Heikos Tour

Same procedure as every year

Von Heiko Salzwedel

13.07.2005  |  Die gestrige Etappe hat bei mir vor allem Ernüchterung hinterlassen. Lance Armstrong hat wieder einmal bewiesen, dass er der stärkste Fahrer im Feld ist. Er ist ein Rennfahrer wie von einem anderen Stern, auch wenn ihm diesmal nach Courchevel hinauf einige Fahrer noch folgen und Valverde ihn sogar im Sprint besiegen konnte. Nebenbei bemerkt: eine fantastische Leistung des Spaniers, aber ich bezweifle, dass er sie wird wiederholen können.

Wenn man nach Gründen für die einmalige Überlegenheit des Amerikaners sucht, kommt man an seiner Krebserkrankung vor knapp zehn Jahren nicht vorbei. Da stand Armstrong an der Schwelle vom Leben zum Tod. Er besiegte die Krankheit. Und als er ins Leben zurückkehrte, war er ein anderer Mensch. Eine solche existenzielle Veränderung erlebt man oft bei Menschen, die lebensbedrohende Krankheiten oder Situationen überstanden haben. Armstrongs Kraft, sein fanatischer Wille und seine eiserne Disziplin rühren aus seinen Todeserfahrungen her. Dazu kommen dann natürlich sein unbestrittenes Talent und eine bewundernswerte Professionalität.

Ein solcher Sportler polarisiert. Die Dopingvorwürfe sind eine Folge davon. So wird behauptet, er könnte sich quasi legal dopen, um seinen Hormonhaushalt, der als Folge seiner Operation geschädigt ist, wieder auszugleichen. Daran stimmt so viel: Armstrong nimmt Testosteron zu sich, darf es, ja ,muss es zu sich nehmen, um seinen Hormonspiegel anzuheben. Aber nur auf das für einen Mann seines Alters übliche Niveau. Ihm daraus eine Dopingschlinge drehen zu wollen, ist unredlich.

Lance Armstrong hat Jan Ullrich und T-Mobile gestern eine bittere Niederlage bereitet. Angesichts seiner Sturzverletzungen kann ich Jan aber keinen Vorwurf machen. Mehr war in seinen Zustand einfach nicht drin. Geprellte Rippen schmerzen viel stärker als gebrochene. Dazu kommt, dass in Höhen, in denen die Fahrer sich gestern bewegten, die Atmung gleich drei Mal so schwer fällt wie auf flachem Terrain. Für Jan spricht, dass er nichts beschönigt und keine Entschuldigungen sucht. Er sagt, Armstrong wäre einfach besser gewesen. Das stimmt. Was er nicht gesagt hat: Mit Rippenprellungen kann man gegen einen Armstrong nicht gewinnen.

Ich hoffe, dass sich T-Mobile schnell von diesem Schock erholt. Ullrich, Klöden und Winokurow können jetzt ohne Druck fahren, denn den Tour-Sieg erwartet jetzt niemand mehr.

Ich hatte in einer meiner früheren Kolumnen bereits über die Zeitfahrstärke der Amerikaner gesprochen. Gestern zeigten zumindest drei von ihnen auch am Berg fantastische Vorstellungen. Neben Armstrong waren das Floyd Landis und Levi Leipheimer. Gerolsteiner kann man zur Verpflichtung Levis nur beglückwünschen. Er gleicht die eher schwache Vorstellung von Georg Totschnig mehr als aus und ist in der Gesamtwertung für einen Platz unter den ersten Fünf gut.

Ein Geheimnis des amerikanischen Erfolgs ist, dass die Armstrong, Lands, Leipheimer & Co. trainingsmethodisch ganz neue Wege gehen. Eine ähnliche Innovationsfreudigkeit wie die Amerikaner beweist auch Bjarne Riis. Der Erfolg seines Teams CSC und des Kapitäns Ivan Basso gibt dem Dänen recht. Trotz der Belastungen aus dem Giro fuhr Basso gestern ganz vorne mit. Wer weiß, wo der Italiener gelandet wäre, wenn er sich ausschließlich auf die Tour hätte vorbereiten können. Aber weil Bjarne Riis auf der Suche nach neuen Geldquellen war, musste sein bester Mann wohl aus ökonomischen Gründen auch noch den Giro bestreiten.

Vielleicht sollten sich in Sachen Trainingsmethodik die Deutschen bei den Amerikanern und bei Bjarne Riis etwas abschauen. Hierzulande wird leider allzu oft noch auf Nummer sicher gegangen.

Nicht auf Nummer sicher gegangen ist gestern Jörg Jaksche. Der deutsche Legionär in Diensten des spanischen Liberty Seguros-Teams stahl seinem Kapitän Roberto Heras die Show. Vielleicht gibt Manolo Saiz seinem Edelhelfer jetzt freie Fahrt. Verdient hätte es sich Jörg schon längst.

Einen weiteren Deutschen will ich hier nicht vergessen, auch wenn er gestern mit großem Abstand ins Ziel kam: Jens Voigt konnte sich nur einen Tag über das Gelbe Trikot freuen. Für Anstiege wie die nach Courchevel ist der Berliner einfach nicht gemacht.

In der Gesamtwertung hält Armstrong alle Trümpfe in der Hand. Die nächstplatzierten Rasmussen – dem ich eine solche Leistung wie die von gestern nicht mehr zugetraut hätte – Basso, Mancebo und Valverde sind allesamt deutliche schlechtere Zeitfahrer als er. Und am Berg scheint Armstrong ähnlich stark wie im Vorjahr zu sein. Aber auch wenn alles nach dem siebten Triumph des Amerikaners aussieht, habe ich nach wie vor die Hoffnung, dass wir noch einige Überraschungen erleben werden. Es richtet sich nicht gegen Armstrong, wenn ich sage: Ich weigere mich beharrlich zu glauben, dass die Tour jetzt schon gelaufen ist. Sie war bis gestern spannend wie kaum eine zuvor in den letzten Jahren – und es wäre schön, wenn diese Spannung bis zum vorletzten Tag anhalten würde.

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.08.2005Holczer: "Jan Ullrich bleibt der Top-Favorit"

(sid) - Nach dem Doppelsieg seiner Schützlinge auf der Königsetappe der Deutschland-Tour ist Gerolsteiner-Teamchef Michael Holczer euphorisiert. Dennoch bleibt für ihn T-Mobile-Profi Ja

25.07.2005Tour de Lance – der Champion tritt ab!

Der letzte Auftritt Lance Armstrongs auf der Bühne der Tour de France war zugleich sein beeindruckendster. Ich habe an anderer Stelle schon geschrieben, dass ich Lance noch nie so stark und überlege

24.07.2005Rabobank blamiert sich

So etwas habe ich noch nie gesehen: Der Drittplatzierte der Gesamtwertung im wichtigsten Radrennen der Saison wird von seinem Team im Stich gelassen. Was Mickael Rasmussen, dem tapferen Dänen, am Sam

22.07.2005T-Mobile schlägt zurück!

Die gestrige Etappe war ein Krimi vom Anfang bis zum Ende. Schon bevor sich die zehnköpfige Spitzengruppe schließlich bilden konnte, hatten zahlreiche Profis versucht, sich aus dem Hauptfeld abzuset

21.07.2005Discovery Channel ist noch nicht satt

Die längste Etappe endete mit dem längsten Schlussspurt. Es war ein regelrechter Ausdauersprint, der vom Giro-Sieger Paolo Savoldelli gegen den Norweger Kurt-Arsle Arvesen souverän gewonnen wurde.

20.07.2005Evans packt bei Abfahrten der Horror

Erneut trübte eine schreckliche Tragödie die Vorfreude auf eine Tour-Etappe. War es vor zwei Wochen der Terroranschlag in London, so ist es diesmal die Nachricht vom tödlichen Trainingsunfall in T

18.07.2005Doppelte Dramatik und ein souveräner Herrscher

Die Dramatik der gestrigen Etappe resultierte aus der Konstellation. Vorne wurde um den Tagessieg gefightet, in der Verfolgergruppe um den Gesamtsieg. Und die Gruppe mit den Sprintern fuhr ihr eigenes

17.07.2005Totschnig siegt mit Ansage

In der Woche noch wäre Georg Totschnig am liebsten aus der Tour ausgestiegen, weil nichts lief. Nur den aufmunternden Worten seiner Familie und seines Teamchefs Hans Michael Holczer war es zu verdank

16.07.2005Davitamon opfert sich für McEwen auf

Ich hatte für gestern zwar einen Sieg von Robbie McEwen erwartet, aber nachdem ich am Start der Etappe noch mit ihm gesprochen hatte, war meine Zuversicht etwas ins Wanken geraten. Robbie schien ein

15.07.2005Wer attackiert Armstrong?

Zunächst: Ehre, wem Ehre gebührt. Die Franzosen feuerten gestern pünktlich zum Nationalfeiertag ihren ersten Etappensieg bei dieser Tour. Drei französische Teams hatten Fahrer in der Ausreißergru

14.07.2005T-Mobile gibt nicht auf!

Aufatmen bei T-Mobile: Das Team lässt sich nicht unterkriegen. Winokurows Gipfelsturm gestern war ein ganz besonderes Husarenstück. Auch im Sprint hat Wino seine Form bestätigt und Botero keine Ch

11.07.2005Voigts Gelbes überstrahlt Ullrichs Malheur

Niemand hat das Gelbe Trikot so verdient wie Jens Voigt. Der Berliner ist das Musterbeispiel eines Radprofis und gibt in jedem Rennen alles. Seine Arbeitsauffassung ist vorbildlich. Wie er auch heute

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Tarling will Fokus auf Klassiker legen

(rsn) – Wenn Josh Tarling (Ineos Grenadiers) erfolgreich ist, dann im Zeitfahren. Als der heute 20-Jährige vor zwei Jahren den Sprung von den Junioren direkt zu den Profis machte, überzeugte der B

21.11.2024GPS-Tracking: Tour de Suisse und Tour of Austria wollen UCI zuvorkommen

(rsn) – Die tödlichen Unfälle von Gino Mäder, André Drege und Muriel Furrer in den vergangenen 17 Monaten werden zumindest bei Rundfahrten in der DACH-Region, also in Deutschland, Österreich un

21.11.2024Wiggins-Schulden deutlich höher als zunächst angenommen

(rsn) – Offenbar sind die Schulden von Bradley Wiggins deutlich höher als bisher angenommen. Als im Juni ein Insolvenzverfahren gegen den Tour-de-France-Sieger von 2012 eröffnet wurde, weil seine

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine