Genau 16 Jahre nach dem Tour-Debüt

Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Pech mit der Kette bringt Cavendish um den Rekordsieg"
Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) im Ziel der 7. Tour-Etappe | Foto: Cor Vos

07.07.2023  |  (rsn) – Es hat nicht viel gefehlt, um das Märchen perfekt zu machen. Am 7. Juli 2007 gab Mark Cavendish, damals noch im Trikot von T-Mobile, sein Debüt der Tour de France. Den Prolog in London beendete er als auf Rang 69. Auf den Tag genau 16 Jahre, 14 Teilnahmen an der Frankreich-Rundfahrt oder 213 Etappen später war die Chance da, einen 35. Sieg bei der Tour einzufahren.

Den Sieg, der ihn zum alleinigen Rekordhalter machen würde, denn noch teilt Cavendish sich den Spitzenplatz in der Statistik der meisten Toursiege mit Eddy Merckx. Und ob die Chance nochmal größer wird als auf der 7. Etappe im geschichtsträchtigen Bordeaux, darf bezweifelt werden. Denn dort, wo der inzwischen 38-jährige Brite bei der Tour 2010 die bisher letzte Ankunft gewinnen konnte, fehlte lediglich ein bisschen Glück, um im Finale nicht doch noch von Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) überholt und auf den für Cavendish wertlosen zweiten Platz verwiesen zu werden.

Dem belgischen Überflieger, der nunmehr alle drei Massenankünfte der Tour gewonnen hat, profitierte davon, dass Cavendish auf den letzten 100 Metern technische Probleme hatte. “Als ich losgesprintet bin, ist meine Kette von der 11 auf die 12 gesprungen“, berichtete der Mann von der Isle of Man im Eurosport-Interview über den Moment, als er in Führung liegend mit Philipsen am Hinterrad wieder in den Sattel ging und manch einer bereits schwächelnde Beine oder ein trügerisches Gefühl der Sicherheit vermutet hatte.

“Die gleiche Stelle, an der ich auch 2010 losgefahren bin“

“Ich habe wieder auf die 11 geschaltet und wollte weitersprinten, aber sie fiel wieder auf die 12 und ich musste wieder in den Sattel. Da kann man nichts machen außer vielleicht hoffen“, schilderte Cavendish die letzten Meter vor der Linie. Die Enttäuschung stand ihm dabei ins Gesicht geschrieben. “Ich bin ein bisschen früher angetreten, als ich eigentlich gewollt hätte. Aber eigentlich war es die gleiche Stelle, an der ich auch 2010 losgefahren bin“, erinnerte er sich.

Lange Zeit sah es gar nicht so aus, als könnte Cavendish überhaupt in den Sprint eingreifen. Gut einen halben Kilometer vor dem Ziel lag er noch weit hinter den anderen Aspiranten für den Tagessieg. Dann hatte Cees Bol seinen Auftritt. “Cees! Er ist fantastisch, wie ein Killer. Er tut, was getan werden muss. Reibungslos. Er war da. Er hat mich nach vorn gefahren. Wenn er merkt, dass er früher ran muss als bei einem normalen Leadout, um mich in die richtige Position zu fahren, dann macht er das. Er hat perfekte Arbeit geliefert“, lobte er seinen niederländischen Anfahrer.

Doch viel mehr Gutes vermochte der Mann, der bisher 162 Profi-Siege auf seinem Konto hat, im Ziel-Interview dann nicht mehr finden. “Ich bin bitter enttäuscht. Ich geh' jetzt rein“, sagte Cavendish und verschwand im Bus. “Sorry, dass ich nichts Positives sagen kann“, antwortete er noch auf eine entsprechende Frage.

Eine vorzeitige Kapitulation war das allerdings noch nicht. “Es ist wie es ist. Wir werden es weiter versuchen“, sagte Cavendish, und es klang nach mehr als reiner Durchhalteparole, wenngleich er wissen dürfte, dass die Möglichkeiten weniger werden, den ominösen 35. Sieg einzufahren. Das morgige Teilstück dürfte genau wie die Etappen 10 und 12, wenngleich sie flache Finals aufweisen, letztlich doch zu schwer sein. Blieben also das elfte Teilstück nach Moulins, die 19. Etappe nach Poligny, wobei die auch mit leicht ansteigender Zielgerade daherkommt. Und das Finale in Paris.

