Teo Tigers Tour-Tagebuch - 16. Etappe: St-Paul-Trois-Châteaux – Gap

Die Abfahrer: Hurra die Gams!

Von Teo Tiger

Foto zu dem Text "Die Abfahrer: Hurra die Gams!"
Der kleine Tiger auf dem Weg nach - ja wohin denn nun? | Illustration: Janosch film & medien AG

20.07.2011  |  (Ra/ tt) - Haben die Schlecks die Tour gestern auf der Abfahrt verschenkt? Der Tiger traute seinen vom vielen Tour-Glotzen schon müden Augen kaum, als er Andy Schleck fast aufrecht um die Kurven der Abfahrt vom Col de Manse schleichen sah. Und sein großer Bruder Fränk war auch nicht viel wagemutiger.

Ok, es war nass, da rutscht man schnell. Aber es gab nur einen, harmlosen Sturz im Feld. Hätten die Lux-Boys da nicht ein wenig mehr riskieren können/ sollen/ müssen? Der Tiger meint: Klaro! Schließlich haben sie sich im Anstieg zum Col de Manse von Contador ganz schön abhängen lassen, schon beim zweiten Angriff des Pistolero.

So musste Andy auf der Bergfahrt auf Fränk warten, und der dann bei der Talfahrt auf seinen Bruder. Das ist nicht die Art Teamwork, die die beiden in Paris aufs Podium bringt. In einem Interview vor der Tour hat Fränk gesagt, sie fahren alle wichtigen Anstiege in Pyrenäen und Alpen ab. Die Abfahrten haben sie sich offensichtlich geschenkt. Glaubt der Tiger. Das hat sich gestern gerächt.

Die Schlecks haben ihren Kollegen Wouter Weylandt verloren. Der auf einer Abfahrt tödlich gestürzt ist. Da ist Vorsicht verständlich. Sogar sympathisch. Aber das war beim Giro, im Mai. Es war also Zeit, damit einigermaßen klar zu kommen. Und es gibt auch Profis, die Sportlern bei so was helfen können. Weiß der Tiger. Was Andy gestern gefahren hat – mit Verlaub: Das sieht man nicht mal bei der Tour de France Feminin. Und da sind einige Mädels wirklich vorsichtig unterwegs.

Und außerdem: Stürze gehören nun mal - leider - zum Profi-Radsport. Haben doch auch die Schlecks schon oft genug erfahren. Jens Voigt, auf der Frankreich-Rundfahrt vor zwei Jahren bei einem Sturz mit Tempo 80 schwer verletzt, flog in diesem Frühjahr bei der Tour of California schon wieder ab, und brach sich die Hand. Er hat die Stürze während seiner 14 Jahre langen Karriere nicht gezählt. „So an die hundert werden es wohl gewesen sein“, schätzte er mal in einem Interview: „Vor allem bei schlechtem Wetter ist nicht selten die Frage, ob man stürzt, sondern wie oft, und wie schwer.“ Da haben gestern eigentlich alle Glück gehabt.

Noch was hat der Tiger gelernt: Abfahren kann man durchaus üben. Samy Sanchez, einer der besten Downhiller im Peloton, an den sich der schlaue Contador gestern gehängt hat, kommt aus Asturien. Da war er vermutlich nicht schon mit Windeln und Dreirad im Gebirge unterwegs. Asturien liegt nämlich am Meer. Auch Tagessieger Thor Hushovd kommt aus einem Land, das nicht viele, und auch nicht sehr hohe Berge sein eigen nennt. Trotzdem kann er mit dem Schweizer Fabian Cancellara gut mithalten - einer der besten Abfahrer im Profi-Lager. Der wurde vermutlich bereits im Kindergarten-Alter mit dem Tretroller von Pässen wie dem Gotthard runtergeschubst. Und da ist auch noch Kopfstein-Pflaster. Hat der Tiger schon erfahren. Wenn auch aufwärts.

Vielleicht hat Andy Schleck auf der kurvigen Abfahrt nach Gap auch an den 14. Juli 2003 gedacht, als Joseba Beloki hier der Reifen vom Hinterrad sprang. Der Baske stürzte schwer, musste die Tour und später seine Karriere beenden. Lance Armstrong, der unmittelbar hinter dem Spanier abfuhr, konnte gerade noch ausweichen, durchpflügte im Querfeldein-Stil eine Wiese und kam wieder auf die Straße, kurz bevor Jan Ullrich heranschoss.

Länzie war ein begnadeter Abfahrer; sein Geschwindigkeitsrekord liegt nach eigenen Angaben bei 110 Kilometer pro Stunde. Das muss man sich mal vorstellen: 110 km/h auf einem nicht mal sieben Kilogramm schweren Rad, mit 23 Millimeter breiten Reifen, und zwei kleinen Felgenbremsen. Die können bei Dauer-Bremsen die Flanken der Laufräder so aufheizen, das sich der Kleber löst, der Schlauch verrutscht, das Ventil abreißt, die Luft schlagartig entweicht, das Rad unkontrollierbar wird... Ob Andy gestern an all das gedacht hat?

Klaro - auf der Abfahrt kann jeder Fehler böse Folgen haben: versteuern, verbremsen, Schotter, Platten, Kuhmist, Zuschauer. Da liegt man schnell. Oft erreichen die Fahrer die richtig gefährlichen Abfahrten nach Stunden schwerster Kurbelei, wenn die Konzentration abnimmt. Am gefährlichsten sind dann erschöpfte Fahrer, die trotzdem volles Risiko gehen. Das darf nicht sein. Aber ein bißchen Risiko muss jeder gehen. Sonst wird er abgehängt.

