Katusha-Sportdirektor Torsten Schmidt:

“Wir müssen nicht den schönsten Zug haben, nur der Sieg zählt“

Von Christoph Adamietz

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Katusha-Alpecin-Sportdirektor Torsten Schmidt | Foto: Cor Vos

02.07.2018  |  (rsn) - Wie in den vergangenen Jahren auch ist Torsten Schmidt bei der Tour de France der verantwortliche Sportliche Leiter des Katusha-Alpecin-Teams. Bei den Deutschen Meisterschaften in Einhausen ließ Schmidt gegenüber radsport-news.com die bisherige Saison Revue passieren und gab einen Ausblick auf die Ziele bei der Frankreich-Rundfahrt. *

Herr Schmidt, wie fällt eine Woche vor dem Start der Tour de France die Zwischenbilanz bei Katusha-Alpecin aus?
Torsten Schmidt: Wir hatten sicherlich ups and downs, wenn man ehrlich ist. Wir haben tolle Rennen gesehen, aber auch Rennen, bei denen wir uns mehr erwartet hatten. Teilweise kam auch Materialpech dazu, wie etwa beim Scheldeprijs, der ein großes Ziel von Marcel Kittel war. Wenn man drei Mal Defekt hat, wird es schwierig. Bei den deutschen Rennen haben wir uns ganz gut in Szene gesetzt, bei den Klassikern wie der Flandern-Rundfahrt oder Paris - Roubaix hat Nils Politt sein Potenzial gezeigt. Neuzugang Nathan Haas ist im Oman toll gefahren, war dann leider verletzt und krank. Auch Marco Haller als Leadout-Mann ist durch einen schweren Unfall gegen ein Auto für die Saison praktisch krankgeschrieben.

Auf der Position des Sprintkapitäns hat es im Winter einen Wechsel gegeben. Wie fällt da Ihr Zwischenfazit aus?
Schmidt: Marcel Kittel und Alexander Kristoff sind ganz unterschiedliche Sprintertypen. Beide sind endschnell, man kann sie aber nicht miteinander vergleichen. Kristoff hat die Fähigkeit, Mailand-Sanremo oder die Flandern-Rundfahrt zu gewinnen, Marcel ist da der pure Sprinter, der noch mehr Endgeschwindigkeit hat, etwa bei Tour--Etappen. Unser Management hat sich für den Wechsel entschieden und hat mit Marcel auch einen Fahrer, der für Siege sorgen soll und dies auch tun wird.

In den Sprints lief es bisher aber noch nicht rund. Woran lag es?
Schmidt: Rennen ist Rennen, da kann man zuvor so viel besprechen wie man will. Unser Saisonstart mit Marcel und den Lead-out-Jungs fand in Dubai stand. Vor und nach dem Rennen gab es Besprechungen, aber es lässt sich nicht immer ins Rennen übertragen. Wir haben verschiedene Wind- und Rennsituationen – man kann alle Faktoren besprechen, aber man bekommt keine zweite Chance. Katusha-Alpecin hat aber immer einen guten Sprintzug gehabt. Im letzten Jahr hatten wir bei der Tour auf den letzten 1500 Metern zwei, drei Leute, die Kristoff gut zugearbeitet hatten. Andere Teams und Sprinter arbeiten auch hart, um den perfekten Leadout-Zug zu bekommen. Aber die Absicht ist schon, dass es auch bei uns perfekt läuft. Aber ich habe bei Rennen auch schon gesagt: Wir müssen nicht den schönsten Zug haben, was zählt ist der Sieg.

Bei manchen Teams, wie Quick-Step Floors schlagen die Neuzugänge direkt ein, bei anderen nicht. Woran liegt das?
Schmidt: Quick-Step fährt eine extrem starke Saison, sie stechen einfach heraus. Wenn wir wüssten, warum das so ist, dann könnten wir das auch ändern – gerade mit Blick darauf, warum Neuzugänge dort so einschlagen. Aber auch dort laufen nicht alle Rennen perfekt, auch wenn die Siege natürlich alles überstrahle.

War Kittels Saisonplanung komplett auf die Tour ausgerichtet?
Schmidt: Das Ziel war von Anfang an die Tour. Aber auch in Dubai, Abu Dhabi, Tirreno, Kalifornien…die Stationen der Saison fährt man mit Marcel auf Sieg. Da sagt man nicht; wir gehen die Sache ruhig an und drücken im Juli die Daumen, dass er dann einschlägt. Dafür ist Marcel auch Profi genug, er hat in den letzten Jahren gezeigt, welche Möglichkeiten er hat. Die Tour ist der Fokus, im letzten Jahr hat er viele Etappen gewonnen, daran wird er gemessen. Die Erwartungen sind da natürlich umso höher, da 2018 ab dem ersten Rennen zu bestätigen. Das ist etwas ausgeblieben. Aber Marcel trainiert professionell, lebt professionell, er hat ein gutes Umfeld, er wird in Zukunft wieder viele Siege einfahren.

Kann man mit dem Blick auf das achtköpfige Aufgebot von einer strikten Zweiteilung in Sprint und Klassement sprechen?
Schmidt: Pauschal könnte man von einer Zweiteilung sprechen. Aber Tony Martin und Nils Politt können auch Klassementfahrer Ilnur Zakarin helfen, sie sind am Berg nicht im ersten Grupetto. Kochetkov und Boswell können auch auf Flachetappen helfen. Für das Klassement haben wir Ilnur, Marcel für die Sprints. Beide haben die 100-prozentige Unterstützung des Teams. Man kann die Tour in zwei Teile teilen, die ersten neun Etappen für die Sprinter, dann zählt es so richtig für die Klassementfahrer.

Überraschend kam die Nominierung von Pavel Kochetkov..
Schmidt: Nominierungen sind immer schwierig und hart. Kochetkov war die letzten Jahre an Ilnurs Seite, ist ein ganz treuer Helfer. Er kümmert sich um ihn. Ilnur vertraut auf ihn.

Zakarin hat das Ziel Top Fünf formuliert. Halten Sie das für realistisch?
Schmidt: Ja. Seine Saison verläuft bisher sehr gut, er kommt immer besser in Fahrt. Ilnur hatte weniger Rennen, keine Verletzungen, keine Stürze wie in den Jahren zuvor, Ich bin zuversichtlich.

Der Sprintzug besteht aus vier deutschen Fahrern. An der Kommunikation dürfte es da nicht scheitern...
Schmidt: Die Kommunikation ist gar kein Problem. Man muss schauen, wie sich das Finale gestaltet. Rick (Zabel) und Marcel sind quasi jedes Rennen zusammen gefahren, sie waren auch zusammen im Höhentrainingslager, teilen sich bei der DM ein Zimmer. Rick hat in Köln und Kalifornien einen super Job gemacht. Er ist letzter Anfahrer, Nils versteht sich auch gut mit den Jungs, hat keine Angst im Finale.

Wird auf Etappen, die deren Finals für Kittel zu schwer sind, Rick Zabel seine Freiheiten bekommen?
Schmidt: Auf den ersten Etappen kommen selten Gruppen an. Da heißt es ganz loyal den Leadern gegenüber sein. Auch auf der Kopfsteinpflasteretappe werden wir kein Risiko eingehen, da wird Ilnur unterstützt werden. Auf zwei Hochzeiten zu tanzen ist nicht ganz einfach, aber wenn man zu viel abhaben will, dann verzettelt man sich.

Wird bei der Besprechung nur auf das eigene Team geschaut oder reagiert man auch die Fahrweise der Konkurrenz?
Schmidt: Alle Teams schauen, was am Vortag war, wie ist die Konkurrenz gefahren. Man schaut schon, wie andere Teams versuchen, ihren Erfolg zu bekommen und darauf wird auch die eigene Taktik ausgerichtet.

Wie sehen die letzten Tage vor dem Tourstart aus?
Schmidt: Die letzten Tage sind gut durchgeplant, am Dienstag erfolgt die Anreise nach Frankreich, am Mittwoch Training mit Besichtigung der 1. Etappe, Donnerstag steht der Medizincheck an, Teampräsentation am Freitag, und am Samstag geht es los.

Wie groß ist die Vorfreude auf die Tour?
Schmidt: Die Tour ist immer ein besonderes Rennen. Eines der größten Sportevents. Da freut man sich schon. Man macht sich aber auch mehr Gedanken als bei einem normalen Radrennen, von Nervosität würde ich aber nicht sprechen.

* Das Interview wurde vor dem DM-Straßenrennen geführt, in dem Kittel nur Rang zehn belegte.

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