"Ich stehe unter besonderer Beobachtung"

Schumacher will wieder nach oben

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Schumacher will wieder nach oben"
Stefan Schumacher (Miche) Foto: ROTH

18.02.2011  |  (rsn) – Die Karriere von Stefan Schumacher gleicht einer Achterbahn: zunächst hoffnungsvoller Neo-Profi beim Team Telekom, dann der Absturz in die dritte Liga, zum Team Lamonta. Von dort kämpfte er sich über die Station Shimano zurück in die höchste Liga des Radsports, zum Team Gerolsteiner.

Im Trikot des Rennstalls aus der Vulkaneifel gewann der Nürtinger große Rennen wie das Amstel Gold Race, zwei Etappen des Giro d’Italia 2006 oder die Zeitfahr-Wettbewerbe bei der Tour 2008. Dabei wurde der heute 29-Jährige allerdings positiv auf CERA getestet und für zwei Jahre gesperrt. Im vergangenen Herbst hat Schumacher beim italienischen Continental-Team Miche einen Neuanfang gestartet.

„Mir ist klar, dass ich in diesem Jahr vielleicht nicht die ganz großen Rennen bestreiten werde. Aber ich bin heiß auf jeden Wettbewerb“, sagte Schumacher zu Radsport News: „Ich bin mir sicher, dass ich sportlich noch die besten Jahre vor mir habe.“

Die Phase der Dopingsperre hat Schumacher in unguter Erinnerung. „Das war eine harte Zeit. Seinen Beruf – vor allem, wenn man ihn liebt - nicht ausüben zu können, ist für keinen Menschen angenehm. Für einen Leistungssportler, der nur zehn bis 15 Jahre dazu hat, ist das noch heftiger“, erklärt Schumacher: „Aber ich hatte ein starkes Umfeld – habe geheiratet, was mir viel Kraft gegeben hat. Vor allem als der Comeback-Zeitpunkt abzusehen war, bin ich förmlich wieder zum Leben erwacht.“

Die vergangenen Jahre nannte Schumacher “ein sehr dunkles Kapitel. Es ist viel schief gelaufen in dieser Zeit, und auch ich habe Fehler begangen. Rückblickend hätte ich sicher das eine oder andere anders gemacht", erklärte er, ohne ins Detail zu gehen. "Ich bin von ganz oben richtig tief auf die Schnauze geflogen. Aber ich möchte diese Phase auch nicht missen, denn sie hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.“

Seit der Tour 2008 ging es bei Schumacher drunter und drüber. Zunächst die Triumphe, dann die positiven CERA-Tests – zuerst die der Frankreich-Rundfahrt, schließlich auch noch bei den Olympischen Spielen. Aber in seiner Karriere war der Allrounder schon zuvor mehrfach auffällig geworden. So wurde Schumacher bei der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt 2005 positiv auf Cathin getestet, aber freigesprochen, da er eine Genehmigung wegen einer Pollenallergie vorlegen konnte. Kurz vor dem Start der Straßen-WM 2007 sorgte er als Kapitän der deutschen Mannschaft erneut für Wirbel, als bei ihm erhöhte Blutwerte festgestellt wurden. Schumacher erklärte den Befund mit den Folgen einer Durchfallerkrankung und durfte starten, nachdem ein weiterer Test unauffällige Werte zeigte.

Da Schumacher auch im Fall seiner positiven CERA-Tests Doping bestritt, folgte ein Gerichts-Marathon, der zwar mit der grundsätzlichen Bestätigung der Strafe durch den CAS endete. Der Sportgerichtshof verlegte den Beginn der Sperre allerdings vor, so dass Schumacher bereits im August 2010 und nicht erst im Januar 2011 wieder startberechtigt war. „Was passiert ist, ist passiert und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Nichts geschieht jedoch ohne Grund. Es hat alles so kommen müssen, es gibt keinen Zufall“, kommentierte der Schwabe die Geschehnisse.

Nach seiner Dopingsperre erhielt Schumacher einen Vertrag beim kleinen italienischen Rennstall Miche, der ihm zudem eine Ausstiegsklausel gewährte, sollte ein Topteam anklopfen. Die ersten Rennen im Herbst 2010 gestalteten sich zunächst schwierig. Bei keinem seiner Einsätze sprang für Schumacher eine vordere Platzierung heraus. „Damit hatte ich gerechnet. Ich war ja zwei Jahre raus, die anderen Fahrer hatten die Tour oder andere große Rennen in den Beinen. Und vom Profil her sind die Wettbewerbe in Italien ja auch nicht wirklich einfach“, so Schumacher.

