Interview am Karriere-Ende

Aldag sagt Servus und Hallo

Von Matthias Seng

24.01.2006  |  Rolf Aldag zählte 15 Jahre lang zu den Stützen des Bonner Rennstalls T-Mobile (früher Team Telekom). Am kommenden Wochenende wird der 37 jährige Westfale bei den Berliner Sixdays seinen Abschied als Radprofi geben. Im Interview mit Radsport aktiv äußert sich Aldag über seine Erwartungen an sein letztes Rennen, über seinen neuen Job in der T-Mobile-Kommunikationsabteilung und über seine schönsten und schlimmsten Momente als Rennfahrer.

Herr Aldag, Sie hatten als Folge eines Blinddarmdurchbruchs zwei Operationen zu überstehen. Wie geht es Ihnen?

Aldag: Den Umständen entsprechend, würde ich sagen. Bei einer normalen Blinddarmoperation fällt man für zwei Tage aus, bei einem Blinddarmdurchbruch, wie es bei mir der Fall war, sind es dann eben zehn. Aber jetzt bin ich alles in allem doch wieder gesund und munter.

Die Bremer Sixdays mussten Sie absagen. Werden Sie an der Seite von Robert Bartko beim Berliner Sechstagerennen antreten und dort wie geplant Ihr Abschiedsrennen fahren?

Aldag: Ja. Mein Trainingszustand könnte zwar besser sein, und nach meinen Operationen kann ich nur schwer einschätzen, ob ich in guter Form bin. In den ersten Trainingstagen auf der Bahn war mein Tritt noch nicht wirklich rund. Aber ich habe schon den Ehrgeiz, in meinem letzten Rennen nicht 14. oder so zu werden. Mein Partner Robert Bartko ist, wie ich von seinem Mechaniker erfahren habe, sehr gut drauf und wird bei seinem Heimrennen besonders motiviert sein. Wir wollen schon noch was reißen.

Sie wechseln in die T-Mobile-Kommunikationsabteilung. Welche Aufgaben warten dort auf Sie?

Aldag: Zunächst einmal: Mein Wechsel dorthin erfolgt nicht abrupt. Ich habe beispielsweise im November beim Teamtreffen in Wien schon erste Erfahrungen in meinem neuen Aufgabengebiet sammeln können. Und für die Zukunft: Ich werde wohl bei T-Mobile als eine Art Mädchen für alles fungieren: etwa bei einem T-Mobile-Event in Österreich Fachjournalisten betreuen, Moderationen bei Teampräsentationen übernehmen oder vor und während den großen Rennen wie etwa der Deutschland Tour VIPs den Radsport näher bringen.

Gibt es bei T-Mobile eine Art Fortbildung zum Kommunikationsfachmann für Sie oder wagen Sie den Sprung ins kalte Wasser?

Aldag: Für’s erste wird es ein learning by doing sein mit der Option auf eine professionelle Weiterbildung. Das ist auch schon von T-Mobile und auch vom ZDF so angedacht. Ich werde demnächst meinen Kalender durchforsten müssen, wann ich für so etwas Zeit haben werde. Ich würde beispielsweise gerne einmal drei Wochen in eine Redaktion hineinschnuppern, aber bisher hatte ich keine Zeit dafür.

Werden wir Sie auch in diesem Jahr bei der Tour de France in Ihrem Nebenjob als ZDF-Kommentator erleben?

Aldag: Ja, wobei das ja schon mehr als nur ein Nebenjob ist. In diesem Jahr werden es mehr als drei Wochen Arbeit für mich werden. Ich bin ja als Ex-Fahrer künftig nicht mehr so am Puls der Zeit und muss vor der Tour deshalb einiges an Mehrarbeit leisten. Im letzten Jahr habe ich als aktiver Fahrer quasi nebenbei einiges an Neuigkeiten aus dem Fahrerlager erfahren, das ich gut gebrauchen konnte für meine Tätigkeit als Kommentator. Das wird sich in Zukunft nicht mehr so einfach gehen.

Sie haben bei T-Mobile wie kein zweiter die Rolle des selbstlosen Helfers ausgefüllt, der zudem noch für gute Stimmung im Team sorgte. Wer könnte die Lücke füllen, die Sie hinterlassen haben?

Aldag: Das ist wirklich schwer zu sagen. Mit so einer Aufgabe wird man ja nicht betreut, so etwa ergibt sich aus der Situation heraus. Die Neuzugänge kenne ich noch nicht so gut. Aber wenn die Grundstimmung positiv ist, braucht man ja vielleicht auch gar keinen stets gut gelaunten Antreiber mehr.

Wie lange wird es Ihrer Einschätzung nach dauern, bis aus den verbliebenen Fahrern und den vielen Neuzugängen ein gut funktionierendes Team entstanden sein wird?

Aldag: Die Kerntruppe mit Ullrich und Klöden für die Rundfahrten, Wesemann und Klier für die Klassiker bleibt ja intakt. Sicherlich ist ein Erik Zabel nicht gleichwertig zu ersetzen und Winos einmalige Art Rennen zu fahren wird man bei T-Mobile auch vermissen. Aber ich war letzte Woche beim Team auf Mallorca und da hatte ich den Eindruck, dass schon ein gutes Miteinander herrscht. Da setzt sich beispielsweise ein Jan Ullrich schon mal zu den Italienern an den Tisch – von Grüppchenbildung also keine Spur. Auch die neue Dienstsprache Englisch wird sicherlich dazu beitragen, dass sich das Team schnell findet.

Sie können auf eine lange Karriere zurückblicken. Welche waren die schönsten Momente, welche die schwersten?

Aldag: Grundsätzlich waren immer die Momente in Paris auf den Champs-Elysees schön, wenn man eine Tour zu Ende gebracht hat. Natürlich waren die beiden Toursiege von Bjarne Riis und Jan Ullrich wunderbare Momente, wobei für mich persönlich Bjarnes Toursieg 1996 am schönsten war. Der Sieg damals kam ja völlig überraschend und im Team herrschte eine unglaubliche Euphorie. Im Jahr darauf bei Jans Sieg waren wir schon abgeklärter, denn wir hatten ja gleich zwei Tour-Favoriten im Team. Da gab es halt keinen Knalleffekt mehr. Das schwerste oder schlimmste Erlebnis war die – neutralisierte - Etappe am Tag nach Fabio Casartellis tödlichem Sturz bei der Tour 1995. Nach einer solchen Tragödie zweifelt man schon an Sinn und Zweck seines Berufs. Da fährt man Rad um die Wette und dabei stirbt einer, der sein zwei Monate altes Kind gerade vier Mal zu Gesicht bekommen hat.

Die Geburt Ihrer eigenen Tochter kommentierten Sie mit den Worten: Zum Glück muss ich später nicht an den Wochenenden zu Radsportveranstaltungen. Was tun Sie, wenn Ihre Tochter später den Frauenradsport entdecken sollte?

Aldag: Dann werde ich natürlich an den Wochenenden zu Radsportveranstaltungen gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich dem Radsport zuwendet, ist ja geringer als bei einem Jungen, aber ich werde meine Tochter bei allem zu 100 Prozent unterstützen, was sie später machen will. Wenn sie Geige spielen will, werde ich sie unterstützen, und wenn sie Radsport betreiben will, dann werde ich ihr auch dabei zur Seite stehen – auch wenn es ein harter Sport ist. Nach einem Beinbruch habe ich einmal mit dem Team von Hanka Kupfernagel trainiert und dabei mitbekommen, was die Frauen leisten. Da können sich manche Männer eine Scheibe abschneiden.

Wird Ihr Rennrad ab nächste Woche in der viel zitierten Ecke stehen oder werden Sie auch als baldiger Ex-Profi weiter fahren?

