RSNplusNichtangriffspakt bringt Kuss wohl Vueltasieg

Vingegaard und Roglic verzichten auf finalen Showdown

Von Tom Mustroph aus La Cruz de Linares

Foto zu dem Text "Vingegaard und Roglic verzichten auf finalen Showdown"
Sepp Kuss (Jumbo - Visma) | Foto: Cor Vos PRÜFEN

14.09.2023  |  (rsn) - Reden hilft. Das merkt bei dieser Vuelta auch Sepp Kuss (Jumbo - Visma). Der US-Amerikaner war offenbar unzufrieden, wie seine Teamkollegen die letzten Etappen bestritten hatten. Offiziell hieß es zwar immer, der Sieger werde auf der Straße bestimmt und der Beste solle gewinnen. Besonders die Hatz zum Angliru hoch, als seine beiden Teamkollegen Jonas Vingegaard und Primoz Roglic ihn regelrecht stehen ließen, ärgerte aber den Amerikaner.

"Wir haben uns nach dem Angliru zusammengesetzt, miteinander gesprochen und daraufhin die Taktik anders gestaltet", sagte er nach der 18. Etappe. Und die bot tatsächlich ein anderes Bild. Vor allem Vingegaard schlüpfte auf den letzten Kilometern hoch zum Cruz de Linares in die Rolle des Edelhelfers allererster Güte. Als Mikel Landa die enorme Vorarbeit seines Teamkollegen Wout Poels vollenden wollte und davonschoss, setzte der Däne hinterher.

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Er beschleunigte dabei aber nicht abrupt, sondern erhöhte das Tempo in einem Maße, dass den Gesamtführenden Kuss nicht platzen ließ. Und brav führte er seinen Kollegen in Rot an die Ausreißer heran. Roglic verdiente sich in dieser Rennphase zwar keine Meriten als Edelhelfer, der Slowene hielt aber – ganz gegen sein Naturell – die Füße still und fuhr nur brav hinterher. Roglic wie Vingegaard überließen Kuss dann sogar noch die große Bühne.

Wenn aus dem Edelhelfer der Leader wird | Foto: Cor Vos

Als Juan Ayuso (UAE Team Emirates) antrat, Gesamt-Vierter und nominell erster Herausforderer des Jumbo-Trios, bekam Kuss die Gelegenheit, den jungen Spanier einzufangen. Das erste Mal seit Tagen wirkte der Mann in Rot wieder souverän, und nicht erdrückt von den großen Egos seiner Kapitäne.

Vom Zweifler zum Grand-Tour-Sieger

Vingegaard machte dann sogar noch eine ganz große Sache. Er hielt sich im Zielsprint heraus und verlor auf Kuss neun Sekunden. Damit erhöhte er gewissermaßen den Sicherheitsabstand, um nicht am Samstag, wenn es dort bei dem Ritt durch die Sierra de Guadarrama noch einmal eng für Kuss werden sollte, aus Versehen den Kumpel von Platz eins zu verdrängen.

Die defensivere Fahrweise der zwei Großkaliber aus dem Jumbo-Rennstall war das wichtigste und vor allem das sichtbarste Ergebnis der Sitzung nach der Angliru-Etappe. Es deutet zugleich den Wandel von Kuss an. Er ist nicht mehr nur gut auf dem Rad, er stellt auch abseits davon Ansprüche, die seiner Leistung gemäß sind. "Ja, ich habe mich verändert“, stellte er selbst nach der 18. Etappe fest. "Ich bin in diese Saison auf gar keinen Fall mit dem Gedanken reingegangen, ein Leader zu sein. Ich war mit meiner Rolle total zufrieden. Aber dann, während des Rennens hier, änderten sich die Dinge massiv für mich. Früher hatte ich sogar so etwas wie ein Imposter-Syndrom", sagte er. Vom Imposter-Syndrom Betroffene können ihre eigene Leistung nicht richtig würdigen, zweifeln an sich, glauben zuweilen gar, sie hätten sich ihre Erfolge erschlichen.

Vom Zweifler zum Sieger - Sepp Kuss | Foto: Cor Vos

Diese Selbstzweifel führten bei Kuss auch dazu, dass er trotz enormer physischer Leistungen bei seinen letzten fünf Grand Tours – alle am Stück übrigens, nur die Vuelta im Vorjahr beendete er nicht - keinerlei Ambitionen auf eine Kapitänsrolle hatte. Der Gedanke daran, dass ein ganzes Team sich für ihn aufopfert und er dann all diese Mühen auch unbedingt zurückzahlen muss, bremste und beengte ihn.

Teamphilosophie steht über Teamhierarchie

Jetzt bei dieser Vuelta sind diese Zweifel hinweggespült. Und Kuss, der liebe nette Edelhelfer, der mit jedem gut kann und niemals etwas fordert, wurde Tag für Tag zu einem, der eigene Ansprüche auch immer stärker anmeldet.

Das Gros der Radsportgemeinde ist da wohl ganz auf seiner Seite. Die Welle von Unverständnis, die sich auf social media ausbreitete angesichts der Verhaltensweise von Vingegaard und Roglic in den Tagen zuvor, dürfte auch einen Einfluss auf das Entscheidungsprocedere bei Jumbo – Visma gehabt haben. "Wir reden immer mit allen über alles. Das ist unsere Philosophie, zusammen gewinnen", betonte Teamchef Richard Plugge gegenüber Radsport-News.

Roglic schirmt das Hinterrad von Kuss ab im Finale | Foto: Cor Vos

Das Miteinander-Reden hat nun auch Auswirkungen. Sepp Kuss sitzt auf einmal wieder ganz fest im Sattel des Führenden der Vuelta. In Vingegaard, dem er beim Toursieg entscheidende Hilfe gab, hat er nun einen großen Unterstützer. Und Roglic, der auch dank Kuss den Giro gewann, hat zumindest gezeigt, dass er sich zurückhalten kann. Für die Konkurrenz ist das keine gute Nachricht. Sie kann jetzt nicht einmal darauf hoffen, dass sich die drei Jumbo-Cracks gegenseitig aus den Schuhen fahren.

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