Dass er Grand-Tour-Schlussetappen gewinnen kann, bewies Cavendish übrigens zuletzt heute vor 40 Tagen, als er in Rom die letzte Etappe des Giro d'Italia für sich entschied. Und auch Paris ist für ihn ein gutes Pflaster. Von 2009 bis 2012 gewann er dort viermal in Serie. Vier Triumphe kann auf den Champs-Élysées kein anderer Sprinter aufweisen, schon gar nicht in Serie.

Gelingt der große Coup auf den Champs-Élysées?

Abschreiben wird “Cav“ so oder so keiner. Auch nicht der Tagessieger. “Mark war richtig stark heute. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn er gewonnen hätte. Er ist da, in guter Form, und wird es weiter versuchen“, meinte Philipsen. Der Belgier hatte einmal mehr Glück – oder kein Pech – dass weder ein Protest von Astana noch von Intermarché erfolgte, nachdem sich der 25-Jährige wieder ausgesprochen resolut durchgesetzt hatte. “Mich hat er nicht behindert, aber er kam von links nach rechts. Es ist nicht an mir, darüber zu diskutieren“, sagte Cavendish.

Vielmehr versuchte er, sich mit Galgenhumor über die verpasste Chance zu retten. “Die meisten Fahrer, mit denen ich damals gefahren bin, sind inzwischen vermutlich Großväter“, beantwortete er eine Frage nach dem größten Unterschied zwischen dem Jetzt und seinen ersten Jahren. Aber vielleicht ist es am Ende doch Cavendish, der zuletzt lacht.

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.06.2023Van Aert kritisiert Netflix-Serie: “Zielt auf Aufreger ab“

(rsn) – Am vergangenen Donnerstag ist die von vielen Fans lange erwartete Netflix-Serie ´Tour de France: Unchained´ veröffentlicht worden, die hinter die Kulissen der Frankreich-Rundfahrt 2022 bl

02.03.2023Trailer zur Netflix-Serie über die Tour de France veröffentlicht

(rsn) – Den Titel, “Tour de France: Unchained“, hatte Netflix bereits vor einigen Tagen veröffentlicht. Jetzt folgte auch der erste Trailer zu der Doku-Serie, die aus acht Teilen bestehen und v

16.12.2022Sagan hat van Aert noch nicht vergeben

(rsn) – In einem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung Gazzetto dello Sport hat Peter Sagan (TotalEnergies) deutlich gemacht, dass er Wout van Aert (Jumbo – Visma) noch nicht für dessen ve

23.11.2022Aktivisten der “Letzten Generation“ bekommen 500-Euro-Strafe

(rsn) – Dreimal kam das Peloton bei der Tour de France 2022 aufgrund von Protesten durch Klima-Aktivisten und Klima-Aktivistinnen kurz zum Stillstand: Zunächst auf der 10. Etappe auf dem Weg nach M

17.11.2022Pogacar: “Evenepoel ist vielleicht sogar stärker als ich“

(rsn) – Mit nicht weniger als 16 Siegen war Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auch im Jahr 2022 eine der dominierenden Figuren des Radsports. Der 24-jährige Slowene gewann bedeutende Eintagesrennen

03.11.2022CAS bestätigt Quintanas Tour-Disqualifikation

(rsn) - Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat die Entscheidung des  Radsportweltverbands UCI bestätigt, der Nairo Quintana (Arkea – Samsic) nachträglich von der Tour de France 2022 disquali

29.08.2022Geschke: “Jedes Bergtrikot am Straßenrand motivierte mich“

(rsn) - Ganz allein erreichte Simon Geschke, der Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, das Ziel der finalen 4. Etappe in Stuttgart. Der Freiburger kam 7:07 Minuten nach Tagessieger Pello Bilbao (

13.08.2022Von Corona genesen: Froome und Woods starten bei Vuelta

(rsn) – Sowohl Chris Froome als auch Teamkollege Michael Woods haben sich von ihrer Corona-Infektion erholt, die sie sich bei der Tour de France zugezogen hatten. Die beiden Fahrer von Israel - Prem

05.08.2022Zwei Wochen vor Vuelta-Start: Roglic trainiert wieder

(rsn) – Zwei Wochen vor dem Start der Vuelta a Espana hat Primoz Roglic wieder das Straßentraining aufgenommen. Der dreimalige Gesamtsieger der Spanien-Rundfahrt war auf der 5. Etappe der Tour de

31.07.2022Van Vleuten auf völlig anderem Level - wie geht das?

(rsn) – Der Solo-Coup von Annemiek van Vleuten (Movistar) auf der Königsetappe der Tour de France der Frauen hat bei den Beobachtern einmal mehr für große Augen und offene Münder gesorgt. Die 3

31.07.2022Von einem “toten Fisch“ und völlig leergefahrenen Körpern

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen hat für riesige Abstände unter den Protagonistinnen gesorgt. Annemiek van Vleuten (Movistar) scheint ihren Gesamtsieg schon vorzeitig perfek

31.07.2022Bittere Tränen in ´Le Markstein´: Koch verpasst Tour-Zeitlimit

(rsn) – Die Königsetappe der Tour de France der Frauen und das schier unglaubliche Solo der Annemiek van Vleuten (Movistar) zum Sieg auf der malerischen Panoramastraße Route des Cretes hat einigen

Weitere Radsportnachrichten

07.05.2024Giro-Posse: UCI verbietet Pogacar die lila Hose zum Rosa Trikot

(rsn) – Tadej Pogacar hat auf der 4. Etappe des Giro d´Italia am Dienstag offenbar der Wechsel seines Kleidungsstücks vor einer Disqualifikation durch die UCI-Jury bewahrt. Die nämlich sah in im

07.05.2024Das ´kleine Sanremo´ und die Freude, es überlebt zu haben

(rsn) - Die 4. Etappe von Acqui Terme nach Andora hielt ein Finale bereit, das alle an Mailand-Sanremo erinnerte. Manche freuten sich darüber. "Oh, ich kenne hier fast jeden Meter. Es war schön, mal

07.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

07.05.2024Eine Hommage an ´Super Mario´

(rsn / ProCycling) – Nachdem auf der 4. Etappe der Fokus auf der Westseite lag, richtet sich nun die Aufmerksamkeit auf die Ostseite der Ligurischen Küste. Die Organisatoren hätten die Strecke noc

07.05.2024Ewan kritisiert mangelhafte Teamarbeit bei Jayco - AlUla

(rsn) – Einer war sauer und ließ das auch im Interview nach der Etappe raus. Allerdings nicht in besonderem Maße auf die Streckenführung, weil das vierte Teilstück des Giro d’Italia kurz nach

07.05.2024Bauhaus liefert beim Giro gerne rund um Sanremo ab

(rsn) – Allzu oft lief es in dieser Saison noch nicht rund bei Phil Bauhaus (Bahrain Victorious). Natürlich war da der Etappensieg auf dem dritten Teilstück von Tirreno-Adriatico. Und die 1. Etapp

07.05.2024Highlight-Video der 4. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Jonathan Milan (Lidl – Trek) hat die 4. Etappe des 107. Giro d’Italia gewonnen. Der Italiener setzte sich über 190 Kilometer von Acqui Terme nach Andora im Massensprint knapp vor dem Au

07.05.2024Merlier: “Ich bin froh, dass ich noch am Leben bin“

(rsn) – Jonathan Milan (Lidl – Trek) hat am vierten Tag des 107. Giro d’Italia nicht nur für den ersten Sieg eines Italieners gesorgt, sondern sich auch das Maglia Ciclamino gesichert, das er b

07.05.2024Milan holt sich “Piccolo Milano-Sanremo“ im Massensprint

(rsn) – Jonathan Milan (Lidl – Trek) hat die 4. Etappe des 107. Giro d’Italia im hart umkämpften Massensprint gewonnen. Nach 190 Kilometern zwischen Acqui Terme und Andora setzte er sich bei de

07.05.2024Nach zwei Stürzen ist der Giro für Girmay beendet

(rsn) – Nach seinem dritten Platz auf der 3. Giro-Etappe hatte sich Biniam Girmay (Intermarché - Wanty) mit Blick auf die kommenden Aufgaben ausgesprochen optimistisch gezeigt. Knapp 60 Kilometer v

07.05.2024Vingegaard ist wieder zurück auf dem Rad

(rsn) – Erstmals seit seinem schweren Sturz am 4. April bei der Baskenland-Rundfahrt hat Jonas Vingegaard eine Trainingseinheit im Freien absolviert. In einem von seinem Team Visma – Lease a Bike

07.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 4. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)