WM-Silber nach einem starken Rennen

Kämna: "Die letzten Kilometer haben sehr, sehr weh getan"

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Kämna:
Lennard Kämna kämpft bei der U23-WM in Bergen um Gold| Foto: Cor Vos

23.09.2017  |  (rsn) - 2014 Gold im Zeitfahren der Junioren, ein Jahr später Bronze im Kampf gegen die Uhr der U23, 2016 U23-Europameister in dieser Disziplin und nun Silber im Straßenrennen der U23. Das liest sich wie die Erfolgsgeschichte des jungen Jan Ullrich. Doch diese beeindruckende Bilanz stellte Lennard Kämna auf, der mit dem deutschen Team Sunweb letzten Sonntag auch Mannschafts-Weltmeister im Zeitfahren geworden war.

Es ist aber viel zu früh, den gerade erst 21 Jahre alt gewordenen Norddeutschen aus Wedel bei Hamburg mit einem Jahrhunderttalent wie Ullrich zu vergleichen, der mit 22 schon auf Platz zwei der Tour de France gefahren war, die er ein Jahr später als erster Deutscher in der Geschichte auch gewann.

Beeindruckend aber, wie Kämna dem Titelrennen in Bergen (Norwegen) seinen Stempel aufdrückte. Rund 14 Kilometer vor dem Ziel zog er aus dem Feld davon, schloss flugs zur Ausreißergruppe auf, aus der heraus er dann am Salmon Hill attackierte. "Ich habe mir vorgenommen, bis zum letzten Berg zu warten. Ich bin glücklich, meine Attacke da setzen zu können, wo ich wollte. Ich habe dort ein Riesenloch gerissen“, schildert Kämna im Ziel seinen Angriff.

Dabei setzte er die Taktik von U23-Bundestrainer Ralf Grabsch perfekt um. "Wir haben uns versteckt. Uns sollte keiner bis zum letzten Anstieg wahrnehmen. Lennard sollte beschützt werden. Die Mannschaft hat das super umgesetzt“, lobte der Nationalcoach seine Truppe im Gespräch mit radsport-news.com. Grabsch: "Wir hatten uns vorgenommen, alles auf eine Karte zu setzen. Wir wollten, dass sich die Norweger kaputt arbeiten und dann unsere Chance nutzen. Das hat gepasst. Lennard sollte genau an dem Punkt attackieren, denn wenn er zu spät ansetzt, hat er oben am Berg zu wenig Vorsprung und ist aber immer in Sichtweite. Das wollten wir verhindern.“

Nur der Franzose Benoit Cosnefroy konnte noch aufschließen, was Kämna, der zwischenzeitlich zwölf Sekunden Vorsprung hatte, etwas überraschte. "Großer Respekt an den Franzosen, dass er das Loch überhaupt zugekriegt hat. Auf einmal war er da. Ich war in diesem Moment sehr schockiert. Er hat eine schöne Bombe gezündet. Ich konnte nichts entgegensetzen“, gestand Kämna, der auch ehrlich zugab: "Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt geschafft hätte, wenn er nicht zu mir vorgefahren wäre. Die letzten Kilometer haben sehr, sehr weh getan. Ich habe jetzt zwei Mal auf den letzten drei Kilometern gelitten wie noch nie in meinem Leben.“

Im Schlusspurt um Gold konnte er dann Cosnefroy nichts mehr entgegensetzen. Kämna: "Ich kenne mich nicht mehr so aus in der U23, weil ich nur wenige Rennen in den letzten zwei Jahren gefahren bin. Ich konnte nur vermuten, dass er besser sprinten kann als ich, da ich gar nicht sprinten kann. Er ist 300 Meter vor dem Ziel angetreten. Ich kam nicht mehr aus seinem Windschatten heraus. Ich bin nicht mal bis zu seiner Kurbel gekommen. Ich hatte gehofft, dass ich noch vorbeikomme, aber es ging einfach nicht. Ich habe schon verschwommen gesehen, so kaputt war ich.“

Deshalb trauerte er Gold auch nicht lange nach. "Es ist eine nahezu perfekte WM für mich, mit Gold heute wäre sie perfekt gewesen. Im Sprint war ich klar unterlegen, deshalb kann ich mir keine Vorwürfe machen. Ein zweiter Platz ist super, ich habe alles gegeben. Der Franzose war auf den letzten drei Kilometern einfach stärker als ich", sagte der Sunweb-Profi.

Das sah auch der Nationaltrainer so: "Lennard hat im richtigen Moment attackiert. Wenn dann jemand auf diesem Niveau zu ihm hinfahren und gewinnen kann, dann ist das so. Natürlich ist man im ersten Moment erst mal enttäuscht, aber im Nachhinein können wir mit der Medaille mehr als zufrieden sein", bialnzierte Grabsch, der in Bergen auch sein Konzept bestätigt sah: "Ich arbeite schon seit Jahren darauf hin, dass im U23-Bereich mannschaftlich so gefahren wird wie bei den Profis. Das ist im Prinzip das A und O, das kompakte Auftreten. Wir haben letztes Jahr tolle Ergebnisse abgeliefert und dieses Jahr wieder.“

Wenn es so weitergeht, ist auch Kämnas Erfolgsgeschichte noch lange nicht zu Ende. "Wir wollen irgendwann einmal mit einem deutschen Fahrer bei einer großen Rundfahrt vorne mitfahren“, plant Sunweb-Teamchef Iwan Spekenbrink, der auch den Niederländer Tom Dumoulin zum Giro-Sieg führte.

Vielleicht folgt ihm ja Kämna nach, der sich in seinem ersten Jahr bei Sunweb gleich etablierte und Anfang September im Zeitfahren bei der Spanien-Rundfahrt Platz acht belegte.

 

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