Die Geschichte der Deutschland-Tour

02.06.2002  |  Die Deutschland-Tour scheint es geschafft zu haben. Seit ihrer Wiederbelebung im Jahre 1999 ist sie zu einem festen Bestandteil im Rennsportkalender geworden. Das war nicht immer so. Die Geschichte der Fernfahrt durch das Land von Altig, Thurau, Ullrich und Zabel ist zwar lang, dennoch fehlt es ihr an Tradition. Der Radsport gehörte lange Zeit nicht unbedingt zu den populärsten Sportarten im Lande und so wurde eine Tour d’Allemagne eigentlich nur dann ausgetragen, wenn deutsche Radsportler durch ihre Erfolge die Massen elektrisiert haben. Immer wieder gab es lange Perioden, in denen in Deutschland keine große Schleife gefahren wurde. So ist es zu erklären, dass die Tour des Jahres 1999 erst die 23. Auflage der Deutschlandrundfahrt war, obwohl schon 1911 das erste Mal eine Landesrundfahrt ausgetragen worden ist.

Die Premiere führte von Breslau über Dresden, Erfurt, Nürnberg, Mannheim und Köln nach Aachen. Der erste Sieger hieß Hans Ludwig, der die Konkurrenten mit seinen Alleingängen zu zermürben pflegte. Danach fanden in unregelmäßigen Abständen mehr oder weniger ernst zu nehmende nationale Rundfahrten statt. 1931 konnte man erstmals ein internationales Starterfeld präsentieren. Alle Teilnehmer gingen mit Rädern des Rennsponsors Opel an den Start in Rüsselsheim. 4000 Kilometer radelten die Fahrer durch Deutschland. Zielort war übrigens wieder die Opel-Stadt Rüsselsheim. Ein erste Blüte erlebte die Rundfahrt zwischen 1937 und 1939, in der sie beinahe die Dimensionen ihres französischen Vorbildes annahm. So führte die Tour des Jahres 1939 über mehr als 5000 Kilometer. Auch die einzelnen Etappen waren teilweise recht happig: Der erste Teilabschnitt der 37er Runde von Berlin nach Breslau war beispielsweise 337 Kilometer lang. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zwei Jahre später endet die Geschichte der Deutschland-Tour zunächst.

1947 finden in der Britischen Besatzungszone sechs Rundstreckenrennen statt, deren Einzelergebnisse zu einer Gesamtwertung aufgerechnet wurden. Die Deutschland-Tour lebte wieder. Bis 1952 wurden nun sechs Rundfahrten in Folge ausgetragen, was bis heute Rekord bedeutet. Die darbende Fahrradindustrie, einziger Sponsor der ersten Nachkriegsveranstaltungen, wollte sich den Luxus einer nationalen Rundfahrt nicht mehr leisten, zumal ihr sportlicher Stellenwert nicht allzu hoch war. Durch den Termin während bzw. kurz nach der Tour de France blieben die besten Fahrer der Deutschlandrundfahrt meist fern. 1955 veranstaltete die Zweiradgesellschaft Fritz Wenk eine nationale Tour und wollte eine neue Tradition begründen, doch es blieb bei der Premiere.

Die ersten internationalen Erfolge von Rudi Altig, Hennes Junkermann und Rolf Wolfshol Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre verhalfen dem Radsport in Deutschland zu neuer Popularität. Eine nationale Rundfahrt schien finanzierbar. Von 1960 bis 1962 wurde drei Mal durch die Republik gestrampelt. Wieder stellte sich heraus, dass eine große Tour in Deutschland kaum finanzierbar ist.