An Aufgabe dachte der Rückkehrer dabei aber nicht: „Natürlich ist es hart, am Anfang hinterherzufahren. Aber ich bin sehr willensstark. Ich wusste, das ist nur eine Phase. Als ich die Entscheidung getroffen habe, ein Comeback zu starten, war für mich klar, dass ich es durchziehen würde“, sagte er. Dennoch war es eine Fahrt ins Ungewisse: „Natürlich habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie die ersten Rennen wohl laufen würden, wie ich akzeptiert werden würde. Das hat mir sicherlich auch etwas Energie abgezapft.“

Im Winter versuchte Schumacher nach eigener Aussage gar nicht erst, bei einer größeren Mannschaft unterzukommen. „Das ist derzeit kein Thema für mich. Ich muss mich erst wieder mit Leistung aufdrängen, um zu zeigen, dass ich einen solchen Vertrag verdient habe“, so der WM-Dritte von Stuttgart 2007, der anfügte: „Ich bin zur Zeit bei circa 80 Prozent Form.“

Die ersten Renneinsätze des Jahres verliefen mit zwei sechsten Etappenplätzen bei der Kalabrien-Rundfahrt erfreulich. Beinahe wäre Schumacher in der Gesamtwertung sogar der Sprung auf das Podium gelungen. „Aber ich hatte auf der 2. Etappe vier Kilometer vor dem Ziel Defekt, und habe es nicht mehr in die Drei-Kilometer-Marke geschafft", erklärte der Miche-Kapitän. Nach einem Radwechsel schaffte Schumacher auf dem letzten Kilometer zwar wieder den Anschluss. Nach Meinung der Jury allerdings mit zu starkem Windschatten-Fahren bei den Begleitwagen, so dass gegen den Nürtinger eine Zeitstrafe von 20 Sekunden verhängt wurde. Dennoch fiel das Fazit positiv aus: „Am Berg konnte ich mit den besten mithalten, zum Mitsprinten war ich danach aber noch zu breit“, so Schumacher mit Blick auf die Mini-Bergankunft der 1. Etappe, die er als Sechster abschloss.

In den kommenden Rennen – am Samstag steht der GP Laigueglia an, danach folgen die Sardinien-Rundfahrt, die Settimana Coppi e Bartali und der Giro del Trentino - will sich Schumacher weiter verbessern. „Einen richtigen Saison-Höhepunkt gibt es aber nicht. Ich will konstante Leistungen bringen. Wir haben einen guten Rennkalender mit attraktiven und anspruchsvollen Rennen, in denen ich mich zeigen kann“, zeigte er sich zuversichtlich.

Trotz des guten Rennkalenders soll das Miche-Team im Idealfall nur als Sprungbrett dienen: „Ich möchte wieder für ein Top-Team fahren, die großen Rennen bestreiten und dort auch gut fahren.“ Dabei ist sich Schumacher bewusst, sich keine Fehlgriffe mehr erlauben zu dürfen: „Mir ist klar, dass gute Leistungen von mir sicherlich beäugt, die Tests das volle Programm umfassen würden. Wenn ich etwas Verbotenes zu mir nehmen würde, dann würden es die Labors bei mir auch finden. Ich stehe sicher unter besonderer Beobachtung.“

Von den italienischen Fans wurde Schumacher nach eigenen Worten ausgesprochen freundlich aufgenommen. „Da gab es keine Buh-Rufe. Bei der Einschreibung gab es sogar Applaus“, stellte er fest. „Ich möchte Siege einfahren und zeigen, dass ich dies sauber tue. Ich weiß, dass die Schlagzeilen um meine Person dem Radsport geschadet haben, und möchte jetzt dazu beitragen, dass es mit diesem tollen Sport wieder nach oben geht, auch wenn meine Macht dabei begrenzt ist“, erklärte Schumacher. Er veröffentlicht auf seiner Website seine Blutwerte, und zählt nach wie vor zum UCI-Blutpass-Programm und zum sogenannten Registered-Testing Pool der NADA. „Damit möchte ich Transparenz zeigen, ein gläserner Athlet sein, auch wenn ich damit meinen Kritikern nicht komplett den Wind aus den Segeln nehmen kann.“

 

Mehr Informationen zu diesem Thema

02.01.2014Schumacher will sich im Anti-Dopingkampf engagieren

Nürtingen (dpa) - Gut zwei Monate nach seinem Freispruch hat der wegen Betrugs angeklagte Stefan Schumacher eine andere gesetzliche Grundlage für den Anti-Dopingkampf gefordert. „Es muss

27.12.2013Schumacher hat keine Angst vor Revision

(dpa) - Dopingsünder Stefan Schumacher glaubt nach seinem Freispruch im Stuttgarter Betrugsprozess nicht an eine Revision der Staatsanwaltschaft. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass na

08.11.2013Schumacher nahm psychologische Hilfe in Anspruch

Stuttgart (dpa) - Stefan Schumacher hat auf dem Weg zu seinem Doping-Geständnis von psychologischer Hilfe profitiert. „Das hat sicher dazu geführt, dass ich dazu in der Lage bin, so offen darüber

31.10.2013Staatsanwaltschaft legt Revision gegen Schumacher-Freispruch ein

Stuttgart (dpa/rsn) - Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat Revision gegen den Freispruch für Stefan Schumacher vom Vorwurf des Betrugs eingelegt. Sie bemängele die Verletzung formellen und materie

29.10.2013Schumacher-Freispruch: Holczer gibt sich zurückhaltend

Stuttgart (dpa) - Nach dem Freispruch im Betrugsprozess gegen Stefan Schumacher hat sich dessen ehemaliger Teamchef Hans-Michael Holczer zurückhaltend geäußert. „Wenn das die Entscheidung de

29.10.2013Stimmen zum Schumacher-Freispruch

Berlin (dpa) - Der Freispruch von Stefan Schumacher blieb nicht unkommentiert. Die Nachrichtenagentur dpa hat die wichtigsten Äußerungen gesammelt:Jörg Jaksche, Ex-Profi und geständiger Dop

29.10.2013Strafrechtliche Dopingbekämpfung soll verbessert werden

Stuttgart (dpa) - Nach dem Freispruch für den Nürtinger Radprofi Stefan Schumacher vom Betrugsvorwurf hat Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) erneut gefordert, die st

29.10.2013Landgericht Stuttgart nimmt Holczer in Mithaftung

Stuttgart (dpa/rsn) - Bei seiner letzten Tour de France 2008 setzte Stefan Schumacher den treuen Dackelblick auf - und log. Doping? Niemals! Lügen hatten schnelle Beine - manche schienen ihm a

29.10.2013Das ganze Schumacher-Verfahren auf einen Blick

Stuttgart (dpa) - Nach 19 Tagen im Betrugsprozess gegen Radprofi Stefan Schumacher ist am Dienstag das Urteil gefallen. Das Landgericht Stuttgart sprach den 32-Jährigen aus Nürtingen vom Vorwurf f

29.10.2013Freispruch für Stefan Schumacher

Stuttgart (dpa) - Im Zweifel für den Angeklagten: Stefan Schumacher ist vom Landgericht Stuttgart im ersten Strafprozess gegen einen deutschen Doping-Sünder vom Vorwurf freigesprochen worden, seinen

28.10.2013Fall Schumacher: Alles Wichtige vor dem Urteil

Stuttgart (dpa) - Am Dienstag fällt das Urteil im Betrugsprozess gegen Radprofi Stefan Schumacher. Wie das Landgericht Stuttgart am 19. Prozesstag entscheidet, ist offen. Warum ist

22.10.2013Schumacher-Prozess: Staatsanwalt fordert Geldstrafe

Stuttgart (dpa) - Im Betrugsprozess gegen Stefan Schumacher hat der Staatsanwalt eine Geldstrafe in Höhe von 16.800 Euro (210 Tagessätze) gefordert. Dazu soll der Nürtinger auch die Kosten des Verf

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

02.05.2024Vollering hängt an erster Bergankunft die Konkurrenz ab

(rsn) – An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) ihre Konkurrentinnen in Grund und Boden gefahren und mit ihrem ersten Saisonsieg auch das Rote Trik

02.05.2024Im dritten Anlauf klappt es für Bike Aid mit dem Gelben Trikot

(rsn) – Im dritten Anlauf hat es für Yoel Habteab (Bike Aid) mit dem Gelben Trikot bei der Tour du Bénin geklappt. Nachdem ihm die Jury an den ersten beiden Tagen das Führungstrikot jeweils nach

02.05.2024Buchmann zur Giro-Ausbootung: “Komische Begründung“

(rsn) - Bis Ende des Jahres steht Emanuel Buchmann noch bei Bora – hansgrohe unter Vertrag. Ob er verlängert wird, scheint zumindest in diesem Moment nicht sicher. Mit großer Verärgerung tritt de

02.05.2024Arkéa - B&B Hotels verlängert vorzeitig mit Costiou

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

02.05.2024Pogacar thront bei seiner Premiere über allen

(rsn) – Auf dem Papier scheint der 107. Giro d’Italia schon entschieden, noch bevor am Samstag in Venaria Reale nördlich von Turin der Startschuss fällt. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist de

02.05.2024Zu Ehren des Sponsors: Intermarché in speziellem Giro-Trikot

(rsn) – Im dritten Jahr in Folge wird Intermarché - Wanty nicht in seinem Standard-Outfit zum Giro d´Italia antreten. Bei der am 4. Mai beginnenden 107. Ausgabe der Italien-Rundfahrt will das belg

02.05.2024Krieger und Mayrhofer sollen Dainese zum Hattrick pilotieren

(rsn) – Das Team Tudor startet am Samstag in seine erste Grand Tour. Zum 107. Giro d’Italia (4. – 26. Mai) tritt der Schweizer Zweitdivisionär aber mit einem relativ erfahrenen Aufgebot an. Nu

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Ãœberblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine