Gerdemanns Tour-Tagebuch/7. Etappe

Das war mein Tag

Von Linus Gerdemann

15.07.2007  |  Was für ein Tag - Sieg auf der ersten Alpenetappe und Gelbes Trikot. Ich bin überwältigt und glücklich, aber natürlich auch ziemlich platt. Mir war tatsächlich erst 300 Meter vor dem Ziel klar, dass ich das Ding gewinne. Mein Team hat mir gesagt, dass ich auch zum Schluss noch ganz gut ausgesehen hätte, was mich wirklich überrascht. Auf den letzten Kilometern dachte ich nämlich, ich komme nicht mehr von der Stelle. Ich habe gefürchtet, von hinten würden meine Verfolger noch heran fahren.

Man kann eine Tour-Etappe ja nicht wirklich planen. Es gibt zu viele Teams, die diese Pläne durchkreuzen wollen, zu viele andere Fahrer mit eigenen Ambitionen. Aber als ich heute Morgen mit Rolf Aldag die Etappe durchgesprochen hatte, dachte ich mir: Die könnte was für mich sein. Bert Grabsch schien sich sogar ziemlich sicher zu sein: „Das wird dein Tag heute“, gab er mir mit auf den Weg.

Unsere heutige Taktik ist schnell erklärt. Wir gingen davon aus, dass kein Team das Rennen würde kontrollieren können. Deshalb war unsere Ziel, in jeder Ausreißergruppe einen Fahrer dabei zu haben. Zuerst war das Kim Kirchen, dann Marcus Burghardt und schließlich gelang mir der Sprung in die, wie sich herausstellen sollte, entscheidende Gruppe.

Der letzte Anstieg war wirklich hart und kurz vor dem Gipfel sehnte ich mir das 500-Meter-Schild herbei. Was ich nicht wusste, war, dass es diese Markierung gar nicht gibt. So was kann einem als Tour-Neuling schon mal passieren. Als ich über den Berg drüber war, sagte ich mir: Downhill jetzt noch mal voll konzentrieren und alles geben, was du hast. Auf den letzten Kilometern bin ich voll über mein Limit drüber gefahren. Im Ziel war ich so erschöpft, dass ich kaum vom Rad steigen konnte.

Danach hatte ich aber kaum Zeit zum Durchschnaufen, musste dem französischen Fernsehen ein erstes Interview geben. Es folgte die Siegerehrung. Als Tagessieger, neuer Träger des Gelben sowie des Weißen Trikots durfte ich gleich drei Mal aufs Podium und danach fünf Gelbe Trikots signieren. Dann ging der Interview-Marathon auf deutsch und englisch weiter, zunächst für eine weltweite Ausstrahlung, dann in der Mixed Zone, wo die versammelten elektronischen Medienvertreter warteten. Und schließlich die Pressekonferenz für die Printmedien, die per Videoschaltung ins Pressezentrum übertragen wurde.

Nach der Dopingkontrolle stieg ich als letzter Fahrer in den Teambus. Leider verzögerte sich unsere Abfahrt um rund eineinhalb Stunden. Bis wir im Hotel ankamen, waren schon wieder zwei Stunden verstrichen sein. Dort ging es vom Regenerationsbecken zum Abendessen, wobei ich mit dem ganzen Team auf diesen wunderbaren Tag anstoßen konnte. Alle waren da, das ganze Team hat mir gratuliert. Danach wurde ich vom Hotel aus noch dem „Aktuellen Sportstudio“ zugeschaltet - und dann endlich, gegen 22 Uhr 15, konnte ich zur Massage.

So schön diese Momente im Gelben Trikot auch sind – an meiner Aufgabe wird sich dadurch nichts ändern. Unser Kapitän bei dieser Tour heißt Michael Rogers und für ihn werde ich morgen wieder arbeiten. Für den Kraftakt heute werde ich wohl büßen müssen. Aber dieser Tag hat alle Anstrengungen gelohnt.

Linus Gerdemann ist einer von 19 deutschen Fahrern, die bei der 94. Tour de France an den Start gehen. Für den 24-jährigen Münsteraner mit Wohnsitz in der Schweiz ist es die erste Teilnahme am größten Radrennen der Welt. Exklusiv auf Radsport aktiv führt der T-Mobile-Hoffnungsträger in den nächsten drei Wochen sein Tour-Tagebuch.

Mehr Informationen zu diesem Thema

30.07.2007Die letzte Fahrt total genossen

Die Abschlussetappe habe ich total genossen und den Kollegen im Feld ist es wohl nicht anders ergangen. Vor allem die Einfahrt auf die Champs Elysees über den Place de la Concorde war einmalig – wi

29.07.2007Ein gelungener Test für die Zukunft

Gestern hatte ich gesagt: Beim Zeitfahren fahre ich schnell los und schaue, wie es geht. Es ging gut. Es ging richtig gut. Ich konnte richtig Gas geben und hatte unterwegs prima Zeiten. Für mich war

27.07.2007Ich hätte Axel den Etappensieg gegönnt

Meinem Zimmerkollegen Axel Merckx hätte ich bei seiner letzten Tourteilnahme den Etappensieg gegönnt. Leider hat es nicht ganz gereicht. Aber für ihn war es trotzdem ein einmaliges Erlebnis. Er be

26.07.2007Noch zwei Hotels bis Paris

Heute hieß es nach drei Tagen Abschied nehmen von „unserem“ wunderschönen Hotel in Pau. Und nach der 17. Etappe hat uns der „Hotelalltag“ wieder. Wir sind jetzt im Hotel Orsay in Montauban

25.07.2007Ein Zeichen gegen Doping

Die Aktion der französischen und beiden deutschen Teams heute vor dem Start in Orthez war ein Zeichen gegen Doping. Mag sein, dass ein kleiner Streik von ein paar Minuten auf den ersten Blick nichts

25.07.2007Wir brauchen alle einen langen Atem

Auch am zweiten Ruhetag hatten wir wieder großes Medieninteresse. Grund: Die positive Dopingprobe von Alexander Winokurow. Wenn in an der schlechten Nachricht etwas Gutes steckt, dann das: Das Kontr

23.07.2007Baskische Begeisterung in den Pyrenäen

Unsere Teamtaktik wäre heute um ein Haar voll aufgegangen. Uns war klar, dass ein Erfolg nur über eine Ausreißergruppe gehen würde. Dafür waren Kim Kirchen und ich vorgesehen. Kim fühlte sich s

22.07.2007…da habe ich rausgenommen

Ich hatte heute nicht die Beine, die man für eine solch schwere Bergetappe braucht. Schon im ersten Anstieg merkte ich, dass es nicht so wirklich gut lief. Deshalb entschloss ich mich dazu, nicht um

21.07.2007Ich habe vom Regen profitiert

Ich bin richtig zufrieden mit meiner Leistung beim Zeitfahren. Ich bin extrem konzentriert ins Rennen gegangen, habe mir mit einem Teamkollegen am Morgen nochmal die Strecke angeschaut und vor dem S

20.07.2007"Burgi" versehentlich auf der Flucht

Heute wieder eine relativ entspannte Etappe - allerdings mit einer kuriosen Episode um Marcus Burghardt. „Burgi“ versuchte sich - eigentlich ungewollt - rund 50 Kilometer lang als Ausreißer, n

20.07.2007Nur nicht abhängen lassen...

Im Vergleich zu den schweren Bergetappen am Wochenende und am Dienstag war das heute fast so etwas wie „aktive Erholung“. Auch wenn die Etappe in einem extrem schnellen Tempo absolviert wurde, ko

17.07.2007Mehr war einfach nicht drin

Ich hätte heute super gerne das weiße Trikot verteidigt, aber Alberto Contador war eindeutig der Stärkere. Ich glaube, dass er sogar ein Kandidat für das Gelbe Trikot ist. Natürlich ist es kein

Weitere Radsportnachrichten

03.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

03.05.2024Zeeman glaubt weiter an Tour-Start von Vingegaard

(rsn) – Nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt am 4. April ist Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) weiter auf dem Weg der Besserung. Sein Sportdirektor Merijn Zeeman glaubt so

03.05.2024Anspruchsvoller Auftakt im Piemont

(rsn / ProCycling) – 13 Jahre nach ihrer Premiere ist die Stadt Venaria Reale erneut Schauplatz des Grande Partenza. Als Ouvertüre gibt es eine anspruchsvolle Etappe, die nördlich von Turin starte

03.05.2024Lipowitz wäre schon glücklich, wenn er Rom erreichen würde

(rsn) - Der dritte Gesamtrang bei der Romandie-Rundfahrt vor einer Woche hat Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) viel Aufmerksamkeit eingebracht. Nun startet der 23-Jährige beim Giro d´Italia in d

03.05.2024Muzic schlägt Vollering! Erst festgebissen, dann abgesprintet

(rsn) – Évita Muzic (FDJ – Suez) hat an der Laguna Negra in 1.715 Metern Höhe die 6. Etappe der Vuelta Espana Femenina gewonnen. Die 24-jährige Französin setzte sich am Ende der 6,5 Kilometer

03.05.2024Blackmore nimmt bei Israel - Premier Tech Zabels Platz ein

(rsn) – Nach dem Karriereende von Rick Zabel wird Joseph Blackmore den frei werdenden Platz des Deutschen bei Israel – Premier Tech einnehmen. Wie der Zweitdivisionär meldete, wechselt der 21-jÃ

03.05.2024Was Selbstvertrauen alles ausmachen kann

(rsn) - Servus liebe Leserinnen und Leser, nach gut zwei Monaten voller Wettkämpfe melde ich mich mal wieder. Es ist viel passiert, worüber ich gerne berichten würde. Bereits zum zweiten Mal in d

03.05.2024Bénin: Lührs verpasst um Millimeter seinen ersten Saisonsieg

(rsn) – Auf der 4. Etappe der Tour du Bénin (2.2) hat das Team Bike Aid erneut einen Tagessieg knapp verpasst, konnte sich aber zumindest über die Verteidigung des Gelben Trikots von Yoel Habteab

03.05.2024Niewiadoma und Realini bei Vuelta Femenina ausgestiegen

(rsn) - Ohne zwei der Favoritinnen ist am Mittag die 6. Etappe der Vuelta Femenina gestartet worden. Wie ihr Team Canyon – SRAM auf X meldete, habe man beschlossen, dass Kasia Niewiadoma aus gesundh

03.05.2024Geschke von 2500 Metern in Freiburg zum Giro d´Italia

(rsn) – Vor dem letzten Giro d’Italia seiner Karriere strahlt Simon Geschke viel Optimismus aus. “Meine Form ist sehr gut, ich konnte mich so gut wie noch nie auf einen Giro vorbereiten“, sagt

03.05.2024Giro-Favorit Pogacar hält Fixierung auf seine Person für “Bullshit“

(rsn) – Am Samstag beginnt der 107. Giro d’Italia – mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) als haushohem Favoriten, der in der öffentlichen Wahrnehmung alle seine Konkurrenten in den Schatten st

03.05.2024HLN: Van Aert kehrt Ende Mai ins Feld zurück

(rsn) – Wout van Aert (Visma - Lease a Bike) nimmt nach seinem schweren Sturz Ende März bei Dwars Door Vlaanderen sein Comeback ins Visier. Wie die Zeitung Het Laatste Nieuws schreibt, plant der B

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)