Vom treuen Gregario zum Podiumsfahrer

Caruso: “Nun kann ich eine schöne Geschichte erzählen“

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Caruso: “Nun kann ich eine schöne Geschichte erzählen“"
Damiano Caruso (Bahrain Victorious) | Foto: Cor Vos

29.05.2021  |  (rsn) – Der Giro d’Italia zählt nicht nur zu den drei großen Landesrundfahrten des Radsportjahres, vor allem für die Bewohner der Apenninhalbinsel ist es eine Herzensangelegenheit. ‘Amore Infinito‘ ist nicht nur ein Schlagwort für die Bewerbung des Rennens, sondern schildert auch die unendliche Liebe der Italiener zum Radsport. Auch wenn der Fußball, wie in fast allen Ländern der Welt die klare Nummer eins ist, so hüllt sich ganz Italien jeden Mai drei Wochen in Rosa.

Und so sehr schmerzte es die italienischen Fans, dass sie ganze vier Jahre lang warten mussten, bis wieder einer der ihren, um das Maglia Rosa mitfuhr. Auch wenn Damiano Caruso (Bahrain – Victorious) vor dem abschließenden Zeitfahren 1:59 Minuten auf Leader Egan Bernal (Ineos Grenadiers) fehlen, so sorgte der 33-Jährige nach einer vierjährigen Pause wieder dafür, dass ein Italiener in Mailand auf dem Podium stehen wird.

Die lange Suche nach einem Nachfolger für Vincenzo Nibali (Trek – Segafredo), der nach seinem Handgelenksbruch vor anderthalb Monaten erneut nicht um eine Topplatzierung mitkämpfen konnte, endete mit einer Überraschung. Nicht die jungen Kronprinzen wie Giulio Ciccione (Trek – Segafredo), Fausto Masnada (Deceuninck – Quick Step) oder Davide Formolo (UAE Team Emirates) sprangen für den Altstar in die Bresche, sondern einer, der als treuer Helfer bekannt ist, nämlich Caruso.

Denn der 33-Jährige ging in den Giro als Helfer des Spaniers Mikel Landa. Aber nachdem sein Kapitän schon auf der 5. Etappe in einen Sturz verwickelt war und die Rundfahrt vorzeitig verlassen musste, folgte der Aufstieg des Sizilianers vom treuen Gregario zum Leader einer Mannschaft bei einer Grand Tour. "Der größte Unterschied ist der Druck, ein Ergebnis abliefern zu müssen. Meine bisherige Karriere habe ich als Helfer verbracht. Auch da hast du deine Verantwortungen deinem Kapitän gegenüber", erklärte der Italiener auf der Pressekonferenz nach der 20. Etappe.

Wenige Minuten zuvor belohnte er seine starke Leistung der letzten drei Wochen mit einem Etappensieg auf der Alpe Motta. Der große Außenseiter verwies mit einem mutigen Angriff schon am Splügenpass 55 Kilometer vor dem Ziel alle Gesamtwertungsfavoriten auf die Plätze. "Ich kenne meine Fähigkeiten und weiß was ich draufhabe", schilderte der 33-Jährige aus Ragusa. 

Seinen frühen Angriff im Rennen hatte er zwar nicht geplant, aber die Erfahrung an der Seite von Kapitänen wie Ivan Basso, Nibali oder Cadel Evans half ihm, seine Möglichkeit für einen Tagessieg zu erkennen: "Du musst ein Rennen lesen können. Als wir merkten, wie DSM beschleunigte, entschieden wir uns, auch etwas zu tun."

Ein beliebter Fahrer im Peloton

Gemeinsam mit Pello Bilbao jagte er der Ausreißergruppe nach, fand in Romain Bardet (Team DSM) einen starken Verbündeten und hielt einen knappen Vorsprung auf die Favoriten - angeführt von Ineos Grenadiers - bis ins Ziel aufrecht. Als sein spanischer Teamkollege seinen Dienst getan hatte und ausscherte, bedankte sich Caruso mit einem Klopfer auf dessen Rücken. Oft genug hatte er selbst in der Situation gesteckt, alles für seinen Kapitän zu geben bis zur völligen Erschöpfung.

"Ich wollte mich sofort bedanken. Diesen Gefallen, den er mir hier getan hat, wird er zurückbekommen", versprach der Italiener, der die Arbeit seines Teamkollegen mit dem Tagessieg vollendete. "Ich habe in meinem Leben immer versucht ein guter Mann zu sein. Jene Werte, die für mich im täglichen Leben zählen, habe ich auch immer in meinen Beruf mitgenommen."

Wohl auch darum zählt Caruso zu den beliebtesten Fahrern im Feld, ein Gentleman und einer, der alles für seine Kollegen und Kapitäne opfert. Im letzten Jahr beendete er die Tour de France als Zehnter und erreichte auch schon bei den anderen beiden großen Landesrundfahrten die Top Ten der Gesamtwertung. Doch zumeist gab er seine eigenen Chancen auf mehr zugunsten eines anderen auf.

Noch 30 Zeitfahrkilometer trennen Caruso vom Podium

Auch hier in Italien ging er nicht als Leader in die Rundfahrt. Das Selbstvertrauen, etwas zu probieren, holte er sich auf der schweren Toskana-Etappe von Perugia nach Montalcino. "Vor diesem Tag hatte ich am meisten Angst. Auf dem Schotter brauchst du nicht nur gute Beine, sondern auch Glück. Ein Defekt kann viel Zeit kosten", blickte er auf die 11. Etappe des diesjährigen Giro zurück. 26 Sekunden verlor er dort nur auf Bernal, gewann aber die Zuversicht, es nun in Richtung Gesamtwertungspodium zu probieren.

"Ich wusste ich kann noch mehr. Ich war ruhig, hatte aber noch etwas in der Hinterhand", meinte Caruso, der vor allem in der dritten Woche bärenstark wirkte am Berg. Mit dem Etappenerfolg sicherte er sich nun den bislang größten Sieg seiner Karriere. Nun trennen ihn noch 30 Zeitfahrkilometer vom Podium in Mailand. Und der Sizilianer kann voller Selbstvertrauen in den abschließenden Kampf gegen die Uhr gehen, gilt er als bester Zeitfahrer der aktuellen Top 3.

"Ich weiß wie hart ich in der Vergangenheit gearbeitet habe. Heute wollte ich unbedingt gewinnen und dieses Resultat habe ich auch meiner harten Arbeit zu verdanken. Was in der Zukunft noch alles passieren wird, werden wir sehen. Nun aber kann ich eine schöne Geschichte erzählen", strahlte der Bahrain-Profi abschließend, der seinen Tageserfolg seiner Familie und seinem Team widmete und auch, wie wenige Tage zuvor Alberto Bettiol (EF Education – Nippo), seinen im letzten Jahr verstorbenen Manager Mauro Battaglini nicht vergaß: "Dieser Sieg ist auch für ihn."

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.06.2021Buchmann startet bei der Tour von allen Fesseln befreit

(rsn) - Ursprünglich war Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) nicht für die diesjährige Tour de France vorgesehen. Doch nach seinem schweren Sturz und dem dadurch erzwungenen Ausscheiden beim Giro

31.05.2021Almeida: Sechster statt Vierter, aber trotzdem besser als 2020

(rsn) - Die Platzziffer am Ende des 104. Giro d'Italia war schlechter, als bei der 103. Auflage des Rennens, doch die Leistung von Joao Almeida (Deceuninck – Quick-Step) durfte man in den vergangene

31.05.2021Rosa nimmt Bernal endlich die große Last von Gelb

(rsn) – Der Sonntagnachmittag in Mailand war emotional für Egan Bernal. Am Ende des 30 Kilometer langen Abschlusszeitfahrens richtete er sich auf, breitete die Arme aus und rollte erleichtert über

31.05.2021White: Yates´ Tour-Teilnahme ist “höchst wahrscheinlich“

(rsn) – Schlecht war das Ergebnis von Simon Yates (BikeExchange) beim 104. Giro d´Italia nicht: Rang drei in der Gesamtwertung, er stand auf dem Podest. Und doch war es nicht das, wofür er vor dre

31.05.2021Walscheid: “Bin super zufrieden mit den drei Wochen“

(rsn) – Mit gleich drei Etappensiegen durch Mauro Schmid, Giacomo Nizzolo und Victor Campenaerts war Qhubeka Assos eine der Überraschungsmannschaften beim Giro d`Italia. Nur Ineos Grenadiers hatte

30.05.2021Sturz kostet Cavagna möglichen Sieg in Mailand

(rsn) - Rémi Cavagna (Deceuninck - Quick-Step) hätte das Abschlusszeitfahren des 104. Giro d'Italia in Mailand gewinnen können. Zumindest wäre es äußerst knapp zwischen ihm und dem vorher per De

30.05.2021Video: Bernals letzte Meter auf dem Weg zum Giro-Sieg

(rsn) - Mit dem Tagessieg vor dem Mailänder Dom hatte Egan Bernal (Ineos Grenadiers) erwartungsgemäß nichts mehr zu tun. Doch der Kolumbianer hat im Abschlusszeitfahren des 104. Giro d´Italia das

30.05.2021Ganna gewinnt Zeitfahren trotz Platten vor gestürztem Cavagna

(rsn) - Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) hat das abschließende Zeitfahren des Giro d’Italia in Mailand für sich entschieden. Der Italiener gewann nach 30,3 Kilometern vor Rémi Cavagna (Deceuninck

30.05.2021Bernal feiert Gesamtsieg, Ganna gewinnt Abschlusszeitfahren

(rsn) - Egan Bernal (Ineos Grenadiers) hat sich am Schlusstag des 104. Giro d`Italia sein Rosa Trikot nicht mehr abnehmen lassen und sich zum ersten Mal in seiner Karriere den Gesamtsieg der Italien-

30.05.2021Die Renneinsätze der deutschsprachigen Fahrer

(rsn) - Die Radsportsaison 2021 ist trotz der Corona-Pandemie in vollem Gang. Wir liefern Ihnen zu Beginn jeder Woche eine Aufstellung über die Einsätze der Profis aus Deutschland, Österreich, der

30.05.2021Bernal: “Nur mein Name auf der Giro-Trophäe zählt“

(rsn) – Erstmals ging Egan Bernal (Ineos Grenadiers) als Leader in die Schlusswoche einer der drei großen Landesrundfahrten. Nach 20 der 21 Etappen des Giro d’Italia hat er mit 1:59 Minuten auf d

30.05.2021Caruso war für Bardet Hilfe und Problem zugleich

(rsn) – Falls im abschließenden Zeitfahren keine Sensation passiert, wird das deutsche Team DSM den 104. Giro d’Italia ohne Tageserfolg verlassen. Nach einer schwierigen ersten Woche präsentier

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Überblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

02.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

01.05.2024Highlight-Video des 61. Eschborn-Frankfurt

(rsn) – Maxim Van Gils (Lotto – Dstny) hat die 61. Ausgabe von Eschborn – Frankfurt (1.UWT) gewonnen. Der 24-jährige Belgier setzte sich über 203,8 Kilometer von Eschborn nach Frankfurt im Spr

01.05.2024Bergkönig Degenkolb feiert in Frankfurt erst nach tiefem Frust

(rsn) - Neben Sieger Maxim Van Gils (Lotto Dstny) war John Degenkolb (dsm–firmenich - PostNL) der Mann des 61. Eschborn - Frankfurt. Der Lokalmatador war 150 Kilometer als Ausreißer unterwegs und k

01.05.2024In der Übersicht: Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

01.05.2024Schachmann düste von der Alten Oper direkt zum Flughafen

(rsn) - Nach dem hessischen Klassiker ist vor dem Giro – zumindest für Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe). Der zweimalige Deutsche Meister musste sich nach der Zieleinfahrt in Frankfurt, be

01.05.2024Deutsche Talente verpassen es, sich in Szene zu setzen

(rsn) - Für die deutschen Fahrer und Teams gab es bei der U23-Variante von Eschborn - Frankfurt (1.2u) nichts zu holen. Nach 129 Kilometern und zwei Feldberg-Überquerungen machte eine international

01.05.2024Highlight-Video der 4. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Kristen Faulkner hat bei der 10. Vuelta Femenina für den zweiten Sieg einer Fahrerin von EF Education – Cannondale gesorgt. Nachdem ihre Teamkollegin Alison Jackson den zweiten Abschnit

01.05.2024Bénin: Bike Aid holt sich mit einem Tag Verspätung Gelb

(rsn) - Nachdem Bike-Aid-Fahrer Yoel Habteab zum Auftakt der Tour du Bénin (2.2) das Gelbe Trikot noch verwehrt blieb, weil ihm der Etappensieg genommen und er hinter Azzedine Lagab auf Platz zwei z

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine