Giro-Etappensieg nur geringer Trost

Statt Fluchtversuch düpierte Yates die Favoriten im Finale

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Statt Fluchtversuch düpierte Yates die Favoriten im Finale"
Simon Yates jubelt über den sechsten Giro-Etappensieg seiner Karriere | Foto: Cor Vos

21.05.2022  |  (rsn) - Am Ende der beinhart ausgefahrenen 14. Etappe konnte Simon Yates (BikeExchange – Jayco) seinen zweiten Etappensieg im Rahmen dieses Giro d’Italia feiern. Der Brite setzte sich am letzten Hügel aus einer vierköpfigen Spitzengruppe ab und fuhr als Solist ins Ziel. Den Sprint der drei Verfolger entschied 15 Sekunden später Jai Hindley (Bora – hansgrohe) vor Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) und Vincenzo Nibali (Astana Qazaqstan) für sich. Carapaz übernahm das Rosa Trikot von Juan Pedro Lopez (Trek – Segafredo), der einen Platz hinter Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) Zehnter wurde.

Yates, der in der Gesamtwertung weit zurück liegt, hatte sich die Etappe zwischen Santena und Turin zwar markiert, seine angedachte Taktik sah aber ursprünglich komplett anders aus. "Mein Plan war eigentlich in die Fluchtgruppe zu kommen. Aber es hat nicht funktioniert. Deshalb haben wir die Taktik geändert“, erklärte der Engländer, der die Gruppe des Tages trotz mehrerer Versuche verpasst hatte.

Rund 75 Kilometer vor dem Ziel wendete sich das Blatt allerdings überraschenderweise. “Bora hat dann die Initiative ergriffen und ich habe mein Bestes gegeben, um dranzubleiben“, so Yates, der zur Rennmitte zeitweise nur noch sechs Fahrer in seiner Gruppe hatte. Letztendlich dezimierte Bora das Feld auf dreizehn Fahrer, zu denen auch der Tagessieger gehörte.

Bora hielt das Tempo hoch und am Colle della Maddalena (2.Kat.) teilte sich die Gruppe. Yates gehörte zu den besten vier Fahrern und setzte 4,5 Kilometer vor dem Ziel die entscheidende Attacke. “Ich kam her, um das Rennen zu gewinnen“, gab sich der 29-Jährige immer noch enttäuscht, nachdem er vor drei Tagen im Schlussanstieg nach Blockhaus seine Ambitionen in der Gesamtwertung einbüßen musste. "Ich habe schon fünf Etappensiege gehabt, das ist jetzt der sechste“, meinte er trocken auf die Frage, ob der Erfolg ein wenig Balsam für seine Seele ist.

Das bestimmende Team des Tages kam aus Deutschland, genauer gesagt aus Raubling. "Wir hatten einen mutigen Plan, wollten es früh probieren“, erklärte Hindley, angesprochen auf die Offensive seiner Mannschaft in der zweiten Rennhälfte. Am schweren Rundkurs um Turin übernahmen sie die Tempoarbeit und reduzierten das Feld auf wenige Fahrer. Doch unter dem Strich konnten sie dadurch nicht viel gewinnen. Von den besten Zehn im Klassement hatten nur Alejandro Valverde (Movistar) und Guillaume Martin (Cofidis) den Sprung in die Gruppe verpasst. Wilco Kelderman (Bora – hansgrohe) zeigte eine tolle Leistung im Dienst der Mannschaft, verlor dadurch im Finale aber 8:04 Minuten auf Yates und fiel im Klassement über zehn Minuten zurück. Auch Buchmann musste als Neunter 1:10 Minuten preisgeben.

Nur Hindley gewann eine Sekunde auf Carapaz, 24 Sekunden auf Joao Almeida (UAE Team Emirates), der Sechster wurde und 36 Sekunden auf den Tagessiebten Mikel Landa (Bahrain Victorious). Aber auch der Australier war nicht zu hundert Prozent zufrieden. "Ich bin natürlich enttäuscht, dass es nicht für den Sieg gereicht hat. Wir haben aber gezeigt, dass wir nicht nur mitfahren werden“, meinte der 26-Jährige.

