Carapaz nimmt Roglic das Rote Trikot wieder ab

Carthy klettert den anderen Bergziegen auf dem Angliru davon

Von Felix Schönbach

Foto zu dem Text "Carthy klettert den anderen Bergziegen auf dem Angliru davon"
Hugh Carthy (EF Pro Cycling) kletterte den Ziegenpfad am Angliru am schnellsten hinauf. | Foto: Cor Vos

01.11.2020  |  (rsn) - An den steilen Hängen des Alto de l’Angliru hat sich Hugh Carthy (Education First) als stärkster Kletterer des zwölften Vuelta-Tages präsentiert. Der Brite gewann die 109 Kilometer lange Schlüsseletappe der 75. Spanien-Rundfahrt mit 16 Sekunden Vorsprung vor Aleksandr Vlasov (Astana) und Enric Mas (Movistar).

Primoz Roglic (Jumbo-Visma) zeigte leichte Schwächen und musste das Rote Trikot an Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) abgeben. Der Slowene wurde mit 26 Sekunden Rückstand Tagesfünfter und hatte damit zehn Sekunden auf den Ecuadorianer eingebüßt. Carapaz hätte vor dem Zeitfahren am Dienstag allerdings gerne mehr als nur dieses kleine Zeitpolster herausgefahren. So bleiben die besten vier Fahrer im Gesamtklassement weiterhin eng zusammen.

"Es ist ein wahrgewordener Traum. Jeder Profisieg ist ein Traum, aber in einer Grand Tour an einem mythischen Anstieg zu gewinnen, ist das Beste. Es ist schwer, das in Worte zu fassen", beschrieb Carthy seinen ersten Sieg bei einer großen Landesrundfahrt.

Damit hat ein weiterer junger, britischer Kletterer die Weltspitze erreicht. Und das auf einem ungewöhnlichen Pfad: Denn statt bei einer Talentschmiede im U23-Bereich schloss sich Carthy mit 20 Jahren dem spanischen Zweitdivisionär Caja Rural an. Nach zwei Jahren wurde Jonathan Vaughters auf ihn aufmerksam und nahm Carthy unter seine Fittiche. In der vierten Saison bei EF Pro Cycling kann Carthy nun endlich die Früchte dieser Zusammenarbeit ernten und nach dem Etappensieg ums Vuelta-Podium kämpfen.

"Es sieht aufregend aus. Mehr können sich die Zuschauer nicht erhoffen: Ein enges Rennen vor dem Zeitfahren. Alles ist noch offen", ist Carthy auf die letzte Woche gespannt. Der Kampf um den Gesamtsieg ist in der Tat ein sehr enger, und so wechselte das Rote Trikot schon wieder die Schultern.

"Dieser Anstieg hat eine natürliche Selektion ausgelöst. Wir haben gestern bereits viel Energie investiert und heute war wieder eine harte Etappe. Am Ende habe ich es wie Mas und Carthy versucht. Dann habe ich mein Tempo gehalten und das hat mir zehn Sekunden Vorsprung gebracht", beschrieb der neue Gesamtführende Carapaz das Finale.

Roglic trotz Verlust zu Scherzen aufgelegt

Carapaz sollte eigentlich der unterlegene Zeitfahrer sein und die letzte Woche bietet wenig Möglichkeiten, am Berg Sekunden herauszuholen. Doch der letztjährige Giro-Champion ist optimistisch und freut sich erstmal über die zurückeroberte Gesamtführung: "Das ist großartig für uns. Wir werden mit dem Ziel in das Zeitfahren gehen, das Beste zu geben und die Führung zu verteidigen. Ich bin sehr glücklich, wieder Rot zu tragen."

Aufgrund der guten Ausgangslage kann auch Roglic trotz der zehn verlorenen Sekunden der letzten Woche positiv entgegensehen. "Das war ein zu harter Anstieg für einen Sprinter, oder?", scherzte der Slowene, der am Dienstag wieder das Punktetrikot tragen wird und am Freitag per Bergaufsprint die 10. Etappe gewonnen hatte.

Den heutigen Verlust kann Roglic verkraften: "Ich hatte nicht die besten Beine heute, aber am Ende ist es in Ordnung. Nun steht das Zeitfahren an. Es wird hart werden. Ich werde mein Bestes geben und dann sehen wir nach Dienstag weiter", meinte er.

Enric Mas zeigte sich am Schlussanstieg aktiv und verteidigte seine Führung in der Nachwuchswertung. Durch eine weitere Flucht konnte Guillaume Martin (Cofidis) in der Bergwertung für eine Vorentscheidung sorgen. Er hat nun bereits 46 Punkte Vorsprung auf Carapaz auf Rang zwei.

So lief das Rennen:

Auf den 26 flachen Kilometern nach dem Start konnte sich nach mehreren Attacken eine 20 Fahrer starke Spitzengruppe etablieren. In der Gruppe waren neben Guillaume Martin auch Andreas Schillinger (Bora-Hansgrohe), Mattia Cattaneo (Deceunick-Quickstep), Luis León Sánchez (Astana), Antony Roux (FDJ-Groupama), Pierre-Luc Perichon (Cofidis) und Ángel Madrazo (Burgos-BH). Aus dem Feld schloss später noch Davide Formolo (UAE-Emirates) gemeinsam mit Tomasz Marczynski (Lotto-Soudal) auf. Das Jumbo-Visma-Team übernahm die Kontrolle im Feld, gestatte den Ausreißern aber nie mehr Vorsprung als 2:35 Minuten.

Alle Bergwertungen, abgesehen vom Angliru, und die Sprintwertung des Tages wurden von Guillaume Martin gewonnen. Am Fuße des Alto de la Mozqueta, knapp 55 Kilometer vor dem Ziel, attackierte David de la Cruz (UAE-Emirates) gemeinsam mit Thymen Arensman (Sunweb), Esteban Chaves (Mitchelton-Scott) und Ivan Sosa (Ineos Grenadiers) aus dem Feld heraus. Dort verschärfte Movistar gleichzeitig das Tempo und reduzierte den Abstand auf die Spitzengruppe. Chaves und Sosa fielen schnell zurück, während Arensman und De la Cruz am Ende der folgenden Abfahrt eingefangen wurden.

Auf der rutschigen Abfahrt stürzten Andrey Amador (Ineos Grenadiers) im Feld und David Formolo (UAE-Emirates) in der Spitzengruppe. Dadurch konnten Guillaume Martin, Perichon, Roux und Madrazo kurzzeitig bis zu 20 Sekunden Vorsprung auf ihre Mitstreiter herausfahren. Mit Beginn des Alto del Cordal wurden sie jedoch wieder eingeholt. Anschließend sprengte Luis León Sánchez die Gruppe mit einer Attacke, der nur noch Guillaume Martin und Cattaneo folgen konnten. Das Trio bewahrte über den Alto del Cordal einen 25 Sekunden großen Vorsprung und wurde zu Beginn des Schlussanstieges dann aber endgültig vom Feld eingeholt.

Entscheidung am Angliru

Am Anstieg zum Alto del Cordal war es Chris Froome (Ineos Grenadiers), der das Tempo verschärfte und das Feld ausdünnte. Kurz vor der Abfahrt übernahm Jumbo - Visma die Kontrolle aber wiederund gab sie bis weit in den Schlussanstieg nicht mehr ab. Schon im ersten Teil des Angliru fielen einige Klassementfahrer wie Alejandro Valverde (Movistar), Felix Großschartner (Bora-Hansgrohe) und Mikel Nieve (Mitchelton-Scott) zurück. Zu Beginn des schwierigsten Abschnittes, knapp sechs Kilometer vor dem Ziel, waren nur noch Roglic, Carapaz, Carthy, Vlasov, Mas, Jonas Vingegaard und Sepp Kuss (beide Jumbo-Visma), sowie Wout Poels (Bahrain-Merida) vorne.

Das Finale wurde dann von Enric Mas mit einer Attacke vier Kilometer vor dem Ziel eröffnet. Als Kuss versuchte, das Loch zu schließen, gerieten die anderen Favoriten zunächst in Schwierigkeiten. Und eine Konterattacke von Carthy drei Kilometer vor dem Ziel offenbarte, dass Roglic sogar noch mehr Probleme hatte, als seine Konkurrenten. Nach und nach konnten Vlasov und Carapaz, der für eine Zeit lang selbst sehr angeschlagen aussah, zu Mas aufschließen, während Poels endgültig den Kontakt verlor. Roglic wurde von Kuss den Berg hinauf geschleppt, immer knapp hinter seinen Konkurrenten. Dabei sah Kuss wie der eindeutig Stärkste in der ganzen Favoritengruppe aus, arbeitete aber loyal für den Gesamtführenden.

Am steilsten Abschnitt, 1,7 Kilometer vor dem Ziel musste Roglic endgültig reißen lassen, während sich Mas, Carthy und Carapaz leicht absetzen konnten. Während Vlasov noch nach vorne springen konnte, verblieb Dan Martin bei Roglic und Kuss. Kurz vor dem letzten Kilometer setzte Carthy dann seine zweite, entscheidende Attacke. Carapaz, Mas und Vlasov konnten nicht folgen und konzentrierten sich darauf, Zeit auf Roglic gutzumachen. Der rettete sich mit nur zehn Sekunden Rückstand auf Carapaz und 26 Sekunden hinter Carthy ins Ziel.

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