Sieg-Fabrik Quick-Step Floors: Moralboosts oder Leistungsdruck?

Jakobsen setzt Beutezug des “Wolfsrudels“ fort: 24 Saisonerfolge

Von Felix Mattis

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Fabio Jakobsen (Quick-Step Floors) gewinnt den Scheldeprijs. | Foto: Cor Vos

05.04.2018  |  (rsn) - Das Heulen des "Wolfpacks" ist in dieser Saison ständig zu hören. Quick-Step Floors sammelt ein Siegerfoto nach dem anderen für seine Sponsoren und hat besonders in seiner belgischen Heimat bislang eine schier unglaubliche Jahresbilanz vorzuweisen. Neun "Heimrennen" hat der Rennstall von Patrick Lefevere bereits für sich entschieden, und das im Jahr eins nach Tom Boonen, obwohl Sprint-Ass Marcel Kittel das Team verlassen hat und auch Fernando Gaviria verletzungsbedingt bereits viel aussetzen musste.

Das stark verjüngte Team rauscht von Sieg zu Sieg, und das mit den unterschiedlichsten Fahrern. 24 Saisonsiege stehen insgesamt bereits zu Buche, errungen durch elf unterschiedliche Profis - darunter mit Gaviria, Remi Cavagna, Alvaro Hodeg, Fabio Jakobsen und dem Deutschen Maximilian Schachmann gleich fünf aus der Kategorie U25. Seit Niki Terpstras Triumph bei der Flandern-Rundfahrt am Sonntag durfte die Presseabteilung in drei Tagen schon drei weitere Siegesmeldungen herausschicken.

Den jüngsten Erfolg fuhr am Mittwoch der 21-jährige Jakobsen ein. Der Niederländer gewann den Scheldeprijs im Sprint eines bei widrigen Bedingungen und nach einem chaotischen Rennen stark dezimierten Hauptfeldes.   

"Es ist großartig, so einen tollen Sprint zu fahren und hier zu gewinnen", freute sich Jakobsen über den Gewinn der inoffiziellen "Weltmeisterschaft der Sprinter" und seinen zweiten Saisonerfolg, drei Wochen nachdem er bereits Danilith Nokere Koerse für sich entschieden hatte. "Es ist der größte Erfolg meiner noch jungen Karriere und er gibt mir noch mehr Motivation, hart zu arbeiten und mich weiter zu verbessern, um einer der besten Sprinter der Welt zu werden und bei allen Grand Tours um Etappensiege zu kämpfen."

Kleine Brötchen backt der Niederländer nicht, stattdessen ist er offensichtlich mit einem großen Selbstbewusstsein ausgestattet. Bei den sprinterfreundlichen Weltmeisterschaften von Katar 2016 fuhr er als gerade 20-Jähriger auf den 14. Platz - nichts, was großes Aufsehen erregte. Und auch sonst schien er bis 2017 zwar ein Fahrer mit Profi-Potential zu sein, jedoch keiner, der Bäume ausriss.

Im vergangenen Jahr aber ging es steil bergauf. Er gewann unter anderem die U23-Ausgabe von Eschborn-Frankfurt und eine Etappe der Tour de l'Avenir im Sprint vor seinem heutigen Teamkollegen Hodeg sowie dem U23-Weltmeister von Katar, Kristoffer Halvorsen. Im Winter folgte der Aufstieg vom Continental-Rennstall SEG Racing Academy in den WorldTour-Kader von Quick-Step Floors, und schon Anfang April hat Jakobsen nun zwei Siege bei belgischen HC-Rennen in seinen Palmares stehen.

"Ich mag es, in Flandern zu fahren und kann nicht sagen, dass mich die Bedingungen heute gestört hätten", sagte er nach dem Scheldeprijs-Sieg in Schoten, wo er von seinem Team im finalen Sprint stark unterstützt wurde: "Iljo (Keisse) und Zdenek (Stybar) sind ab der Zwei-Kilometer-Marke Vollgas gefahren, während ich nur an Michaels (Morkov) Hinterrad bleiben musste bis zur 200-Meter-Marke." Zwar wurde Jakobsen am linken Straßenrand kurz etwas eingebaut, befreite sich aber gut und zog unwiderstehlich zum überlegenen Sieg vor Pascal Ackermann (Bora-hansgrohe) durch. "Ich hätte das nicht ohne die unglaubliche Unterstützung meiner Teamkollegen geschafft. Also geht ein großes Danke an sie", sagte er anschließend.

Nicht nur die Arbeit direkt im Rennen, sondern auch die Erfolgsserie seines Rennstalls dürfte Jakobsen geholfen haben. Wenn es läuft, dann läuft es eben, sagt man so lapidar. Doch tatsächlich scheint jeder Sieg des "Wolfpacks" momentan ein kleiner Moral-Boost für den Rest des Teams zu sein. "Wir fahren immer auf Sieg. Und wenn einer anfängt zu gewinnen, wollen wir das alle. Das hält uns immer am Laufen", meint Jakobsen - oder, anders ausgedrückt: Gewinnt einer, müssen die Anderen nachziehen. Denn bei so hoher Erfolgsquote und Leistungsdichte ist auch der interne Konkurrenzkampf hart.

Beim Scheldeprijs beispielsweise stand neben Jakobsen auch der ebenfalls schon mit zwei Saisonsiegen - darunter sogar einer in einem WorldTour-Rennen - geschmückte, 21-jährige Kolumbianer Hodeg am Start, wurde dann aber wie Rekordsieger Kittel durch einen Defekt gestoppt. Wer weiß, ob das Team ohne diesen Defekt den Sprint für Jakobsen angezogen hätte? So aber bekam er die Chance und wusste, dass er sie nutzen muss. Denn der Hunger seines Bosses Lefevere ist nur durch Siege zu stillen. Und bei ihm muss man sich schließlich um neue Verträge bewerben.

Wie groß der Leistungsdruck im Wolfsrudel zu sein scheint, war bei Gent-Wevelgem zu erahnen, als Elia Viviani hinter Weltmeister Peter Sagan (Bora-hansgrohe) Zweiter wurde und anschließend bittere Tränen vergoss - als bereits sechsfacher Sieger in dieser Saison.

Wer bei Quick-Step Floors die Chance bekommt, um den Sieg zu fahren, muss sie nutzen. Und schon in dieser Woche könnte das Konto von 24 Saisonerfolgen weiter aufgestockt werden: Julian Alaphilippe fährt im Baskenland um einen Rundfahrtsieg, und am Sonntag will Terpstra bei der Königin der Klassiker in Roubaix das Kopfsteinpflaster-Double schaffen - oder eben einem seiner zahlreichen anderen mitfavorisierten Teamkollegen zum Pflasterstein verhelfen: Stybar, Philippe Gilbert, Yves Lampaert - mindestens vier Siegkandidaten stehen am Start und teilen sich den Druck - oder vervierfachen ihn sogar. Es kommt auf den Blickwinkel an.

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