Der Tiger ist gespannt: In diesem Jahr führt die Tour zweimal über den 2645 Meter hohen Galibier (am Donnerstag als Berg-Ankunft, und am Freitag in der Etappe), der vor hundert Jahren erstmals auf dem Programm stand. Die Abfahrt in Richtung Norden ist 17 Kilometer lang, und teilweise über zwölf Prozent steil. Die besten Abfahrer können hier bis zu zwei Minuten Zeit gutmachen.

Aber am Galibier beklagte die Tour 1935 auch ihren ersten Toten, den Spanier Francisco Cepeda. In der Abfahrt. Die ist hier richtig knackig: Da blickt man diverse Male schön in den Abgrund. Im wahrsten Sinn des Worts.

Der Tiger ist gespannt, wer es am Freitag am Galibier laufen lässt. Mit Hurra die Gams. Und wer da wieder runterhühnert. Auch ein Deutscher könnte in der ersten Gruppe sein: André Greipel. Vergangenes Jahr hat er bei "Rund um Köln" verraten, seine bisher erreichte Höchstgeschwindigkeit am Rad sei 116 km/h.

Da kommt der Tiger nicht ran, mit seinen 96 km/h auf der Nürburgring-Nordschleife. In der Fuchsröhre. Aber da ist die Strecke schön breit. Und gerade, mit Gegenhang. Kann eigentlich nix passieren. Außer man hat einen Platten. Im Vorderreifen. Weil von irgendeinem Rennen noch eine Schraube rumliegt. Da hat der Tiger lieber nicht dran gedacht. Manchmal darf man beim Rennradfahren nicht zuviel denken.

Das war's für heute. Vielen Dank, dass Sie bis hierher mit abgefahren sind. Und klicken Sie auch übermorgen wieder rein, wenn Teo Tiger sich so seine Gedanken macht. Dann garantiert Sturz-frei. Versprochen.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Weitere Radsportnachrichten

08.07.2025Ein hartes Finale nicht nur für die Sprinter

(rsn) - Nach drei Tagen im äußersten Norden beginnt nun die Reise Richtung Süden. Die 4. Etappe der Tour de France führt über 174 Kilometer von Amiens nach Rouen, quer durch die Picardie und Norm

08.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

08.07.2025Coquard mit feuchten Augen: “Bin kein schlechter Mensch“

(rsn) – Bryan Coquard konnte einem nach der 3. Etappe der Tour de France in Dünkirchen wirklich leidtun. Wie ein Häufchen Elend stand der 33-jährige Franzose vor dem Mannschaftsbus seiner Cofidis

07.07.2025Van Poppel kassiert dritte Gelbe Karte, Meeus gestürzt

(rsn) - Auch in der Geschichte der 3. Etappe der Tour de France 2025 gehört Red Bull – Bora – hansgrohe zu den Protagonisten. In diesem Fall geht es nicht um eine verpasste Windkante wie zum Auft

07.07.2025Neue Gerüchte: Evenepoel 2026 doch zu Red Bull?

(rsn) – Schon vor einem Jahr flammten Gerüchte auf, dass Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) künftig das Trikot von Red Bull – Bora – hansgrohe tragen könnte. Und zwar noch vor Ablauf sei

07.07.2025Highlight-Video der 3. Etappe der Tour de France 2025

(rsn) - Die 3. Etappe der Tour de France wurde im Massensprint entschieden. Tim Merlier (Soudal - Quick-Step) setzte sich dabei um Reifenbreite vor Jonathan Milan (Lidl - Trek) durch und feierte seine

07.07.2025Im Überblick: Alle Gelbe Karten bei der 112. Tour de France

(rsn) – Drei Tage hat es gedauert, bis die UCI-Jury bei der Tour de France 2025 zum ersten Mal hart durchgegriffen und Gelbe Karten verteilt hat: Im Sturzchaos von Dünkirchen bestraften die Kommiss

07.07.2025Bauhaus: “Die Extra-Magie fehlt mir“

(rsn) - Phil Bauhaus hat seinen Frieden gefunden bei der Tour de France. Bei der von Stürzen, aber auch von teilweise sehr ruhiger Fahrt gekennzeichneten 3. Etappe kam er – mal wieder – auf einen

07.07.2025Wellens befreit Kapitän Pogacar vom Gepunkteten Trikot

(rsn) – Die 3. Etappe der Tour de France 2025 musste zwar ohne eine Ausreißergruppe auskommen, einen ungewöhnlichen Schachzug durften die Zuschauer auf den 178 Kilometern zwischen Valenciennes und

07.07.2025Philipsens Tour-Aus öffnet Kampf um Grün

(rsn) – Das Grüne Trikot hing zerfetzt an Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck), während er am Straßenrand lag. Schnell war klar: Die Tour de France (2.UWT) ist für den belgischen Top-Sprint

07.07.2025Rickaert: “Sein Leben für 10 Punkte zu riskieren, da fehlen mir die Worte“

(rsn) – Nach einer echten Bummeletappe ohne richtige Ausreißergruppe sprintete Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) zum Tagessieg. Der Europameister war nach 178 Kilometern zwischen Valenciennes und

07.07.2025Merlier gewinnt Massensprint der 3. Tour-Etappe vor Milan

(rsn) – Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) hat die 3. Etappe der Tour de France im Massensprint vor Jonathan Milan (Lidl – Trek) und Phil Bauhaus (Bahrain – Victorious) gewonnen. In einem von S

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Tour of Magnificent Qinghai (2.Pro, CHN)