Aldag: Radfahren war ja nicht nur 15 Jahre lang mein beruf, es ist auch mein Hobby. Außerdem werde ich aus gesundheitlichen Gründen ein umfangreiches Programm absolvieren müssen und vernünftig abtrainieren. Von 40.000 Kilometer im Jahr auf 0 wäre der Gesundheit nicht gerade zuträglich. Und da ich noch ein paar Jahre leben will, werde ich also schon deshalb mit dem Rad fahren nicht von heute auf morgen aufhören. Allerdings werde ich später irgendwann nicht mehr mit Computer und Pulsuhr durch die Gegend fahren, sondern eher, um die Landschaft zu genießen.

Weitere Radsportnachrichten

28.04.2024Van den Broek gewinnt als erster Niederländer Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Wegen Regen und Wind musste die Schlussetappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) abgesagt werden. Frank van den Broeck (dsm-firmenich – PostNL) verteidigte so kampflos sein Führungstrikot

28.04.2024Lipowitz mit seiner Giro-Generalprobe mehr als happy

(rsn) – Auch wenn er im Vorjahr bei der Czech Tour die Gesamtwertung gewann, so ist die diesjährige Tour de Romandie als Durchbruch in der Karriere von Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) zu bewe

28.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

27.04.2024Highlight-Video der Königsetappe der Tour de Romandie

(rsn) - Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) hat eine glänzende Vorstellung auf der Königsetappe der Tour de Romandie abgeliefert. Der 23-jährige Deutsche attackierte im Schlussanstieg hinauf nach

27.04.2024Huys saust im Zeitfahren allen davon

(rsn) – So schnell wie Tabea Huys (Maxx Solar Rose Women Racing) war noch nie eine Athletin auf dem 13,5 Kilometer langen Zeitfahrparcours der Gracia-Rundfahrt in der Tschechischen Republik. Seit 20

27.04.2024Lipowitz kommt in Leysin nicht mehr an Carapaz vorbei

(rsn) – Lange blieb es auf der Königsetappe der Tour de Romandie (2.UWT) ruhig, doch das letzte Drittel des Schlussanstieges reichte aus, um die Gesamtwertung nochmal ordentlich durchzuwirbeln. Und

27.04.2024“Alles in trockenen Tüchern“: Dorn hat Rot und Weiß sicher

(rsn) - Einen Tag vor Rundfahrtende hat Vinzent Dorn (Bike Aid) freudige Gewissheit. Nach dem Bergtrikot ist dem Freiburger bei der Türkei-Rundfahrt (2.Pro) auch das Weiße Trikot der Zwischensprint

27.04.2024Andresen sprintet zum Tageserfolg in Izmir

(rsn) - Der Däne Tobias Lund Andresen feiert auf der 7. Etappe der 59. Tour of Türkiye seinen zweiten Sieg in wenigen Tagen und gleich den fünften für sein Team DSM Firmenich - PostNL bei der aktu

27.04.2024Reusser zurück im Feld und auf dem Weg zu Olympia

(rsn) - Knapp ein Monat ist seit dem schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vergangen, der für die 32-jährige Marlen Reusser (SD Worx - Protime) schwere Folgen hatte. Ober- und Unterkiefer, die

27.04.2024Ein Klassikerfrühjahr 2025 mit Evenepoel?

(rsn) – Mit Lüttich-Bastogne-Lüttich hat Remco Evenepoel (Soudal – Quick Step) schon eines der fünf Monumente abgehakt, auch die Lombardei-Rundfahrt liegt dem jungen Belgier gut. Im nächsten J

26.04.2024Vollering, ´ELB´ & Niewiadoma kämpfen um erste GT der Saison

(rsn) – Die erste Grand Tour der Saison beginnt nicht erst am 4. Mai in Italien, sondern bereits am Sonntag in Valencia. Zugegeben: Die Vuelta Espana Femenina (28. April - 5. Mai) ist keine dreiwöc

26.04.2024Highlight-Video der 3. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Brandon McNulty (UAE Team Emirates) hat das Einzelzeitfahren der 77. Tour de Romandie gewonnen. Der US-Meister in dieser Disziplin benötigte für den 15,5 Kilometer langen Parcours rund um

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Gracia Orlová (2.2, CZE)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)