Die Geschichte der Tour de France

04.07.2002  |  Die Neugründung einer Sportzeitung, deren Hauptinteresse dem Radsport galt, steht am Beginn der Geschichte des heute wohl bedeutendsten Radrennens der Welt, der Tour de France. Ein politischer Prozess, der die gesamte französische Gesellschaft spaltete, spielte dabei eine entscheidende Rolle. Der Armeehauptmann Alfred Dreyfus, ein Jude aus dem Elsass, war wegen Geheimnisverrats zur Verbannung auf die Teufelsinsel verurteilt worden. Als sich herausgestellt hatte, dass Dreyfus keineswegs, wie es ihm vorgeworfen worden war, Landesverrat begangen hatte, sondern Opfer einer konservativ-antisemitischen Elite geworden war, spaltete sich das Land. Was nun hat dieses Ereignis mit der Tour de France zu tun?

Der Chefredakteur der bis dahin bedeutendsten Sportzeitung in Frankreich „Le Vélo“ hatte sich auf die Seite der Dreyfusunterstützer gestellt, was dem Hauptgeldgeber des Blattes, einem Dreyfusgegner, alles andere als genehm war. Mit einigen anderen Gesellschaftern verließ er „Le Vélo“ und gründete eine neue Zeitung. Chefredakteur wurde ein gewisser Henri Desgrange, ein ehemaliger Radsportler und Rennbahnmanager. Nach einem Plagiatsprozess gegen das Konkurrenzbaltt musste sich die ursprünglich „L‘Auto-Vélo“ genannte Sportpostille Desgranges in „L’Auto“ umbenennen. Um nun den eigentlichen Schwerpunkt der Berichterstattung - den Radsport - deutlich werden zu lassen, kam Desgrange auf die Idee eine Frankreichrundfahrt zu veranstalten. Vorbild waren für den ehemaligen Bahnradsportler die Sechstagerennen. In sechs Tagen sollten alle größeren französischen Städte angesteuert werden. Die erste Ausgabe der Tour führte über 2428 Kilometer und verband Lyon, Marseille, Toulouse, Bordeaux, Nantes und Paris miteinander. Schnell wurde klar, dass sich der Aufwand gelohnt hatte. Die Auflage von „L‘Auto“ schnellte während der ersten Tour im Jahr 1903 von 30000 auf mehr 60000 Exemplare in die Höhe. Die erste Tour gewann übrigens der Franzose Maurice Garin, der für die Strecke insgesamt 94,5 Stunden benötigte.

Im Jahr darauf war die Tour begleitet von Skandalen und Regelverstößen. Die Etappen mit einer Länge von nicht selten mehr als 450 Kilometern dauerten oftmals bis weit in die Nacht hinein und so ließen sich etliche Fahrer einfach ein Stück mit dem Auto fahren. Die Tour schien am Ende zu sein. Doch es ging weiter. 1905 wurden elf Etappen gewertet, 1906 waren es schon 13. Im Jahre 1910 wurden die Fahrer das erste Mal über die Pyrenäen geschickt: Der Tourmalet, jener kahle unwirtliche Steinhaufen, ist seither Sinnbild für die mörderischen Qualen beim Ersteigen der Pässe im französisch-spanischen Hochgebirge. Im Jahr darauf mussten auch die Alpen durchquert werden. Der Galibier wurde zum Dach der Tour 1911. Die Frankreichrundfahrt war endgültig zum schwersten Radrennen der Welt geworden. Zu den besten Radsportlern der Welt durfte sich nur zählen, wer auch bei Tour eine Rolle zu spielen wusste.
So schrieben sich alle Radsportgrößen in die Ergebnislisten der Tour ganz weit vorne ein. Die italienischen Campionissimi Fausti Coppi und Gino Bartali ebenso wie die fünffachen Triumphatoren Jacques Anquetil, der "Kannibale" Eddy Merckx, der "Dachs" Bernard Hinault und der spanische Zeitfahrriese Miguel Indurain. Anquetil, der seine Siege zwischen 1957 und 1964 errungen hat, wurde tatkräftig von seinem deutschen Freund und Teamkollegen Rudi Altig unterstützt. Anqutil dankte es Altig mit der Unterstützung auf den Flachetappen und so hat es der Deutsche auch dem großen Anquetil zu verdanken, dass er 1962 ale erster Deutscher das Grüne Trikot des Punktbesten erringen konnte. Der wohl beste Rennfahrer aller Zeiten, Eddy Merckx, hat auch bei der Tour seinem Spitznamen alle Ehre gemacht. Der allesfressende Kannibale, der immer als erster über die Zielline kommen wollte, dominierte nicht nur die Gesamtwertung, sondern ist mit 33 Etappensiegen bis heute unerreicht. 1969 brachte er das Kunststück fertig, neben der Gesamtwertung, auch das Trikot des Besten und der Punkte- und Bergwertung nach Paris zu tragen. Beinahe ebenso komplett präsentierte sich Bernard Hinault bei seinen Siegen zwischen 1978 und 1985. Hätte nicht ein gewisser Greg Lemond die Radsportszene betreten, wäre auch ein sechster Sieg für Hinault möglich gewesen. Unvergessen ist die Szene, als Hinault 1986 Lemond bei der Zielankunft in l’Alpe d’Huez die Hand reicht, ihm um Millimeter den Vorzug lässt und ihn so zu seinem Thronfolger macht. Miguel Indurain, der als erster fünf Mal in Folge die Gesamtwertung gewinnen konnte, dominierte die Rundfahrten durch seine immense Stärke im Zeitfahren. Beim Kampf gegen die Uhr distanzierte er seine schärfsten Konkurrenten oftmals um mehrere Minuten. In den Bergen begnügte er sich meist damit, seinen Konkurrenten nicht vom Hinterrad zu weichen - schwer genug.

In den 90er Jahren begannen deutsche Fahrer die Klassements zu bestimmten. Olaf Ludwig war 1990 der zweite Deutsche der das Trikot des Punktbesten in Paris präsentieren durfte. Nach seinem zweiten Platz 1996 gewann Jan Ulrich im Jahr darauf als erster Deutscher die Tour. Erik Zabel holte sich sechs Mal in Folge das Grüne Trikot des besten Sprinters, ein Rekord, den eigentlich nur er selbst brechen kann, indem er ein weiteres Mal in Grün über die Champs-Élysées fährt.

Immer wieder begleiteten auch Dopingskandale die Tour. Doch das Publikum blieb der Veranstaltung treu. Zu faszinierend sind wohl die Bilder von den mörderischen Anstiegen hinauf auf den Mont Ventou oder nach l’Alpe d’Huez, von den futuristisch anmutenden Zeitfahrmaschinen und der Millimeterarbeit der Spezialisten für Massenankünfte.
(ar)

Weitere Radsportnachrichten

28.11.2025Auch Flanders Classics gegen ein allgemeines Eintrittsgeld

(rsn) – In der Diskussion um einen mögliches Eintrittsgeld bei Radrennen hat sich nun auch Flanders Classics zu Wort gemeldet. Wie bereits der Radsportweltverband UCI und die ASO reagiert der Veran

28.11.2025Intermarché verabschiedet Girmay mit emotionalem Video

(rsn) – Alle Zeichen deuteten schon seit einiger Zeit daraufhin, dass Biniam Girmay nach der Fusion von Intermarché – Wanty und Lotto nicht zum neuen Aufgebot gehören wird. Der Eritreer selbst h

28.11.2025Äthiopische WM-Siebte Kahsay Kiros zum Canyon-Nachwuchsteam

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

28.11.2025Einer geschmeidigen Saison folgt nun die Masterarbeit

(rsn) - Neues Jahr, neues Team – das war in der Vergangenheit bei Miguel Heidemann nur allzu oft der Fall. Ungewollt, freilich. Und so auch im letzten Winter. Erst im Februar war er bei Rembe – ra

28.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

27.11.2025Mit guten Beinen in Kigali zu WM-Silber

(rsn) – Auf der Liste mit den großen Überraschungen des Jahres 2025 muss Jan Huber (Remax Racingteam) unbedingt vermerkt sein. Denn der 20-jährige Schweizer war vor der Saison ein unbeschriebenes

27.11.2025In Abu Dhabi künstlicher Anstieg zu Pogacars Gunsten?

(rsn) – Wer gedacht hat, dass die Straßen-WM in Abu Dhabi 2028 zu einer Angelegenheit für die Sprinter werden würde, könnte sich getäuscht haben. Wie die spanische Sportzeitung Marca in Erfahru

27.11.2025Hat Lipowitz bereits Langzeitvertrag bei Red Bull unterschrieben?

(rsn) – Wie die belgische Zeitung Het Laatste Nieuws berichtete, bemühe sich das ab 2026 mit deutscher Lizenz ausgestattete Team Lidl – Trek um eine Verpflichtung von Florian Lipowitz zur Saison

27.11.2025Del Toro Mexikos Sportler des Jahres

(rsn) – Isaac Del Toro ist in Mexiko zum Sportler des Jahres gewählt worden. Der Profi von UAE – Team Emirates – XRG feierte in der abgelaufenen Saison nicht weniger als 18 Siege, nur sein Team

27.11.2025“Schwer erkrankt“: Lefevere mehr als drei Wochen in der Klinik

(rsn) – Der langjährige Soudal-Quick-Step-Teammanager Patrick Lefevere war nach eigenen Worten “schwer erkrankt“ und musste 24 Tage im AZ Delta Krankenhaus in Roeselare verbringen. Wie der Belg

27.11.2025Thomas soll als Renndirektor Ineos zu Grand-Tour-Siegen führen

(rsn) – Geraint Thomas hat nach der Tour of Britain seine lange eund erfolgreiche Karriere beendet. Allerdings wird der 39-jährige Waliser auch künftig in Diensten von Ineos Grenadiers stehen. Wie

27.11.2025Gaviria mit 2,36 Promille am Steuer: Zwei Jahre Fahrverbot

(rsn) – Fernando Gaviria ist wegen Trunkenheit am Steuer von einem Gericht in Monaco zu einer zweimonatigen Bewährungsstrafe und einem zweijährigen Fahrverbot verurteilt worden. Der 31-jährige Ko

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)