Mein Radsport-Ereignis 2014

Aller guten Dinge sind drei!

Von Andreas Schulz, Eurosport

Foto zu dem Text "Aller guten Dinge sind drei!"
Daniel Martin (Garmin-Sharp) gewinnt in Bergamo die 108. Auflage der Lombardei-Rundfahrt. | Foto: Cor Vos

29.12.2014  |  (rsn) - Zum Jahresabschluss schildern die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. In seinem Gastbeitrag erklärt Eurosport-Experte Andreas Schulz, weshalb Daniel Martin für ihn der Fahrer des Jahres ist.

Puh - bis zuletzt habe ich mich um alle Rankings gedrückt, ob Fahrer des Jahres, Rennen des Jahres, Überraschung des Jahres. Aber irgendwie gilt und geht das auch nicht.

Und nachdem ich meinen heimlichen "Fahrer des Jahres" Jean-Christophe Péraud schon im Juli ausführlich gewürdigt hatte, jetzt hier kurz vor Toreschluss mein "Radsportereignis 2014" - das aber ein Dreierpack ist.

Denn gerade darin finden sich für mich viele der Zutaten, die den Radsport so faszinierend machen: Höchstleistung, Spannung, Taktik, Drama, Charakterstärke.

Mein Hauptdarsteller ist dabei Daniel Martin, der mit ein klein wenig mehr Glück einer DER Seriensieger der Saison gewesen wäre. Dass er es am Ende trotz aller Tiefschläge noch unter die Top Ten der WorldTour schaffte, zeigt allein seine Klasse. Aber der Reihe nach...

1. Akt:
Beim Jubiläum von Lüttich-Bastogne-Lüttich im April ist Daniel Martin auf dem besten Weg, seinen Vorjahressieg zu wiederholen. Seiner Attacke am Schlussanstieg kann keiner der anderen Favoriten folgen, die Lücke zur Spitze schließt er scheinbar mühelos.

Doch in der letzten Kurve, 200 Meter vor dem Ziel, stürzt der 28-Jährige - es bleibt Rang 39 statt dem greifbar nahen Triumph bei der 100. Austragung der "Doyenne".

2. Akt:
Beim Giro d'Italia will Martin dann Revanche - und hat eine einmalige Chance: Der Ire kann einen Auftakt der Rundfahrt auf der "Grünen Insel" erleben. Doch der "local hero" erlebt den nächsten Tiefschlag beim Auftakt im Mannschaftszeitfahren. Denn auf regennasser Straße kommt das halbe Garmin-Team zu Fall und verliert alle Chancen auf eine gute Platzierung.

Vor allem aber bricht sich Martin bei diesem Surz das Schlüsselbein - sein Giro ist nach nicht einmal einer Viertelstunde vorbei, ebenso der Traum vom Etappensieg bei jener großen Rundfahrt, wo ihm dieses Kunststück noch nicht geglückt ist.

3. Akt:
Im Finale der Lombardei-Rundfahrt schließlich gelingt Martin aber endlich doch noch der ganz große Sieg - der nach einem Seuchen-Jahr beim letzten "Monument" der Saison besonders süß schmeckt.

Zum herausragenden Coup wird der Erfolg für mich aber durch die Art und Weise, wie ihn Martin holt. Denn in der neunköpfigen Gruppe, die sich im Finale löst, steht er gegen Fahrer wie Valverde, Albasini, Gilbert, Costa, Aru, Sanchez fast auf verlorenem Posten.

Doch mit einem Überraschungsangriff auf dem letzten Kilometer narrt Martin die Konkurrenz und schnappt sich die Krone der Herbstklassiker:

So stark wie 2014 für Martin endete, so stark könnte er auch 2015 auftrumpfen. Sein Garmin-Teamchef Jonathan Vaughters meint sogar, dass Martin "durchaus die Nummer 1 der Welt sein könnte, wenn er ein Jahr ohne Stürze und mit etwas Glück erwischt". Auf dem Papier bietet 2015 da herausragende Voraussetzungen.

Nicht nur, dass Martin weiter ein heißer Anwärter auf Klassiker-Siege bleibt, sondern gerade die Tour de France ist ihm fast wie auf den Leib geschneidert. Kaum Einzelzeitfahren, dafür gleich in der ersten Woche Ankünfte wie Mur de Huy und Mur de Bretagne, die ihm perfekt liegen (und Bonifikationen bringen), ein Mannschaftszeitfahren, für das sein Team bestens gerüstet sein wird und jede Menge Chancen auf den Bergetappen: Zusammen mit Joaquin Rodriguez ist Martin der große Gewinner der Streckenführung der 102. Auflage.

Zwar weniger im Kampf um die Gesamtwertung, auch wenn Rang sieben bei der stark besetzten Vuelta eindrucksvoll war, als bei der Jagd nach weiteren Etappensiegen nach dem Coup in den Pyrenäen 2013.

Nicht verhehlen will ich, dass ich Martin auch ein wenig deshalb gewählt habe, weil er zu den Profis mit dem besten Leumund in der Szene gehört. Nachdem die Schlagzeilen zuletzt von den Betrügern und Unverbesserlichen geprägt waren, soll die andere, saubere Seite des Radsports nicht komplett von den dunklen Schatten verdeckt werden, die Ferrari, Winokurow & Co. werfen.

 

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