London 2012 - letztes Kapitel einer Radsport-Geschichte

Ciao, Wino!

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Ciao, Wino!"
Alexander Winokurow gewann Gold in London. Foto: ROTH

29.07.2012  |  (rsn) – Was für ein Paukenschlag: Der alte Kämpe Alexander Winokurow hat es nach glückloser Tour de France doch noch geschafft, am Ende seiner Karriere einen Big Point zu setzen. Und was für einen. Mit Olympia-Gold dürfte der durchaus streitbare „Wino“ sein Heimatland in Feierlaune versetzt haben. Und er hat sich einen Titel geholt, den nicht einmal Rad-Giganten wie (die ebenso streitbaren) Lance Armstrong und Johan Museeuw errungen haben.

Dabei hat der Kasache mehr als nur einen glanzvollen Schlusspunkt einer wechselhaften Karriere gesetzt. Er hat nebenbei gewissermaßen eine ganze Radsport-Generation stilvoll verabschiedet. Denn Winokurow und Olympia – da ist die Assoziation zu den Spielen von Sydney (2000) sofort da. Das geniale Manöver der damaligen Telekom-Profis Jan Ullrich, Alexander Winokurow und Andreas Klöden, das Gold und Bronze für Deutschland sowie Silber für Kasachstan brachte, ist auch aus heutiger Sicht noch als Sternstunde des Radsports zu bezeichnen.

Ullrich hat die Bühne längst verlassen. Über die Art und Weise lässt sich kaum streiten. Doch wie präsent der große Deutsche in den Köpfen der Fans noch immer ist, zeigt sich an der Begeisterung, die „Ulle“ auslöst, wenn er einen seiner wenigen öffentlichen Auftritte wagt. Und daran, dass vor Jahresfrist, als er einen Radmarathon in ordentlicher Zeit absolvierte, doch tatsächlich ernst gemeinte Comeback-Aufforderungen in der Fangemeinde aufkamen. Zur Erinnerung: Ullrich war da 37 Jahre alt, und seit fünf Jahren kein Radprofi mehr.

Klöden und Winokurow sind bis heute auf hohem Niveau im Feld unterwegs gewesen. Und wann immer einer der beiden ein wichtiges Rennen gewann, dürften bei den Fans wehmütige Gedanken an eine große Ära aufgekommen sein. Eine Ära, die das Sydney-Trio maßgeblich mitgeprägt hat. Nicht nur mit Siegen, sondern auch als unermüdliche Antipoden zum fast unbezwingbaren Lance Armstrong, dem sie in Sydney eine der wenigen Niederlagen beigebracht hatten.

Dass so viele Profis dieser Generation - man denke an Levi Leipheimer, Chris Horner, Jens Voigt oder auch an George Hincapie – in hohem Radsport-Alter noch aktiv sind, während es früher eher die Ausnahme war, dass Profis jenseits der 35 Jahre um Siege fuhren, könnte mit dem Comeback Lance Armstrongs zusammenhängen. Der US-Amerikaner hat gezeigt, dass man heutzutage mit 38 Jahren aufs Tour-Podest fahren kann. Wohl auch deshalb traute es sich Klöden Anfang 2012, diesen unglaublichen Satz zu sagen: „Ich will in meiner Karriere noch eine Dreiwochenrundfahrt gewinnen.“ Mit zarten 37 Jahren. Aber O-Ton Klöden: „Ich fühle, dass ich das in mir habe.“

Hatte er sicher auch. Aber eben nicht mehr in diesem Stadium seiner Karriere. Das belegt auch die Tour 2012, die er als 11. beendete, fünf Plätze hinter seinem nur zwei Jahre jüngeren Teamkollegen Haimar Zubeldia – ein weiteres Relikt der Ära Ullrich/Armstrong. Und nun hatten Beobachter – ob mit Erleichterung oder Wehmut – attestiert, dass Winokurows Zeit ebenfalls endgültig abgelaufen ist, da er es trotz vieler Versuche einfach nicht schaffte, seine Karriere mit einem Tour-Etappensieg abzuschließen.

