntag eine Woche zu Ende, die auch bei Liane Lippert (Movistar) normalerweise sehr hoch im Kurs steht. Die 26-Jährige war 2022 Dritte des Amstel Gol

21.04.2024Reusser kehrt schon Ende April zur Vuelta ins Feld zurück

(rsn) – Marlen Reusser (SD Worx – Protime) hat sich von ihren Sturzfolgen schneller als erwartet erholt und konnte bereits wieder trainieren. Wie ihr Management nun ankündigte, wird die dreimalig

21.04.2024Niewiadoma: “Wir haben ein klares Ziel, den Sieg“

(rsn) – Zum achten Mal tragen die Frauen heute ihr Lüttich-Bastogne-Lüttich aus. Das Rennen wird um 13.30 Uhr allerdings in Bastogne gestartet und führt von dort aus über 152,9 Kilometer auf der

20.04.2024Die Strecken von Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum 110. Mal findet am Sonntag Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT) für die Männer statt – die Frauen bestreiten ´La Doyenne´ dagegen erst zum achten Mal. Die Strecken haben sich im Verg

20.04.2024Die Aufgebote für das 8. Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen

(rsn) – Mit der 8. Ausgabe des Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen endet die Ardennenwoche. Während das Männerrennen von Lüttich aus nach Süden zum Wendepunkt in Bastogne und von dort wieder z

18.04.2024Hartmann: Aus “nur durchkommen“ wurden 74 km an der Spitze

(rsn) – Elena Hartmann bekam ihre völlig durchnässten Handschuhe kaum mehr von ihren frierenden Fingern. Als die 33-Jährige vom Team Roland oben auf der Mur de Huy 5:41 Minuten nach Siegerin Kata

17.04.2024Highlight-Video des 27. Flèche Wallonne Femmes

(rsn) – Nach einem dritten (2017) und einem zweiten Platz (2021) hat Kasia Niewiadoma (Canyon – SRAM) erstmals in ihrer Karriere den Flèche Wallonne Femmes gewonnen. Bei der 27. Ausgabe des Arden

17.04.2024Nach fast fünf Jahren bricht Niewiadoma an der ´Mur´ den Bann

(rsn) – Fast fünf Jahre musste Kasia Niewiadoma (Canyon – SRAM) auf den 19. Sieg ihrer Profikarriere warten. Bei der 27. Ausgabe des Flèche Wallonne Femmes war es soweit. Nach 146 Kilometern mit

Weitere Radsportnachrichten

26.04.2024Die Startliste des Einzelzeitfahrens der Tour de Romandie

(rsn) – Der Belgier Stan Van Tricht (Alpecin – Deceuninck) eröffnet um 14.24 Uhr das Einzelzeitfahren der 77. Tour de Romandie, bei dem rund um Oron 15,5 Kilometer auf dem Programm stehen. Die S

26.04.2024Vollering, ´ELB´ & Niewiadoma kämpfen um erste GT der Saison

(rsn) – Die erste Grand Tour der Saison beginnt nicht erst am 4. Mai in Italien, sondern bereits am Sonntag in Valencia. Zugegeben: Die Vuelta Espana Femenina (28. April - 5. Mai) ist keine dreiwöc

26.04.2024Evenepoel nach schwerem Sturz auf dem Weg zurück

(rsn) – Drei Wochen nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt hat Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) erstmals wieder im Freien trainiert. Wie der Zeitfahrweltmeister auf der Train

26.04.2024Deignan im Lidl-Trek-Aufgebot für La Vuelta Femenina

(rsn) – Nur vier Wochen nach ihrem Sturz bei der Flandern-Rundfahrt, bei dem sie sich einen Armbruch zugezogen hatte, kehrt die frühere Weltmeisterin Lizzie Deignan wieder ins Feld zurück. Ihr Tea

26.04.2024Vermeersch von Lotto - Dstny zum UAE Team Emirates?

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

26.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

25.04.2024Highlight-Video der 2. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Thibau Nys (Lidl – Trek) hat auf der 2. Etappe der Tour de Romandie (2.UWT) seinen bisher größten Sieg auf der Straße gefeiert. Der 21-jährige Belgier setzte sich über 171 Kilometer

25.04.2024Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

25.04.2024Teutenberg jubelt zum Auftakt der Tour de Bretagne

(rsn) - Nachdem er in seinen ersten drei U23-Jahren vergeblich einem UCI-Sieg hinterhergejagt war, eilt Tim Torn Teutenberg (Lidl - Trek Future Racing) in dieser Saison von Erfolg zu Erfolg. Nach sei

25.04.2024Lechner sorgt für den ersten UCI-Saisonsieg einer Deutschen

(rsn) – Corinna Lechner vom Bundesliga-Team Wheel Divas aus Berlin hat für den ersten Saisonsieg einer deutschen Frau auf UCI-Niveau gesorgt. Die 29-Jährige, die am 14. April bereits Dritte beim e

25.04.2024Romandie-Prologsieger Zijlaard bricht sich Ellenbogen

(rsn) – Nur zwei Tage nach seinem Triumph im Prolog der Tour de Romandie (2.UWT) hat Maikel Zijlaard (Tudor) einen heftigen Rückschlag hinnehmen müssen. Wie der 24-jährige Niederländer gegenüb

25.04.2024Bike-Aid: Dorn hat in der Türkei das Bergtrikot “ziemlich save“

(rsn) – Das deutsche Kontinental-Team Bike Aid ist weiterhin der Aktivposten der Türkei-Rundfahrt (2.Pro). Am fünften Tag in Folge war die saarländische Equipe in der Ausreißergruppe vertreten

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Gracia Orlová (2.2, CZE)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)