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13.04.2021 | (rsn) – Er war sicherlich der überraschendste Neuzugang, den das Team Bora – hansgrohe im Winter vermeldete. Seit 1. April steht der Bayer Anton Palzer im WorldTour-Kader der Raublinger und mit der am Montag in Brixen in Südtirol beginnende Tour of the Alps beginnt der 28-Jährige ein neues Kapitel seiner Sportkarriere. Der erfolgreiche Skibergsteiger hat umgesattelt und beginnt seine erste Rundfahrt als Radprofi.
"Die Gefühlslage ist eine Mischung aus Vorfreude und Respekt. Ich freue mich, dass das Abenteuer Rennradsport nun losgeht und ich das erste Mal an der Startlinie stehe. Gleichzeitig treffe ich dort auf die besten Athleten im Radsport und muss sehen, wie ich im Peloton klarkomme", erzählte der Berchtesgadener im Gespräch mit radsport-news.com. Was mit einer Gratulationsnachricht auf Instagram begann, wird in wenigen Tagen Realität.
Im Dezember 2017 gewann Palzer ein Weltcuprennen in China und über einen Fernsehbericht in der ARD wurde Bora-Teamchef Ralph Denk auf den bayerischen Sportler aufmerksam. Mit einer privaten Nachricht gratulierte er seinem Landsmann zum sportlichen Erfolg. "Da ich seinem Kanal aber nicht gefolgt bin, habe ich die Meldung erst viel später gelesen. Er hat mir gratuliert, Frohe Weihnachten gewünscht und mich zu einem Radtrainingslager eingeladen", erinnerte sich Palzer der die Anfrage zunächst unbeantwortet ließ. Den Gedanken an einen Sportartwechsel hatte er noch nicht: "Das Skibergsteigen hat mir noch viel zu viel Spaß gemacht."
Aufgewachsen ist der 28-Jährige im kleinen Skigebiet Hochschwarzeck. "Seit ich und mein Bruder gehen können, waren wir in den Bergen, egal ob beim Wandern oder auf den Skiern", erinnert sich der Berchtesgadener, der auf über 1.000 Metern Höhe mit Blick auf den Watzmann aufwuchs, knapp oberhalb von Ramsau, Deutschlands Ort mit der größten Anzahl an Bergführern. Ein solcher ist sein Vater nach wie vor noch, arbeitet aber hauptberuflich im Nationalpark Berchtesgaden.
"Er ist ein super Alpinist, deshalb ist uns der Bergsport in die Wiege gelegt worden. Aber es gab nie irgendeinen Druck von den Eltern aus, die Leidenschaft stand immer im Vordergrund", so der Neoprofi, der viele Erfolge als Skitourenbergsteiger feiern konnte und auch im Berglauf zur absoluten Weltspitze zählt.
Der Drang nach einem Radtrainer veränderte alles
Dass er den Radsport nicht schon seit Kindertagen im Blut hat, liegt auch an seiner Herkunft: "Wir haben sieben Monate Winter im Jahr. Du kannst nicht mit Schneeketten fahren." Was für das Rennrad eher hinderlich ist, ist für Skitouren ein Vorteil. Im Alter von 16 Jahren wurde er erstmals Deutscher Meister, der absolut Jüngste versteht sich. Seit seinem 12. Lebensjahr betrieb er den Tourensport, 15 Saisons, davon acht als Vollprofi, hinterließen ihre Spuren.
"Irgendwie spürte ich, dass es immer mehr Beruf wird und die Leidenschaft immer weniger wird" erklärte Palzer. Über einen Bekannten kam der Kontakt mit Bora-Profi Lukas Pöstlberger zustande. Der Österreicher wurde zum Trainingspartner und empfahl dem Bayern, der sich seine Trainingspläne immer selbst schrieb, sich einen Coach zu suchen: "Ich wollte unbedingt einen Radtrainer, da ich von den Ausdauersportarten finde, dass der Radsport einfach das professionellste Umfeld hat."
So kam er zu Pöstlbergers Coach Helmut Dollinger. Da der Tiroler die Aufnahme seines neuen Schützlings mit seinem Arbeitgeber absprechen musste, landete der Name Anton Palzer auch wieder auf den Tisch von Ralph Denk. "So hat sich der Kreis geschlossen, auch wenn ich mir sicher bin, dass mir das mit der unbeantworteten Nachricht immer wieder mal vorgehalten werden wird", schmunzelte Palzer.
