Tour de Suisse schon beim Auftakt vorentschieden

Reusser ringt und plaudert Vollering nach langer Duo-Flucht nieder

Von Felix Mattis

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Marlen Reusser (Movistar) feiert ihren Sieg in Gstaad. | Foto: Cor Vos

12.06.2025  |  (rsn) – Marlen Reusser (Movistar) hat in Gstaad die Auftaktetappe der 5. Tour de Suisse Women (2.WWT) gewonnen und sich dabei nach 95,5 schweren Kilometern im Sprintduell gegen Demi Vollering (FDJ - Suez) durchgesetzt. Das Duo war in der Abfahrt vom Jaunpass bereits mehr als 60 Kilometer vor dem Ziel aus einer da schon nur noch sechsköpfigen Favoritinnengruppe davongefahren, arbeitete anschließend bis knapp drei Kilometer vor Schluss zusammen und sprintete dann um den Etappenerfolg – wobei die Schweizerin die Stärkere war.

"Sie ist etwas früh losgefahren – das war perfekt", kommentierte Reusser das Duell in Gstaad mit einem breiten Grinsen im Gesicht und jubelte im Sieger-Interview: "Es ist alles perfekt, perfekt, perfekt gelaufen und ich bin superhappy."

1:42 Minuten hinter Reusser und Vollering gewann Katarzyna Niewiadoma (Canyon – SRAM – zondacrypto) den Sprint um Etappenrang drei vor der Neuseeländerin Niamh Fisher-Black (Lidl – Trek) und der Slowenin Urska Zigart (AG Insurance – Soudal). Die Schweizer Meisterin Noemi Rüegg (EF Education – Oatly) führte die erste größere Gruppe mit 2:14 Minuten Rückstand als Sechste ins Ziel, Elise Chabbey (FDJ – Suez) wurde als dritte Schweizerin Etappensiebte.

Reussers Team hatte bereits am Jaunpass ein sehr hohes Tempo angeschlagen und das Feld zerkleinert, bevor dann vor allem Zigarts Teamkollegin Sarah Gigante mit zwei Attacken dafür sorgte, dass letztlich nach 30 Kilometern nur noch sechs Frauen an der Spitze gemeinsam über den Kategorie-1-Berg kamen. Für Reussers Matchplan war das ideal:

"Es war unser Plan, für eine sehr, sehr kleine Gruppe zu sorgen – und selbst wenn ich allein gewesen wäre, wäre uns das recht gewesen. Denn es war klar, dass nach diesen Bergen, wenn sie hart gefahren werden, dass es danach nur noch kleine Grüppchen geben würde, die alle Vollgas fahren müssten und sich dabei auch immer wieder Fahrerinnen anschauen würden, ohne zu gut zusammenzuarbeiten", erklärte die Schweizerin, die ihre lange Attacke also geplant hatte.

Lange Attacke von vorneherein geplant

"Deshalb dachten wir uns, dass man ziemlich weit kommen könnte. Also haben wir gesagt: Wir versuchen es, und selbst wenn eine Gruppe wieder zurückkommt, hätte jeder davon schon arbeiten müssen. Deshalb haben wir kein allzu großes Risiko gesehen."

Durch die Bonifikationen von den zwei Bonus-Sprints des Tages und aus dem Etappenziel führt Reusser ihre Heimat-Rundfahrt nach dem ersten Tag mit vier Sekunden Vorsprung vor Vollering an. Niewiadoma hat als Dritte 1:51 Minuten Rückstand, Fisher-Black und Zigart je 1:57 Minuten und Rüegg liegt bei 2:29 Minuten.

"Natürlich ist es jetzt das Ziel, das Trikot bis Sonntag zu behalten. Aber ich muss auch sagen, dass das nicht leicht wird", sagte Reusser mit Blick wohl besonders auf den knappen Vorsprung auf Vollering.

Während Reusser neben dem Gelben Trikot der Gesamtführenden auch das Schwarze Trikot der Punktbesten in Gstaad überstreifen durfte, das am Freitag Vollering stellvertretend tragen wird, übernahm die Australierin Sarah Gigante (AG Insurance – Soudal) die Führung in der Bergwertung und Eleonora Ciabocco (Picnic – PostNL) aus Italien ist beste Nachwuchsfahrerin.

So lief die 1. Etappe der Tour de Suisse Women:

Nach dem Start in Gstaad, wo Linda Riedmann (Visma – Lease a Bike) krankheitsbedingt fehlte, ging es sofort bergauf zur ersten Bergwertung der 2. Kategorie in der Ortschaft Saanenmöser. Bis dorthin setzte sich niemand ab und Morgane Coston (Roland) sicherte sich die sechs Bergpunkte vor Carina Schrempf (Fenix – Deceuninck). Nach der Abfahrt ging es sofort in den zweiten Berg hinein, die acht Kilometer lange und im Schnitt 8,4 Prozent steile Kategorie-1-Rampe zum Jaunpass.

Dort zerfiel das Hauptfeld unter dem Tempodiktat von Movistar in mehrere Gruppen und schon 70 Kilometer vor dem Ziel waren vorne nur noch rund 35 Frauen beisammen – dabei fehlte unter anderem auch Mischa Bredewold (SD Worx – Protime) bereits.

Das Streckenprofil der 1. Etappe bei der Tour de Suisse Women. | Grafik: Tour de Suisse

Femke De Vries (Visma – Lease a Bike) ritt dann eine erste harte Attacke und Sarah Gigante (AG Insurance – Soudal) setzte der Niederländerin rund 500 Meter später nach. Ihr folgten die meisten Mitfavoritinnen und so waren die Attacken schnell vereitelt. Den ersten Tempoverschärfungen fielen allerdings unter anderem Neve Bradbury und Ricarda Bauernfeind (beide Canyon – SRAM – zondacrypto) zum Opfer und sie verloren den Anschluss.

68 Kilometer vor dem Ziel und rund drei Kilometer vor der Passhöhe lancierte Gigante ihren zweiten Vorstoß und die Gruppe zog sich erneut in die Länge, so dass weitere Lücken aufrissen. Reusser, Niewiadoma, Vollering, Zigart, Fisher-Black, Garcia und Kerbaol fuhren zu Gigante vor und stellten damit früh klar, wer bei dieser Tour de Suisse die stärksten Bergfahrerinnen sind.

Zigart erhöhte die Schlagzahl 1,5 Kilometer vor der Bergwertung noch einmal und Kerbaol sowie Garcia konnten der Gruppe nicht mehr folgen. Zu sechs erreichte die Spitzengruppe den Kategorie-1-Bergpreis, den sich Gigante vor Niewiadoma und Fisher-Black sicherte.

Reusser und Vollering fahren in Abfahrt davon

In die Abfahrt hinein attackierte aber Reusser und setzte sich ab. Vollering gab kurz darauf ebenfalls Vollgas und nahm die Verfolgung auf, um 57 Kilometer vor Schluss zu ihrer Ex-Teamkollegin aufzuschließen. Das Duo hatte da bereits 25 Sekunden Vorsprung auf Fisher-Black und Niewiadoma – und die Lücke ging immer weiter auf.

Eingangs der letzten 50 Kilometer lagen die beiden Spitzenreiterinnen bereits mehr als eine Minute vor ihren beiden Verfolgerinnen und 1:20 Minuten vor Zigart, die bald darauf zu Niewiadoma und Fisher-Black aufschloss. Eine weitere Minute dahinter formierte sich eine größere nächste Gruppe, da viele einzeln versprengte Fahrerinnen am Ende der Abfahrt zusammenfanden.

Am tiefsten Punkt des Tages in der Kleinstadt Broc angekommen, 38 Kilometer vor Rennende, lagen Reusser und Vollering 1:25 Minuten vor Fisher-Black, Niewiadoma und Zigart sowie 2:30 Minuten vor dem nochmal etwas größer gewordenen Verfolgerfeld, in dem EF Education - Oatly, Picnic - PostNL und Liv – AlUla – Jayco die Führungsarbeit teilten. Dabei fiel allerdings auf: Wann immer Mavi Garcia an die Spitze fuhr, riss hinter der Spanierin eine Lücke auf. Die Zusammenarbeit lief nicht ideal.

Vollering erzählt Reusser von Magenproblemen

27 Kilometer vor dem Ziel – Reusser wirkte zu diesem Zeitpunkt in ihren Führungen etwas stärker – rief Vollering der Schweizerin zu, dass sie etwas mit ihrem Magen zu kämpfen habe. Reusser antwortete "Demi, wenn Du Magenprobleme hast, bist Du aber supergut" und winkte ab. Trotzdem baute das Duo seine Führung, die kurzzeitig auf 1:05 Minuten geschmolzen war, anschließend wieder aus und ging mit 1:45 Minuten Vorsprung auf die letzten 15 Kilometer – 2:35 Minuten vor dem größeren Feld.

Vollering rollte als Erste über den ersten der beiden Bonus-Sprints auf dem Tissot Kilometer, Reusser dafür durfte die drei Sekunden für Platz eins 1.000 Meter später am zweiten Bonus-Sprint mitnehmen. Dahinter attackierte Niewiadoma das Verfolgertrio und fuhr über beide Sprintwertungen als Dritte für noch zweimal eine Sekunde. Anschließend ließ sich die Polin wieder einholen und das Trio verlor, genau wie die Gruppe dahinter weiter kontinuierlich an Boden.

2,5 Kilometer vor dem Ziel versuchte Reusser mit einem ersten Angriff, Vollering abzuschütteln, doch die Niederländerin war hellwach und sprang sofort ans Hinterrad. Anschließend übernahm Vollering die Führungsarbeit nicht mehr und die Beiden wechselten wieder einige Worte, wobei die Schweizerin mit Lächeln im Gesicht Lockerheit signalisierte und auch zum Trash-Talk ansetzte: "Ich bin nicht gut in Bahnrennen", rief sie Vollering unter anderem zu, als die beiden mit dem Belauern begannen.

250 Meter vor Schluss eröffnete Vollering aus der zweiten Position den Sprint und fuhr an Reusser vorbei. Die aber ließ sich nicht überraschen, folgte sofort und war schließlich auf den letzten 150 Metern stärker.

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