Doch Totgesagte leben länger. Und im Straßenrennen von London holte „Wino“ den glänzenden Schlusspunkt nach. Zwölf Jahre nach dem Coup von Sydney strahlt noch einmal einer der alten Garde. Wahrscheinlich zum letzten Mal überhaupt. Insofern dürfte in London das letzte Kapitel einer, wenn auch nicht immer schönen, so doch zumindest höchst unterhaltsamen Radsport-Geschichte geschrieben worden sein.

Gemeint ist die Geschichte der Generation zwischen Festina-Skandal (1998) und Fuentes-Skandal (2006). Der Generation von Ullrich und Armstrong. Der Generation, der auch Marco Pantani (1970-2004), Jose Maria Jimenez (1971-2003) und Frank Vandenbroucke (1974-2009) angehörten.

Mit dem Gewinn der Goldmedaille hat Alexander Winokurow seinen Rücktritt erklärt.

Ciao, Wino!

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.08.2012Contador will seinen zweiten Vuelta-Gesamtsieg

(rsn) - Mit einem ganz auf Alberto Contador ausgerichteten Aufgebot tritt das dänische Saxo Bank-Tinkoff Bank-Team bei der am 18. August in Pamplona beginnenden 67. Vuelta a España an. Der 29 Jahre

12.08.2012BDR kehrt mit sechs Medaillen aus London heim

London (dapd) - Mit einer beeindruckenden Silberfahrt von Sabine Spitz und einem siebten Platz von Manuel Fumic in den Mountainbike-Rennen haben sich die deutschen Radsportler von der olympischen Büh

12.08.2012Kulhavy Olympiasieger im Mountainbike

London (dapd) - Manuel Fumic (Kirchheim/Teck) hat bei den Olympischen Spielen eine Medaille im Mountainbike-Rennen deutlich verpasst. Der Deutsche Meister musste sich nach sieben Runden und 34,08 Kil

12.08.2012Spitz: 2016 nach Rio - aber höchstens zum Baden

London (dapd) - Mit ihrer Silbermedaille im hohen Sportler-Alter von 40 Jahren und 228 Tagen bewegt sie sich auf den Spuren von Jeannie Longo. Der "Grande Dame" des Radsports, die mit 53 immer noch ak

11.08.2012Sabine Spitz: "Ich habe meine Kollektion zusammen"

London (dapd) - Interview mit Sabine Spitz, Silbermedaillengewinnerin im Olympischen Moutainbikerennen von London.Sabine Spitz, wie ist Ihre Gefühlslage nach der Silbermedaille bei den Olympischen Sp

11.08.2012Spitz verabschiedet sich mit Silber von der Olympia-Bühne

London (dapd) - Ein schmerzhafter Sturz im Felsparcours hat Sabine Spitz womöglich um ihre zweite Goldfahrt gebracht, aber auch mit Silber hat sich die Powerfrau in großartiger Manier von der Olympi

10.08.2012BMX: Strombergs erneut Olympiasieger

London (dapd) - Vor den Augen von Fußballstar David Beckham haben der Lette Maris Strombergs und die Kolumbianerin Mariana Pajon die Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen im BMX gewonnen. Bei str

10.08.2012Sabine Spitz will mit 40 nochmals Gold im Mountainbike

London (dapd) - Zum Schutz vor französischen Angriffen nahm das Hadleigh Castle im Mittelalter einst eine strategisch wichtige Rolle ein. Französische Angriffe hat Olympiasiegerin Sabine Spitz bei i

10.08.2012Vogel/Welte: Teamsprint-Goldmedaille in Gefahr?

London (dapd) - Kristina Vogel und Miriam Welte müssen womöglich um ihren Olympiasieg im Teamsprint bangen. Die chinesische Delegation hat ein zweites Mal beim Radsport-Weltverband UCI Einspruch geg

09.08.2012BMX: Brethauer und Baier im Viertelfinale raus

London (dapd) - Das Olympia-Debüt der beiden deutschen BMX-Fahrer Luis Brethauer (Betzingen) und Maik Baier (Bietigheim) war bereits nach dem Viertelfinale beendet. Brethauer wurde in seiner Gruppe n

09.08.2012Olympia: Belgier schicken van Hoecke nach Hause

London (dapd) - Der belgische Bahnfahrer Gijs van Hoecke muss nach einem nächtlichen Ausflug in die Londoner Partyszene vorzeitig die Heimreise antreten. Das Belgische Olympische Komitee teilte am Do

09.08.2012Bundestrainer Schirle: "Mission impossible" mit 26

London (dapd) - Zu beneiden ist Simon Schirle nicht. Eigentlich könnte er selbst noch auf dem BMX-Rad sitzen, er ist ja gerade einmal 26 Jahre alt. Doch der Schwabe hat längst die Seiten gewechselt,

Weitere Radsportnachrichten

10.05.2024Richtungsweisende Bergankunft im Apennin

(rsn / ProCycling) – In den vergangenen sieben Tagen blieb das Klettern, abgesehen von der 2. Etappe nach Oropa, bei jeder Etappe auf weniger als 2.000 Höhenmeter beschränkt. Am zweiten Samstag wi

10.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

10.05.2024Schachmann im “Schongang“ zum Spitzenergebnis

(rsn) - Schneller als Mikkel Bjerg, schneller als Antonio Tiberi oder Luke Plapp und auch schneller als Geraint Thomas – am Ende stand der fünfte Platz. Maximilian Schachmann (Bora – hangrohe) er

10.05.2024Fleche du Sud: Vorarlberg und Hrinkow bergauf bärenstark

(rsn) - Auch wenn auf der Königsetappe des Fleche du Sud (2.2) mit der 3,4 Kilometer langen und im Schnitt 7,2 Prozent steilen Bergankunft in Bourscheid kein Kraut gegen den Solosieger Pim Ronhaar (

10.05.2024Thomas: “Ich konnte es heute nicht ganz bringen“

(rsn) – Tadej Pogacar demonstrierte im ersten Zeitfahren seine herausragende Stellung bei diesem Giro d’Italia. Der Slowene holte am Schlussanstieg des Zeitfahrens zwischen Foligno und Perugia ein

10.05.2024Highlight-Video der 7. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat mit einem weiteren grandiosen Auftritt das erste der beiden Einzelzeitfahren des 107. Giro d’Italia (2.UWT) für sich entschieden. Der Träger des Ros

10.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 7. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

10.05.2024Pogacar gewöhnt sich ans Rad und zündet am Berg die Rakete

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat auf der 7. Etappe des 107. Giro d’Italia seinen zweiten Tagessieg bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt gefeiert. Im 40,6 Kilometer langen Einzelzei

10.05.2024Nys schnappt Buchmann ersten Saisonsieg vor der Nase weg

(rsn) – Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) hat auf der Königsetappe der 45. Tour de Hongrie (2.Pro) denkbar knapp seinen ersten Saisonsieg verpasst. Der Deutsche Meister kam nach 182,7 Kilometer

10.05.2024Bredewold baut makellose Itzulia-Serie von SD Worx aus

(rsn) – Mischa Bredewold hat ihrem Team SD Worx – Protime einen grandiosen Auftakt zur 3. Itzulia Women (2.WWT) beschert. Die Europameisterin aus den Niederländerin entschied die 1. Etappe über

10.05.2024Die Startzeiten des ersten Giro-Zeitfahrens

(rsn) - Julius van den Berg (dsm-firmenich - PostNL) eröffnet um 13:10 Uhr das erste der beiden Einzelzeitfahren des 107. Giro d’Italia. Auf dem Programm der 7. Etappe stehen 40,6 Kilometer von Fol

10.05.2024Bora-Profi Benedetti: “Bin froh, dass Cavendish gewonnen hat“

(rsn) – Sam Welsford (Bora – hansgrohe) konnte von Glück reden, dass der rabiate Körpereinsatz, mit dem sich sein Konkurrent Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla) im Finale der 2. Etappe der Ungar

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)