1977 trug Dietrich Thurau 14 Tage lang das Gelbe Trikot bei der Tour de France und löste damit eine bis dato unvorstellbare Radsportbegeisterung in der Bundesrepublik aus. Zwei Jahre später bejubelten Millionen von Zuschauern das neue deutsche Sportidol bei seiner Triumphfahrt im traditionellen weißen Trikot des Spitzenreiters zum Sieg bei der wiederbelebten Runde durch Deutschland. Auch im folgenden Jahr hatte die hochkarätig besetzte Tour mit Gregor Braun einen deutschen Sieger. Eine Erfolgsgeschichte schien zu beginnen. Die Teilnehmerlisten lesen sich wie ein Who-is-who der Radsportszene jener Jahre. Die Weltmeister der Jahre 1977 bis 1980, Jan Raas, Freddy Maertens, Giuseppe Sraonni und Bernard Hinault, nahmen alle an der Deutschlandtour teil, bevor sie sich ins Regenbogentrikot fuhren. Dennoch gingen schon 1980 die Lichter wieder aus. Die Länder Baden-Württemberg und Hessen erstritten sich vor Gericht Gelder für die für Straßensperrungen notwendigen Polizeieinsätze. Die Veranstalter schlossen die 80er Runde mit einem Defizit von 200 000 Mark ab. Das Kapitel Deutschland-Tour wurde wieder einmal geschlossen.

Als vor allem die Erfolge von Jan Ulrich und Erik Zabel Deutschland zu einer wahren Radsportnation hat werden lassen, wurden auch die Rufe nach einer erneuten Wiederbelebung der nationalen Tour laut. 1999, im Jahr zwei nach Ulrichs Sieg bei der Tour de France, war es dann so weit. Beinahe fünf Millionen Zuschauer verfolgten den Sieg des alten Telekom-Kämpen Jens Heppner. In den folgenden beiden Jahren kamen noch mehr Zuschauer an die Strecke. Die Fernsehsender berichten lange und ausführlich über die inzwischen zum nationalen Ereignis gewordene Veranstaltung, so dass sich die Sponsoren gut präsentieren können. Bei den Veranstaltern denkt man schon an die weitere Zukunft. Durch die Einbeziehung der Alpen und der festen Etablierung von Stuttgart als Zielort der Tour will man Traditionen begründen. An ein erneutes Ende der Deutschlandrundfahrt verschwendet im Moment jedenfalls niemand einen Gedanken. Bleibt nur zu hoffen, dass deutsche Radsportler auch weiterhin von sich Reden machen, dann hat auch die deutsche Tour ihre Chance.
(ar)

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

02.05.2024Vollering hängt an erster Bergankunft die Konkurrenz ab

(rsn) – An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) ihre Konkurrentinnen in Grund und Boden gefahren und mit ihrem ersten Saisonsieg auch das Rote Trik

02.05.2024Im dritten Anlauf klappt es für Bike Aid mit dem Gelben Trikot

(rsn) – Im dritten Anlauf hat es für Yoel Habteab (Bike Aid) mit dem Gelben Trikot bei der Tour du Bénin geklappt. Nachdem ihm die Jury an den ersten beiden Tagen das Führungstrikot jeweils nach

02.05.2024Buchmann zur Giro-Ausbootung: “Komische Begründung“

(rsn) - Bis Ende des Jahres steht Emanuel Buchmann noch bei Bora – hansgrohe unter Vertrag. Ob er verlängert wird, scheint zumindest in diesem Moment nicht sicher. Mit großer Verärgerung tritt de

02.05.2024Arkéa - B&B Hotels verlängert vorzeitig mit Costiou

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

02.05.2024Pogacar thront bei seiner Premiere über allen

(rsn) – Auf dem Papier scheint der 107. Giro d’Italia schon entschieden, noch bevor am Samstag in Venaria Reale nördlich von Turin der Startschuss fällt. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist de

02.05.2024Zu Ehren des Sponsors: Intermarché in speziellem Giro-Trikot

(rsn) – Im dritten Jahr in Folge wird Intermarché - Wanty nicht in seinem Standard-Outfit zum Giro d´Italia antreten. Bei der am 4. Mai beginnenden 107. Ausgabe der Italien-Rundfahrt will das belg

02.05.2024Krieger und Mayrhofer sollen Dainese zum Hattrick pilotieren

(rsn) – Das Team Tudor startet am Samstag in seine erste Grand Tour. Zum 107. Giro d’Italia (4. – 26. Mai) tritt der Schweizer Zweitdivisionär aber mit einem relativ erfahrenen Aufgebot an. Nu

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Ãœberblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine