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31.05.2014 | (rsn) – Die spektakuläre 20. Etappe des Giro d’Italia bot fantastische Bilder: Zigtausende begeisterte Zuschauer verwandelten den zehn Kilometer langen Schlussanstieg hinauf zum Monte Zoncolan zu einer einzigen Fanmeile. Doch einige Unverbesserliche sorgten dafür, dass es zu Szenen kam, die sich niemand wünscht.
So musste sich der Australier Michael Rogers (Tinkoff-Saxo) auf seinem Weg zum zweiten Etappensieg aufdringliche Zuschauer wie lästige Fliegen vom Leib halten. Francesco Bongiorno (Bardianai-CSF) kostete einer dieser Fanatiker womöglich sogar den größten Sieg seiner Karriere.
Denn gut drei Kilometer vor dem Ziel erhielt der Italiener, der als einziger Rogers bei dessen Tempoverschärfung hatte folgen können, einen als Anschub gemeinten Schlag in den Rücken, durch den Bongiorno fast zu Boden ging. Sein Begleiter bekam davon nichts mit, sondern zog durch und kam schließlich mit 38 Sekunden Vorsprung ins Ziel – und zwar vor Franco Pellizotti (Androni-Giocattoli), der auf den letzten Metern noch am verzweifelt kämpfenden Bongiorno vorbeizog und im Gegensatz zu seinem Landsmann mit seinem Podiumsplatz durchaus zufrieden war.
Rogers dagegen strahlte über’s ganze Gesicht, als er den Reportern sagte: „Es war immer mein Traum, einmal an einem solchen Berg zu gewinnen. Der Zoncolan ist einer der historischen Orte des Radsports und es ist eine absolute Ehre, hier oben zu gewinnen“, sagte der 34-Jährige, der allen Grund hatte, die unerfreulichen Momente, die er überstehen musste, nicht weiter zu thematisieren. „Die Zuschauer waren super, das Team war super. Wir wollten heute unbedingt die letzte Chance auf einen Etappensieg wahrnehmen und haben das geschafft. Ich bin wirklich stolz“, meinte Rogers, dessen Teamkollege Nicolas Roche Vierter wurde.
Dagegen vergoss der völlig verzeifelte Bongiorno Tränen der Enttäuschung im Ziel. „Ich bin Michael Rogers gefolgt und habe auf den richtigen Moment gewartet, um zu attackieren“, berichtete der 23-Jährige, der bisher noch ohne Profisieg ist. „Es ist im schwierigsten Punkt des Anstiegs passiert und ich habe komplett meine Balance, meinen Rhythmus und und meine Dynamik verloren“, erklärte Bongiorno.
„Ich hatte keine Ahnung, was hinter mir passiert ist“, sagte Rogers dazu. „Ich habe nichts anderes getan, als die letzten kilometer runterzuzählen. Ich habe die letzten 50 Meter genießen können, aber davor war es hart.“
Auch Nairo Quintana (Movistar) hatte nicht nur mit dem Berg und den Gegnern zu kämpfen. Es war ausgerechnet ein Fan mit einer kolumbianischen Fahne, der dem Rosa Trikot zu nähe rückte und für heftige Turbulenzen sorgte. Doch davon abgesehen hatte Quintana keine kritischen Momente mehr zu überstehen – auch nicht, als sein Landsmann Rigoberto Uran (Omega Pharma - Quick-Step) mit Hilfe von Wout Poels – der kurz zuvor einem Fan die Sonnenbrille von den Augen gerissen und ins Gelände geschleudert hatte - einen späten Angriff wagte und alle Konkurrenten tatsächlich abhängte.
Doch der Gesamtführende parierte die Attacke und kam 4:45 Minuten hinter Rogers zeitgleich vor Uran als Siebzehnter ins Ziel und wird mit 3:07 Minuten Vorsprung auf diesen die morgige letzte Etappe nach Triest in Angriff nehmen. Es wird für Quintana eine sorgenfreie Triumphfahrt werden.
Eine beeindruckende Vorstellung lieferte auch das Giant-Shimano-Team ab, das mit dem Österreicher Georg Preidler und dem Freiburger Simon Geschke zwei Fahrer in der 20-köpfigen Spitzengruppe platzieren konnte, die sich schon früh absetzte und die Etappe dominierte. Preidler wurde letztlich sehr guter Siebter und konnte sich im Ziel kaum noch auf seinem Rad halten. Geschke, der bis weit in den brutalen Schlussanstieg hinein für seinen Teamkollegen gearbeitet hatte, belegte Rang zehn. „Ich habe es heute weitestgehend genießen können“, meinte der 28-Jährige am Abend zu radsport-news.com.
Rogers, Pellizotti, Bongiorno, Roche, Geschke und Preidler bildeten gemeinsam mit Dario Cataldo (Sky), Axel Domont (Ag2R), Jackson Rodriguez (Androni-Giocattoli), Maarten Tjallingii (Belkin), Mattia Cattaneo (Lampre-Merida), Maxime Monfort (Lotto-Belisol), Yonathan Monsalve, Mattio Rabottini (beide Neri Sottoli), Yukiya Arashiro (Europcar), Pieter Serry (Omega Pharma-QuickStep), Maxim Belkov (Katusha), Brent Bookwalter (BMC), Danilo Hondo und Riccardo Zoidl (Trek) bei sonnigem Wetter eine starke Ausreißergruppe, die bis zum Schlussanstieg zwar auf 15 Fahrer zusammen geschmolzen war, dafür aber fast acht Minuten Vorsprung auf das Feld in den Zoncolan mitnahm.
Zuvor hatte sich Cataldo am Passo del Pura (1. Kat.) und dem Sella Razzo (2. Kat.) jeweils die Maximalpunktzahl gesichert. Damit rückte der Italiener zwar noch auf Rang zwei der Bergwertung vor, hinter dem Kolumbianer Julian Arredondo (Trek), der morgen in Triest mit dem Blauen Trikot des besten Kletterers ausgezeichnet werden wird.
Im Feld hatte Movistar alles unter Kontrolle, auch wenn der Franzose Pierre Rolland (Europcar) im zweiten der drei Berge des Tages seinen Helfer Davide Malacarne nach vorne beorderte und kurz darauf mit seinem TeamkollegenRomain Sicard attackierte. Doch Quintana reagierte sofort mit einigen Teamkollegen und vereitelte kurz darauf auch einen Angriff von Domenico Pozzovivo (Ag2R) und Rafal Majka (Tinkoff-Saxo).
In der Abfahrt hielten die Favoriten still, während an der Spitze das Tempo hoch gehalten wurde, um sich einen möglichst großen Vorsprung mit in die schwerste Prüfung dieses Giro d’Italia zu nehmen: den 10,1 Kilometer langen , 11,9 Prozent steilen und mit Rampen bis zu 22 Prozent ausgestatteten Zoncolan. Der Belgier Tim Wellens (Lotto Belisol), der wie auch der Kolumbianer Robinson Chalapud (Colombia) im Sella Razzo den Anschluss an die Spitze geschafft hatte, führte die Ausreißer in die ersten beiden Kilometer hinein, die mit sechs bis elf Prozent Steigung noch gemäßigt waren.
Kurz darauf löste Geschke Wellens in der Tempoarbeit ab, wodurch die Gruppe deutlich verkleinert wurde, bis nur noch das Giant-Shimano-Duo, Chalapud, Roche, Rogers, Pelizotti und Bongiorno übrig blieben. In den steilsten Passagen konnten dann Geschke und Preidler nicht mehr mithalten, als Pellizotti angriff und Rogers prompt die Gegenattacke setzte, die nur Bongiorno parieren konnte.
Auch das Feld dünnte im Zoncolan schnell aus, nachdem zwei von Quintanas Helfern mit so hohem Tempo in den Schlussanstieg hineingejagt waren, dass nicht einmal der Kapitän folgen konnte. Noch größere Probleme hatte Cadel Evans (BMC), der als erster der Favoriten zurückfiel. Quintana dagegen konnte auf die Tempoarbeit seines Teamkollegen Igor Anton bauen, der 2011 am Zoncolan triumphiert hatte.
Der Spanier holte schnell den Kroaten Robert Kiserlosvski zurück, der als erster aus der Verfolgergeuppe heraus einen Angriff ritt. Fünf Kilometer vor dem Ziel startete Uran mit Hilfer seines Teamkollegen Wout Poels einen letzten Angriff auf das Rosa Trikot. Doch selbst als auch noch der aus der ersten Gruppe zurückgefallene Serry sich vor seinen Kapitän spannte, gelang es den drei Omega-Fahrern nicht Quintana abzuschütteln – wohl aber Pozzovivo, Majka, Rolland und Fabio Aru (Astana), der schon im Sella Razzo schwer zu kämpfen gehabt hatte und offensichtlich über keinerlei Reserven mehr verfügte.
Quintana beschleunigte auf den letzten 500 Metern nochmals, doch diesmal blieb Uran aufmerksam, so dass die beiden dominierenden Fahrer dieses Giro fast gleichauf über die Ziellinie rollten. Wenige Sekunden dahinter folgten die weiteren Favoriten, so dass es auf den ersten sechs Plätzen der Gesamtwertung zu keinen Änderungen mehr kam.
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