Die nur 147 Kilometer lange Etappe durchs Mittelgebirge sorgte für enorme Zeitunterschiede, die zu großen Verschiebungen im Klassement führten. Carapaz ist der neue Mann in Rosa, sieben Sekunden hinter ihm liegt Hindley auf Position zwei. Almeida bleibt Dritter, er hat nun 30 Sekunden Rückstand. Lopez fiel vom ersten auf den neunten Rang zurück. Martin verlor sieben Plätze und wird als Zwölfter geführt. Buchmann schob sich am Spanier und am Franzosen vorbei, musste seinerseits aber den Tagesachten Pello Bilbao (Bahrain Victorious) passieren lassen. Der Deutsche verbesserte sich somit auf Position sieben im Klassement.

Das Bergtrikot bleibt auf den Schultern von Diego Rosa (Eolo – Kometa), der früh im Rennen als Ausreißer einige Punkte gewann. Arnaud Démare (Groupama – FDJ) bleibt im Punktetrikot und neben Rosa verlor Lopez auch Weiß. Almeida, der das Trikot bereits vertretungsweise trug, ist nun auch auf dem Papier der beste Nachwuchsfahrer des Giro.

So lief das Rennen:

Bei bestem Wetter begann das Peloton das Rennen wie von der Hummel gestochen. Bei hohem Tempo versuchten zahlreiche kleine und große Gruppen sich vom Feld zu lösen. Obwohl keine Mannschaft das Feld kontrollierte, konnte sich lange niemand absetzen. Der Führende in der Bergwertung, Rosa, sicherte am Il Pilonetto (3.Kat.) die neun Punkte.

Während hinten unter anderem Mark Cavendish (Quick-Step Alpha Vinyl) und Vortagessieger Demare zurückgefallen waren und der ehemalige Gesamtwertungsgewinner Tom Dumoulin (Jumbo – Visma) das Rennen sogar aufgegeben hatten, formte sich nach 66 Kilometern eine zwölfköpfige Ausreißergruppe um Rosa, Ben Zwiehoff (Bora – hansgrohe), Joe Dombrowski (EF Education – EasyPost) und Ivan Ramiro Sosa (Movistar), der mit 7:39 Minuten Rückstand der in der Gesamtwertung am besten platzierte in der Spitze war.

Nachdem der Rückstand des Feldes auf drei Minuten angewachsen war, übernahm Bora dort das Kommando. Sie reduzierten das Verfolgerfeld in kürzester Zeit auf knapp dreißig Fahrer und den Vorsprung der Spitzengruppe. Kurz vor der ersten Passage an der Ziellinie, 72 Kilometer vor Ende, teilte sich auch diese Gruppe. Nur noch sieben Fahrer waren vorn, der Rest des Pelotons fuhr zersplittert dahinter. Drei Kilometer später holte die Bora-Gruppe die Spitzenreiter ein. Joao Almeida (UAE Team Emirates), Guillaume Martin (Cofidis) und Alejandro Valverde (Movistar) hatten den Sprung in diese Gruppe verpasst.

65 Kilometer vor dem Ziel schaffte Almeida den Anschluss an die fünfzehn Spitzenreiter im Superga-Anstieg (2.Kat.). Bora hatte inzwischen alle Helfer verbraucht und so sorgte Kelderman für das Tempo. Der Niederländer konnte Martin und Valverde weiter distanzieren und sich sowohl an der Superga als auch am Colle della Maddalena (2.Kat.) die maximalen 18 Punkte vor Hindley und Buchmann sichern.

Hindley setzt die Bora-Attacke fort

Mit noch 32 zu fahrenden Kilometern, kurz nach dem Beginn der Schlussrunde musste Kelderman an der Superga die Segel streichen. Sein Teamkollege Hindley setzte sofort eine Attacke. Die Gruppe zerfiel in mehrere Teile, kam aber wieder zusammen, bis sich Carapaz 28 Kilometer vor dem Ziel mit einer beeindruckenden Attacke absetzte. Wenige Sekunden zuvor musste Lopez die Gruppe fahren lassen.

Am Fuße der Maddalena, die Carapaz mit 25 Sekunden Vorsprung in Angriff nahm, attackierte Nibali. Hindley konnte folgen und den Italiener wenig später hinter sich lassen. Als der Australier den Spitzenreiter erreichte, folgte allerdings eine Phase der Uneinigkeit, wodurch sowohl Nibali als auch Yates erneut Anschluss fanden.

In der folgenden Abfahrt belauerte sich das Quartett, doch an der letzten Steigung, an der es keine Punkte zu verdienen gab, setzte sich Yates mit einer kraftvollen Attacke ab. Seine Begleiter konnten ihm nicht folgen und mussten sich 15 Sekunden nach dem Solosieger im Sprint mit Position zwei, drei und vier zufriedengeben.

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