20-Jährige nach mutigem Angriff lange an der Spitze

Lechner: „...dann nimmt uns Deutsche keiner mehr ernst."

Von Felix Mattis aus Clacton-On-Sea

Foto zu dem Text "Lechner: „...dann nimmt uns Deutsche keiner mehr ernst.
Vera Koedooder (Bigla) und Corinna Lechner (Nationalteam Deutschland / Maxx-Solar) bildeten das Ausreißer-Duo des Tages. | Foto: Felix Mattis

18.06.2015  |  (rsn) - Das hatte sie sich selbst eingebrockt: Nach knapp 45 der 138 Kilometer am zweiten Tag der Aviva Women's Tour befand sich Corinna Lechner (Nationalteam Deutschland) auf dem Weg von Braintree nach Clacton-On-Sea in einer unangenehmen Situation. Die 20-Jährige führte, was ja eigentlich etwas Schönes ist, das Rennen an, aber: Sie war alleine. „Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass noch jemand zu mir nach vorne springt", erklärte sie radsport-news.com später im Ziel am Ärmelkanal.

Lechner hatte sich nach rund 40 Kilometern aus dem bis dahin sehr schnellen Peloton, das mit einem 40er Schnitt durch die englischen Hügel rauschte, gelöst, unglücklicherweise aber keine Begleiterinnen gefunden. „Ich wollte einen Tag richtig vorne mitfahren, und heute gab es einige Attacken, bei denen ich mitgesprungen bin. Dann habe ich mir gesagt: 'Setz doch mal eine Gegenattacke und hoff', dass ein paar mitfahren'", erklärte sie. „Aber die haben nur geguckt und wohl gedacht: Fahr halt mal!"

Klar, das tat die Erfurterin. Was blieb ihr auch anderes übrig? „Ich konnte ja nicht zurückfahren, sonst nehmen die uns Deutsche gar nicht mehr ernst", lachte sie. Zwar war Lechners Fluchtversuch nicht von Erfolg gekrönt, doch die Thringerin war zufrieden. Immerhin zeigte sie sich und das Trikot des Bundes Deutscher Radfahrer, der neben den USA die einzige Nationalmannschaft im Fahrerfeld der sehr professionell organisierten und stark besetzten Rundfahrt stellt, und in dessen Auswahl mit Kathrin Hammes nur eine Fahrerin eines UCI-Eliteteams steht, und zeigte Zähigkeit.

Nach einigen Kilometern an relativ kurzer Leine - das Feld behielt Lechner bei rund 20 Sekunden Abstand meist in Sichtweite - kam die Erlösung. Wie ein ausgewachsener Engel muss die 1,83 Meter große Vera Koedooder mit ihren blonden Locken gewirkt haben, als sich Lechner einmal mehr umdrehte, und die Niederländerin in ihrem weiß-blauen Bigla-Trikot näher kommen sah. „Da war ich glücklich, dass wenigstens eine kommt. Und Vera ist ja schon eine Gute."

In der Folge vergrößerten die beiden ihren Vorsprung auf das Hauptfeld auf bis zu 3:10 Minuten - hauptsächlich durch die Arbeit von Koedooder, die den Großteil der Zeit im Wind fuhr. „Sie ist im Flachen oft 50 km/h gefahren. Das war schon extrem für mich", musste Lechner zugeben. „Aber ich habe es probiert und bin immer wieder auch durch die Führung gegangen."

Der Vorsprung des Duos verkleinerte sich in der zweiten Rennhälfte um mindestens eine Minute, weil Koedooder erst durch einen Plattfuß am Hinterrad sowie anschließend noch einmal durch eine schleifende Bremse gestoppt wurde, und so kehrte Lechner 15 Kilometer vor dem Ziel im Anstieg zur letzten Bergwertung des Tages ins Hauptfeld zurück - nach fast 85 Kilometern an der Spitze. „Das war mein härtestes Rennen dieses Jahr", bilanzierte die 20-Jährige zufrieden: „Ich habe mein Bestes gegeben."

Koedooder behauptete sich noch elf Kilometer länger, wurde gut 3.000 Meter vor dem Ziel aber ebenfalls gestellt. Die Niederländerin von Bigla durfte deshalb als kämpferischste Fahrerin zur Siegerehrung, das breitere Grinsen hatte nach dem Rennen aber Lechner im Gesicht - wobei das bei der deutschen Junioren-Zeitfahrmeisterin von 2012 nichts zu sagen hat, denn sie scheint selbst bei der größten Anstrengung noch zu lächeln.

Ob ihr Ausreißerlächeln in den verbleibenden drei Tagen noch einmal zu sehen sein wird? „Ich kann es schon nochmal probieren. Vielleicht nicht morgen, aber wenn es sich ergibt mit einer größeren Gruppe - vielleicht geht es ja dann gut aus..."

Während Lechner an der Spitze für Furore sorgte, machten auch ihre Teamkolleginnen weiter hinten einen guten Eindruck. Im Finale, als die Ausreißerin kurz davor war, eingeholt zu werden, saßen beispielsweise Pohl und Lisa Küllmer direkt hinter der die Verfolgung organisierenden US-Auswahl weit vorne im Feld, um Gegenangriffe abzudecken.

Und auch ganz hinten am Ende des Rennens beeindruckte eine deutsche Nationalfahrerin: Madeleine Ortmüller kämpfte bereits am zweiten Tag in Folge erfolgreich gegen das Zeitlimit - und das, obwohl sie mit ihren drei Begleiterinnen zwischenzeitlich fehlgeleitet worden war. Die 20-Jährige startet am Freitag mit der roten Laterne ins Rennen - 43:27 Minuten hinter der Gesamtführenden Lisa Brennauer (Velocio-SRAM).

Das ganze Gespräch mit Lechner im Video (bitte entschuldigen Sie die windbedingt schlechte Tonqualität):

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

22.06.2015Lichtenberg setzt ungewollt zum beinahe siegbringenden Solo an

(rsn) - So wirklich verstehen konnte die Entscheidung der Jury wohl niemand: Gracie Elvin (Orica-AIS), die lediglich auf den ersten 40 Kilometern des Rennens in einer recht ungefährlichen vierköpfig

22.06.2015Dem Team sei Dank: Brennauer feiert Riesenerfolg in England

(rsn) - Lisa Brennauer wusste, bei wem sie ich zu bedanken hatte. Deshalb versammelte die Gesamtsiegerin der 2. Aviva Women´s Tour sofort ihre Teamkolleginnen um sich, als sich die Fotografen für di

21.06.2015Brennauer lässt sich am letzten Tag das Gelbe nicht mehr nehmen

(rsn) – Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) hat am letzten Tag der Aviva Women´s Tour (2.1) ihr Gelbes Trikot verteidigt und sich bei der 2. Auflage der fünftägigen Rundfahrt durch Großbritannien den

21.06.2015L.L. Sánchez gewinnt Gold in Baku, Knauer von Auto umgefahren

(rsn) – Luis Léon Sànchez (Astana) hat im Straßenrennen der European Games in Aserbaidschan die Goldmedaille gewonnen. Der 31 Jahre alte Spanier setzte sich auf dem Rundkurs in der Hauptstadt Bak

20.06.2015Täglicher Überlebenskampf: Ortmüller heimliche Heldin der Women´s Tour

(rsn) - Spätestens nach der 3. Etappe, dem mit 139 Kilometern längsten Teilstück von Oundle nach Kettering, war sie die heimliche Heldin der Aviva Women´s Tour: Madeleine Ortmüller. Die 20-jähri

20.06.2015Brennauer lässt Velocio zum zweiten Mal an einem Tag jubeln

(rsn) - Im englischen Nieselregen hat Lisa Brennauer den 20. Juni zu einem perfekten Tag für das Team Velocio-SRAM gemacht. Die Deutsche Meisterin gewann in Stevenage die 103,8 Kilometer lange 4. Eta

20.06.2015Brennauer holt sich das Gelbe Trikot von Majerus zurück

(rsn) – Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) hat sich bei der Aviva Women´s Tour (2.1) nach nur einem Tag das Gelbe Trikot zurückgeholt, das sie am Freitag an die Luxemburgerin Christine Majerus (Boels-D

20.06.2015Majerus rast der Konkurrenz im technisch schweren Finale davon

(rsn) - Mit einem langen Sprint, aber auch mit Mut und zumindest theoretischer Streckenkenntnis hat Christine Majerus (Boels-Dolmans) in Kettering die 3. Etappe der Aviva Women´s Tour für sich entsc

19.06.2015Majerus fährt Brennauer aus dem Gelben Trikot

(rsn) – Nur einen Tag hat sich Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) bei der Aviva Women's Tour (2.1) in Großbritannien über das Gelbe Trikot freuen dürfen. Auf der 3. Etappe musste die Deutsche Meisteri

19.06.2015Nachmittags freundet sich Brennauer auch mit Gelb noch an

(rsn)- In Clacton-On-Sea konnte sich Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) auch über das Gelbe Trikot endlich freuen. Wenige Stunden vorher hatte sie das Leibchen der Gesamtführenden am Start in Braintree n

18.06.2015D´Hoore siegt entgegen dem eigenen Plan

(rsn) - Schon mehrfach im Verlauf der Saison wurde deutlich, dass Jolien D´Hoore inzwischen die stärkste Sprinterin bei Wiggle-Honda ist. Auf der 138 Kilometer langen 2. Etappe der Aviva Women´s To

18.06.2015Brennauer übernimmt als Etappenzweite die Gesamtführung

(rsn) – Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) hat auf der 2. Etappe der Aviva Women´s Tour (2.1) in England die Spitze der Gesamtwertung übernommen. Die Deutsche Meisterin musste sich nach 138 Kilometern

Weitere Radsportnachrichten

06.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

05.07.2025Ackermann sprintet in Lille extrem früh los und geht leer aus

(rsn) – Platz 19 zum Auftakt. Das klingt auf dem Papier nicht nach einem besonderen Auftritt von Pascal Ackermann (Israel – Premier Tech) auf der 1. Etappe der Tour de France in Lille. Doch der 31

05.07.2025Ein Tag für die Klassikerspezialisten

(rsn) - Auch am zweiten Tag bleibt die Tour de France im Norden Frankreichs. Für die Fahrer bedeutet das eine angenehme Konstante. Die 209 Kilometer lange Etappe führt von Lauwin-Planque zur Küste

05.07.2025Roglic an der Windkante abgehängt! Na und?

(rsn) - Ist das wirklich eine Blamage? Schon am ersten Tag der 112. Tour de France verlor Red Bulls Kapitän Primoz Roglic an der Windkante 39 Sekunden auf die beiden Top-Favoriten Tadej Pogacar (UAR

05.07.2025Ganna fuhr zum Tour-Auftakt 60 Kilometer mit Gehirnerschütterung

(rsn) – Ein Baum verhinderte die freie Sicht auf das, was bei der ersten wirklich wichtigen Szene dieser Tour de France geschehen war. Aus der Helikopterperspektive ließ sich nur beobachten, dass F

05.07.2025Red Bull büßt am ersten Tour-Tag Zeit und Selbstbewusstsein ein

(rsn) - Nein, diesen ersten Tag der Tour de France hatte man sich bei Red Bull – Bora – hansgrohe sicher ganz anders vorgestellt. Mick van Dijke, Laurence Pithie und Gianni Moscon sollten gerade b

05.07.2025Evenepoel verliert beim Tour-Auftakt “dumme Sekunden“

(rsn) – Für Soudal – Quick-Step lief der Auftakt zur 112. Tour de France in Lille nicht nach Maß. Sowohl Remco Evenepoel als auch Tim Merlier hatten den Abgang im Finale der 1. Etappe verpasst.

05.07.2025Benjamin Thomas stürzt ins erste Bergtrikot der Tour

(rsn) - Benjamin Thomas (Cofidis) wird das erste Bergtrikot der 112. Tour de France mit einigen Schmerzen bezahlen. Der Franzose lieferte sich am Mont Cassel, der zweiten von drei Bergwertungen, ein p

05.07.2025Highlight-Video der 1. Etappe der Tour de France

(rsn) – Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) hat den Auftakt der 112. Tour de France (2.UWT) gewonnen und mit seinem insgesamt zehnten Tagessieg das erste Gelbe Trikot übernommen. Der 27-jähr

05.07.2025Zimmermann: “Das war kein idealer Start für uns“

(rsn) – Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) hat die 1. Etappe der 112. Tour de France über 184,9 Kilometer rund um Lille gewonnen und das Gelbe Trikot übernommen. Der Belgier ließ im Sprint

05.07.2025“Fantastische Team-Performance“: Philippsen sprintet ins Gelbe

(rsn) – Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) hat den Auftakt zur 112. Tour de France gewonnen und sich das erste Gelbe Trikot gesichert. Im Sprint einer rund 30-köpfigen Spitzengruppe war der

05.07.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 1. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 5. Juli im nordfranzzösischen Lille zur 112. Tour de France (2.UWT) angetreten, darunter zehn Deutsche, drei Österreicher und fünf Schweizer. Hier listen

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Sibiu Tour (2.1, ROU)
  • BW Classic (1.2, BEL)
  • Giro del Medio Brenta (1.2, ITA)
  • Grand Prix Edebiyat Yolu (1.2, TUR)
  • Grand Prix de la Ville de (1.2, FRA)
  • Midden-Brabant Poort Omloop (1.2, NED)
  • Tour of Magnificent Qinghai (2.Pro, CHN)