Riesen Jubel über zweiten Titelgewinn

Kröger steuerte “sensiblen Motor“ perfekt zu Zeitfahr-Gold

Von Felix Mattis aus Bad Dürrheim

Foto zu dem Text "Kröger steuerte “sensiblen Motor“ perfekt zu Zeitfahr-Gold"
Mieke Kröger (Human Powered Health) mit vorläufiger Bestzeit auf dem Hot Seat. | Foto: Cor Vos

24.06.2023  |  (rsn) – Mieke Kröger (Human Powered Health) saß noch eine Weile mit fragendem Blick auf dem Hot Seat der Zeitschnellsten. Es war ihr nicht klar, dass ihr zweiter Titel als Deutsche Zeitfahrmeisterin – 2015 hatte sie in Einhausen bereits Gold gewonnen – bereits in trockenen Tüchern war.

Erst ein Nicken aus Richtung der Kamera von radsport-news.com machte es der 29-Jährigen deutlich: Mit der Ankunft der zuletzt gestarteten Lisa Klein (Trek – Segafredo) stand Kröger als Siegerin fest. Sie sprang voller Freude auf und jubelte ausgelassen, um danach von zahlreichen umstehenden Kolleginnen und Freundinnen aus dem Peloton sehr herzliche Glückwünsche entgegenzunehmen – eine Umarmung nach der anderen.

"Ich habe es echt nicht gedacht. Ich dachte: Okay, Hot Seat, das kann schon sein. Aber ich habe mich dann eigentlich eher mit der möglichen Enttäuschung beschäftigt", schilderte Kröger später ihre Gefühlswelt kurz vor dem Moment des Jubels. "Aber dann war ich sehr happy!"

Dabei hatte es zu Rennbeginn absolut nicht nach einem Sieg für die Bahn-Olympiasiegerin ausgesehen. Nach den flachen, aber technischen sechs Auftaktkilometern lag Kröger als 13. bereits ganze 36 Sekunden hinter der dort noch Schnellsten Franziska Koch zurück. Auch nach 14,8 Kilometern fehlten ihr noch 32,8 Sekunden zur DSM-Fahrerin auf Platz eins.

Doch Kröger hatte ihren Zeitfahr-Motor inzwischen angeworfen und den Trend umgekehrt. Sie holte nun in immer größeren Schritten auf und lag nach dem langen Gegenwind-Anstieg zur Hirschhalde bereits auf Rang zwei – nur noch 0,5 Sekunden hinter der langsam einbrechenden Koch. Einzig Katharina Fox (Maxx-Solar – Rose) konnte mit ihr noch mithalten und machte es am Ende superspannend. 0,9 Sekunden entschieden zugunsten von Kröger, der die Veranlagung des Kurses sehr entgegenkam.

Mit Erkenntnissen der Bahn zum Zeitfahr-Gold auf der Straße

Lange Zeitfahren liegen ihr ohnehin und der Wind spielte ihr ebenfalls in die Karten. Der nämlich machte es hinten raus schwer, auch ohne Steigungsprozente im zweistelligen Bereich. Bei ihrem Rennplan machte sie sich außerdem Erfahrungen von der Bahn zu eigen. Auch dort war 2021 in Tokio der Schlüssel zu Gold für den deutschen Frauen-Vierer, dass man in der Vorbereitung eine Schwäche Krögers erkannt und zum Vorteil genutzt hatte:

Die 29-Jährige erholt sich in einem Wettkampf nicht besonders gut, bekommt das Laktat nicht schnell abgebaut, hat dafür aber eine enorm hohe Toleranz desselben. Zu Deutsch: Sie kann lange sehr hart fahren, hat aber Probleme kurz noch härter zu fahren, dann zu regenerieren und dann nochmal anzutreten. Deshalb baute der Bahn-Vierer mit ihr damals auf die Taktik einer einzigen, dafür aber sehr langen Kröger-Führung um und holte damit Olympia-Gold. Nun ging sie das DM-Einzelzeitfahren ähnlich an und holte auch hier Gold.

"Ich bin ein bisschen losgeschlichen, weil mein Motor sensibel ist und wenn ich am Anfang überzocke, geht es selten gut", erklärte Kröger auf der Pressekonferenz in Bad Dürrheim und sagte anschließend zu radsport-news.com: "Die Strecke hat es hergegeben, dass man sich am Anfang etwas Zeit lassen und reinfinden kann ins Rennen. Schön, dass das so gut zu meiner Physiologie gepasst hat."

"Die Zeit wird am Berg gemacht – das aus meinem Mund, ist witzig"

Besonders schön war für Kröger sicher auch die Erkenntnis, dass sie das Rennen hinten raus gewann, obwohl es dort auch noch relativ viel bergauf ging. Die Anstiege waren nicht allzu steil und mit dem Gegenwind gerade hinauf zur Hirschhalde kam ihr das entgegen. "Die Zeit wird am Berg gemacht – dass sowas mal aus meinem Mund kommt, ist irgendwie witzig", kommentierte Kröger lachend.

Ganz ambitionslos war sie aber in das Zeitfahren auch nicht gegangen. "Ich habe es mir schon ein bisschen gewünscht", verriet sie radsport-news.com. "Der Kurs war nicht ultraschwer und es war drin, wenn es gut läuft. Aber in den letzten zwei Tagen habe ich mich nicht so gut gefühlt, die Beine waren nicht so gut und ich hatte schon etwas Zweifel. Aber dann bin ich gut ins Rennen gekommen und mein Kopf hat keine Faxen gemacht."

Dieser Kopf machte ihr in der Vergangenheit oft einen Strich durch die Rechnung. In Bad Dürrheim aber war er es, der Kopf, der gemeinsam mit Coach Robert Pawlowsky den Gold bringenden Rennplan erarbeitet hatte.

Am Samstag nun startet Kröger mit Schmetterlingen im Bauch ins Straßenrennen. Ausrechnen will sie sich dort angesichts der zahlreichen Anstiege, die in kurzen Abständen aufeinander folgen und dem dadurch wohl sehr explosiven Rennen nichts. "Ich guck mir das morgen mal an…", meinte sie am Freitagabend vielsagend mit einem Lächeln.

Keine Ambitionen im DM-Straßenrennen, umso mehr für die WM

Worauf sich Kröger aber bereits freut ist, dass sie am 16. Juli beim Women's Cycling Grand Prix in Stuttgart am Start stehen wird – ein neues UCI-Frauenrennen auf deutschem Boden. Danach rückt die WM in Glasgow in den Fokus, vor allem mit Blick auf die Bahn, wahrscheinlich aber auch mit einem Start im Einzelzeitfahren auf der Straße – das nämlich steht erst nach den Bahn-Wettkämpfen an.

"Es wäre ja schön, wenn wir im Vierer nochmal einen rausholen könnten. Der Fokus liegt tatsächlich auf der Bahn, allerdings passt das Zeitfahren in Glasgow auch recht gut für mich, denke ich. Es wäre schön, auch für den Olympia-Quotenplatz, wenn ich da auch etwas zeigen könnte. Aber der Fokus liegt tatsächlich auf der Bahn."

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