Der Radsport selbst hat ihn in den letzten Jahren immer mehr fasziniert. "Ich habe vor dem Fernseher mitgefiebert, als Emu Buchmann bei der Tour de France ums Podium gefightet hat. Das war für mich ein Wachruf der neuen Generation Deutscher Fahrer, die wieder mit den Weltbesten mitfahren können", sagte Palzer, der angespornt durch die Freundschaft mit den in naher Umgebung lebenden Österreichern wie Pöstlberger, Gregor Mühlberger oder Felix Großschartner den Straßenradsport immer intensiver verfolgte.
Neustart in Brixen
Im Mai 2020 begann schließlich die Zusammenarbeit mit Dollinger, einen Monat später saß er mit Denk und Bora-Hauptsponsor Willi Bruckbauer am Tisch und besprach sich über einen möglichen Sportartenwechsel. "Ich habe mir als Skibergsteiger viele Sponsoren und Partnerschaften aufgebaut, war bei der Bundeswehr angestellt. Das war ein starker Support in den letzten Jahren und hat mir viel gegeben, darum wollte ich die anstehende Skisaison auch noch sauber beenden", erklärte er seinen Einstieg bei Bora-hansgrohe zum 1. April 2021.
19 Tage später erfolgt dann auch der sportliche Neustart. Denn wenn in Brixen die Tour of the Alps startet, dann beginnt sein erstes Straßenrennen. Und das nicht nur im wörtlichen Sinn, denn noch kein einziges Profirennen hat der 28-Jährige bislang absolviert: "Ich weiß, dass ich das Selbstbewusstsein habe, aber es sind noch viele Fragen offen. Wie komme ich im Peloton klar, wie geht es mir in den Abfahrten."
Zuletzt bereitete er sich im Trainingslager in Gran Canaria auf sein Debüt vor. "Dabei ist mir gleich was Positives aufgefallen. Im Vergleich zum Bergsteigen musst du beim Radsport viel weniger an die richtige Bekleidung denken. Denn im Süden ist es gleich etwas anderes als auf über 3.000 Meter", schmunzelte Palzer, der hochmotiviert trainierte dort und jeden Tag noch eine halbe Stunde an den Trainingsplan anhängte.
Zwiehoff und Pöstlberger wertvolle Unterstützung bei der Tour of the Alps
"Veränderung ist immer schön und sorgt für Motivation. Das muss man einfach mitnehmen, so als würde man einen neuen Job beginnen oder eine neue Wohnung einrichten", schilderte Palzer, der am Montag mit zwei seiner wichtigsten Ansprechpartner im Team ins Rennen gehen kann. Denn mit Ben Zwiehoff, ein weiterer Quereinsteiger, steht er regelmäßig im Austausch.
"Ben macht mir viel Mut und sagt immer, irgendwo muss ja der Anfang sein. Er hat dasselbe vor Monaten in den Emiraten durchgemacht", so Palzer. Mit Pöstlberger ist auch sein "Radsport-Mentor" dabei, übrigens zufällig, da der Etappengewinner des Giro d’Italia zuletzt in Belgien eine Woche lang in Quarantäne saß und nun die fehlenden Rennkilometer wieder sammeln möchte.
"Als ich erfahren habe, das Pösti mit dabei ist, war meine Freude riesig. Wir verstehen uns gut und er ist eine angesehene Größe beim Fahrerfeld. Das wird mir bei meinem Einstieg enorm helfen", sagte Palzer, der auch ein wenig private Unterstützung beim Rennen bekommen wird, das nur ein paar Autostunden von seiner Heimat stattfindet: "Ich weiß, dass sich ein paar gute Freunde das ansehen werden und auch meine Freundin wird in Innsbruck und im Kaunertal dabei sein. Das schätze ich extrem."
Aber auch im sportbegeisterten Berchtesgadener Land spürt Palzer den Rückhalt: "Ich merke, dass die Leute kapieren, was das für mich bedeutet und was das für eine riesige Chance für mich ist." Doch zum Popstar in der idyllischen Bergwelt wird Palzer wohl nicht aufsteigen, zumindest nicht bei ihm zu Hause. Er schätzt die Entspanntheit in den Bergen, fernab des Stresses der Großstädte: "Da ist echt noch die Welt in Ordnung. Für meine Spezis, die ich seit dem Kindergarten kenne, bin ich immer noch der Toni, der am Wochenende gefragt wird, ob er auf der Baustelle aushelfen kann. Das wird sich nie ändern."
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