Belgier verpasst märchenhaften Abschied in Roubaix

Boonen: "Ich habe genug Ehrenrunden gedreht"

Von Lorenz Rombach

Foto zu dem Text "Boonen:
Tom Boonen und Paris-Toubaix - die Geschichte einer großen Radsport-Liebe ging am Sonntag zu Ende. | Foto: Cor Vos

10.04.2017  |  (rsn) – Am 14. April 2002 bog der damals gerade einmal 21 Jahre alte Tom Boonen drei Minuten hinter seinem Landsmann Johan Museeuw Seite an Seite mit Steffen Wesemann ins Radstadion von Roubaix ein und bewies mit seinem dritten Platz bei Paris-Roibaix sein enormes Potenzial auf dem Pavé. In den folgenden Jahren sicherte sich Boonen vier Mal den Sieg bei der "Königin der Klassier" - damit ist er gemeinsam mit Roger De Vlaeminck Rekordhalter.

Am gestrigen Sonntag nun ging an jenem Ort, wo vor 15 Jahre Boonens Stern aufging, eine lange und erfolgreiche Karriere mit einem ernüchternden 13. Platz zu Ende. Der fünfte Pflasterstein blieb dem 36-Jährigen verwehrt – ein kleines Manko in einer großartigen Karriere.

"Ein sechster Platz (im Sprint der Verfolger) bedeutet nicht viel. Wir sind den ganzen Tag nur hinterhergefahren. Als wir losgesprintet sind, dachte ich: Für was? Ich war froh, dass ich in dieser Position war, aber ich bin nicht um den Sieg mitgefahren. Den ganzen Tag schon lief es nicht wirklich rund", konstatierte Boonen nach dem letzten Rennen seiner Karriere gegenüber den belgischen Sportsender Sporza.

Bereits im Juli des vergangenen Jahres hatte Boonen angekündigt, dass er seine Karriere dort beenden würde, wo alles begann, bei "seinem“ Paris-Roubaix. So ziemlich jeder im Feld hätte dem sympathischen "Tommeken" zum Abschied einen letzten Triumph gegönnt. Es sollte jedoch nicht sein.

Dabei begann die Saison planmäßig: Bei der Tour de San Juan in Argentinien gewann Boonen eine Etappe und verhalf seinen Teamkollegen Maximiliano Richeze und Fernandro Gaviria zu weiteren Erfolgen. Früh war klar: Mit Boonen würde bei den Klassikern zu rechnen sein. Doch in den ersten Rennen auf dem geliebten Kopfsteinpflaster lief nicht viel zusammen für den Quick-Step-Floors-Kapitän.

Nach einem Sturz gab Boonen zur Eröffnung der Klassikersaison in Belgien Omloop Het Nieuwsblad enttäuscht auf, eine Magenverstimmung verhinderte tagsdrauf einen Start bei Kuurne-Brüssel-Kuurne. Platz acht bei E3 Harelbeke und Rang sechs bei Gent-Wevelgem zeigten in den folgenden Wochen zwar, dass der Altmeister auch auf dem Kopfsteinfplaster noch zu den Besten gehört. Doch blieb die Frage: Würde es für die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix reichen?

Bei seiner letzten "Ronde“, wo er 2005, 2006 und 2012 drei Siege feierte, initiierte der Liebling der belgischen Fans an der berühmten Mauer von Geraadsbergen die vorentscheidende Selektion, nur um später durch gleich zwei Defekte an "seinem Taaienberg", auch Boonenberg genannt, aus dem Rennen geworfen zu werden. Doch Boonen trug die Pleite mit Fassung und betonte stets, dass er nur ein Ziel vor Augen habe: den fünften Triumph im Radstadion von Roubaix.

Nachdem er bei den vorherigen Rennen viele Helferdienste übernommen hatte und unter anderem seinen Teamkollegen Philippe Gilbert dessen-Flandern-Sieg vorbereitete, sollte er bei der "Königin der Klassiker“ als alleiniger Kapitän seiner Mannschaft antreten.

Am Ende war es jedoch sein Teamkollege Zdenek Stybar, der im Velodrome von Roubaix um den Sieg sprintete und nur vom stärksten Mann der diesjährigen Klassikersaison, Greg Van Avermaet (BMC), geschlagen wurde. Boonen kam zwölf Sekunden dahinter mit der ersten Verfolgergruppe ins Ziel - auf einem für ihn enttäuschenden 13. Platz.

Dabei war es keineswegs so, als hätte der Belgier seinem Lieblingsrennen nicht auch diesmal seinen Stempel aufgedrückt. Bereits im Sektor 20 in Haveluy, gut 100 Kilometer vor dem Ziel, forcierte er das Tempo, als einige der Favoriten wie Van Avermaet schlecht platziert waren oder durch Stürze aufgehalten wurden. Auch im berühmten Wald von Arenberg sah man Boonen in vorderster Front und der traumhafte Abschied von der großen Bühne des Radsports schien im Bereich des Möglichen. Doch dabei blieb es dann auch.

"Ich habe mich den ganzen Tag über nicht sehr gut gefühlt. In den Sektoren, wo es möglich war zu attackieren, herrschte Gegenwind. Es ist, wie es ist", sagte Boonen und fügte an, dass Quick-Step durchaus nicht ausschließlich nur auf ihn setzte, sondern auch auf Stybar, den Roubaix-Zweiten von 2015. "Dann haben wir seine Karte spielt, die Umstände haben dazu geführt, dass Stybar an der Spitze war", berichtete Boonen, der höchstselbst den Tschechen angewiesen hatte, gut 30 Kilometer vor dem Ziel einer Attacke von Sebastian Langeveld (Cannondale-Drapac) und Jürgen Roelandts (Lotto Soudal) zu folgen, zu der wenige Kilometer danach auch der spätere Sieger Van Avermaet aufschloss.

Doch auch als die siebenköpfige Gruppe mit Van Avermaet, dessen starkem Teamkollegen Daniel Oss, Roelandts, Langeveld, Stybar, Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) und Gianni Moscon (Sky) 20 Kilometer vor dem Ziel 45 Sekunden Vorsprung herausgefahren hatte, war das Rennen für Boonen noch keinesfalls verloren.

"Die Lücke war nie zu groß, um sie nicht noch zu schließen. Wir wurden nicht entscheidend distanziert. Es waren immer 30, 40 Sekunden. Aber das Tempo wurde immer wieder verschleppt. Wir sind nie wirklich hinterherfahren", sagte er. Dabei kritisierte Bonnen vor allem das Verhalten von John Degenkolb (Trek-Segafredo), der letztlich Zehnter wurde: "Ich wurde von John Degenkolb extrem beschattet . Meiner Meinung nach ist er das feigste Rennen seiner Karriere gefahren. Es sehr schade, aber ich habe mich damit abgefunden."

So war es einzig die Lotto Soudal-Mannschaft, die Boonens Hoffnung nährte, im Velodrome doch noch um den Sieg sprinten zu können. Doch Jelle Wallays, Marcel Sieberg und Jürgen Roelandts hatten nicht mehr die nötigen Reserven, um die Lücke zu schließen, und somit blieb dem Weltmeister von 2005 derTraum-Abschied verwehrt.

Auch deshalb wollte Boonen, der in den vergangenen Wochen und natürlich  besonders während der 115. Auflage von Paris-Roubaix im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit stand, im Stadion keine Ehrenrunde mehr drehen. "Ehrenrunden sind für die, die sie sich verdient haben. Ich komme nur her, um zu duschen. Es ist nicht nötig, eine Show daraus zu machen", stellte er lakonisch fest.

Die ganze große Show lieferte Tom Boonen in seiner letzten Profi-Saison nicht mehr ab, doch in die Annalen des Sports wird er trotzdem eingehen. Als er 2002 auf Platz drei fuhr, gewann sein großer Vorgänger Johann Museeuw. 15 Jahre später hat Boonen sein Kindheitsidol und späteren Mentor bei Paris-Roubaix überflügelt. Nun kann er sich dem Leben nach dem Radsport widmen, insbesondere seinen zahlreichen Sportwagen, seiner zweiten großen Leidenschaft.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.04.2017Specialized übernimmt Verantwortung für Terpstras Sturz

(rsn) - Der Rad-Hersteller Specialized hat die Verantwortung für den schweren Sturz von Niki Terpstra (Quick-Step Floors) beim 115. Paris-Roubaix auf sich genommen. Der 32-jährige Niederländer war

11.04.2017Denk: "Mit etwas Glück hätten wir zwei Monumente gewinnen können“

(rsn) - Nach dem 115. Paris-Roubaix wird Peter Sagan (Bora-hansgrohe) eine Rennpause einlegen, die ihm wohl einige Zeit bieten wird, um über die verpassten Chancen bei den drei Monumenten Mailand-San

10.04.2017Boonen beendet seine Karriere ohne einen weiteren Pflasterstein

(rsn) - Alles war angerichtet für den letzten Arbeitstag des Tom Boonen. In den Wochen zuvor hatte sich die mediale Spannung immer weiter gesteigert, bis zum gestrigen Sonntag: der 115. Auflage von P

10.04.2017Für Guardini endete Paris-Roubaix in einer Polizeistation

(rsn) - Nicht im Velodrome von Roubaix, sondern auf einer Polizeistation endete für Andrea Guardini (UAE Emirates) die 115. Auflage von Paris-Roubaix. Der Grund: Der Italiener erhielt nach seinem vor

10.04.2017Diesmal zeigte Paris-Roubaix Hayman seine grausame Seite

(rsn) - Wie im vergangenen Jahr kam Mathew Hayman (Orica-Scott) vor Tom Boonen (Quick-Step Floors) bei Paris-Roubaix ins Ziel im berühmten Velodrome. Doch die Umstände hätten nicht unterschiedliche

10.04.2017Burghardt: "Es ist das eingetreten, was nicht passieren sollte"

(rsn) - "Das Glück war nicht auf unserer Seite.“ Prägnanter als Ralph Denk hätte man aus Sicht des deutschen Bora-hansgrohe-Teams den Verlauf des 115. Paris-Roubaix nicht zusammenfassen können.

10.04.2017Van Avermaet: "Ich bin nicht Boonens Nachfolger"

Roubaix (dpa) - Zwei Belgier standen beim 115. Paris-Roubaix im Mittelpunkt. Olympiasieger Greg van Avermaet (BMC) gewann erstmals in seiner Karriere eines der fünf Radsport-Monumente, Rekords

10.04.2017Degenkolb: "Kann erhobenen Hauptes nach Hause gehen"

(rsn) - Drei Fahrer brachte Trek-Segafredo unter den besten Zehn des 115. Paris-Roubaix - so viele wie kein anderes Team. Aber auf das Podium schafften es weder Jasper Stuyven (4.), Edward Theuns (8.)

09.04.2017Politt: "... gefühlt siebenmal gestorben“

(rsn) - Die Doppelspitze blieb stumpf: Weder Tony Martin noch Alexander Kristoff konnten beim 115. Paris-Roubaix um den Sieg mitkämpfen. Und der Verlauf des 257 Kilometer langen Klassikers passte in

09.04.2017Video vom Finale des 115. Paris-Roubaix

(rsn) - Greg Van Avermaet (BMC) hat sich erstmals in seiner Karriere den Sieg bei Paris-Roubaix gesichert. Der 31-jährige Olympiasieger aus Belgien setzte sich am Sonntag bei der 115. Auflage der "KÃ

09.04.2017Langeveld meldet sich nach zwei erfolglosen Jahren zurück

(rsn) - Paris-Roubaix brachte in der Vergangenheit immer wieder überraschende Namen ins Rampenlicht. Sieger wie zuletzt Mathew Hayman (2016) oder Johan Vansummeren (2011) gingen als Sensationen durch

09.04.2017Stybar tut alles für Boonen - und wird Zweiter

(rsn) - Aus dem ersehnten Traum-Abschied von Tom Boonen wurde nichts. Doch bei der 115. Auflage von Paris-Roubaix war Quick-Step Floors dennoch ganz nah dran am Sieg. Verantwortlich dafür war der Tsc

Weitere Radsportnachrichten

01.04.2025Red Bull verzichtet bei Dwars door Vlaanderen auf Lazkano

(rsn) – Die im Winter runderneuerte Klassikerfraktion von Red Bull – Bora – hansgrohe kommt einfach nicht in Schwung. Stellvertretend dafür steht der mit vielen Vorschlusslorbeeren zu den Raubl

01.04.2025Pedersen auch bei der Ronde-Generalprobe nicht zu stoppen?

(rsn) – Als es beim letztjährigen Dwars door Vlaanderen knapp 70 Kilometer vor dem Ziel zu einem Massensturz kam, verletzten sich mit Wout van Aert (Visma-Lease a Bike), Mads Pedersen, Jasper Stuyv

01.04.2025CIC-Mont Ventoux muss wie bereits im Vorjahr abgesagt werden

(rsn) – Zum zweiten Mal in Folge wird die CIC-Mont Ventoux (1.1) nicht stattfinden können. Bereits im Januar hatten die Organisatoren des französischen Eintagesrennens mit Ziel am legendären Mont

01.04.2025Buchmann liegt im Plan, aber zur Topform fehlt noch ein Stück

(rsn) – Auf Platz 22 beendete Emanuel Buchmann seine Premiere bei der Katalonien-Rundfahrt. Damit befand sich der Cofidis-Neuzugang in guter Gesellschaft zwischen den beiden Visma-Routiniers Wilco K

31.03.2025Tudor auch zum Giro, Q36.5 gibt sein Grand-Tour-Debüt

(rsn) – Kurz nach der Entscheidung des Radsportweltverbands UCI, dass die Veranstalter in der großen Landesrundfahrten in diesem Jahr jeweils drei statt zwei Wildcards verteilen dürfen, hat am Mon

31.03.2025“Großvater“ Kristoff landete fast nochmal auf dem Podium

(rsn) – Zwei Monumente konnte Alexander Kristoff (Uno-X Mobility) in seiner Karriere schon gewinnen, aber auch bei Gent-Wevelgem in Flanders Fields war der mittlerweile 37-jährige Norweger schon e

31.03.2025Jakobsen muss unters Messer und steht vor langer Zwangspause

(rsn) – Spätestens nach der Saison 2022 schien der Horror-Sturz von Fabio Jakobsen (Picnic - PoostNL) aus der Polen-Rundfahrt aus dem Jahr 2020 endgültig vergessen, der heute 28-Jährige fuhr mit

31.03.2025Tudor, TotalEnergies und Uno-X bekommen die Tour-Wildcards 2025

(rsn) – Kaum hat die UCI die Bestätigung einer möglichen dritten Wildcard für die Grand Tours im Jahr 2025 bekanntgegeben, ist auch die ASO als Veranstalterin der Tour de France nun bereits vorge

31.03.2025Wiebes‘ unglaubliche Statistiken: Die Zahlen hinter der “100“

(rsn) – Ihren ersten UCI-Sieg feierte Lorena Wiebes im Jahr 2018. Das war damals im Mai beim Dorpenomloop in Aalburg, einem Rennen, das heute nicht mehr ausgetragen wird. Damals war sie 19 Jahre alt

31.03.2025UCI bestätigt Erweiterung der Grand-Tour-Pelotons auf 23 Teams

(rsn) – Nachdem sich das Professional Cycling Council (PCC) bereits für ein zusätzliches 23. Team bei den Grand Tours ausgesprochen hatte, hat nun auch das UCI Management Komitee die Entscheidung

31.03.2025Kool schafft bei Gent-Wevelgem den Befreiungsschlag

(rsn) – Auch wenn die Weltklasse-Sprinterin Charlotte Kool (Picnic – PostNL) beim überlegenen Sieg von Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) bei Gent-Wevelgem (1.UWT) chancenlos aussah, war die 25-

31.03.2025Keßler holt dritten Platz auf Schlussetappe der Olympia´s Tour

(rsn) - Für die Teams Lotto – Kern Haus – PSD Bank und Rembe – rad-net ist mit unterschiedlichen Gefühlen eine insgesamt erfolgreiche Olympia´s Tour zu Ende gegangen und Run & Race - Wibatech

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine