Däne gewinnt zum zweiten Mal Gent-Wevelgem

Pedersen glaubt an seinen Sprint und schlägt van der Poel

Von Kevin Kempf

Foto zu dem Text "Pedersen glaubt an seinen Sprint und schlägt van der Poel"
Mads Pedersen (Lidl – Trek, li.) hat das 86. Gent-Wevelgem gewonnen. | Foto: Cor Vos

24.03.2024  |  (rsn) – Am Freitag war Mads Pedersen (Lidl – Trek) im Ziel noch etwas angesäuert, weil er bei der E3 Saxo Classic (1.UWT) der entscheidenden Attacke des Siegers Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) nicht hatte folgen können. Nur 48 Stunden später wandelte der Däne diese Wut im Bauch bei der 86. Ausgabe von Gent-Wevelgem (1.UWT) in einen Sieg gegen van der Poel um.

Nach 253 Kilometern schlug der frühere Weltmeister aus Dänemark den aktuellen Träger des Regenbogentrikots im Sprintduell und feierte so seinen zweiten Triumph in Wevelgem nach 2020. Mit 16 Sekunden Rückstand entschied Jordi Meeus (Bora – hansgrohe) im Sprint des dezimierten Feldes den Kampf um den letzten freien Podiumsplatz vor van der Poels belgischen Teamkollegen Jasper Philipsen und Pedersens italienischen Mannschaftskollegen Jonathan Milan (Lidl – Trek) für sich.

Nach der ersten von drei Passagen des Kemmelbergs hatte sich die vorentscheidende sechsköpfige Spitzengruppe gebildet. Mit dabei waren gleich drei Lidl-Trek-Fahrer, am Ende kam Pedersen allein mit van der Poel auf die Zielgerade. Dass er seinen siebten Saisonsieg einfahren würde, darüber war sich der 28-Jährige alles andere als sicher. “Aber ich musste an meinen Sprint glauben, denn wir konnten uns nicht gegenseitig attackieren“, erzählte Pedersen im Ziel-Interview.

Pedersen musste seinen Sprint aus der ersten Position beginnen

Seinen Spurt musste er aus der ungeliebten ersten Position aus starten. “Ich bin von vorn gefahren, denn Alpecin wäre auch mit einer Rückkehr des Feldes zufrieden gewesen, denn sie hatten noch Philipsen“, erklärte er seine Entscheidung, die sich als goldrichtig herausstellte. Aber nicht nur im Sprint, sondern auch unterwegs hinterließ Pedersen den stärksten Eindruck. An den letzten beiden Kemmelberg-Passagen setzte er van der Poel und seine anderen Begleiter gewaltig unter Druck. “Das war für mich besser, als wenn Mathieu vorn gefahren wäre und mich vielleicht über Limit gebracht hätte“, erläuterte er.

Den Top-Favoriten van der Poel hatte Lidl – Trek zuvor aber schon weich gekocht. Denn aus der zahlenmäßigen Überlegenheit in der Spitzengruppe erarbeitete sich die Mannschaft früh einen Vorteil, als Milan solo wegfuhr und van der Poel von seinen vier Begleitern kaum Unterstützung bekam. “Es war toll, zu dritt vorn zu sein. Johnny (Milan) hat zuerst angegriffen. Er war lange allein, das hat Jasper (Stuyven) und mir definitiv geholfen. Jasper hatte leider einen Platten, aber die Situation blieb gut für uns“, blickte Pedersen zurück. Trotz seines Sieges sah er sich nicht als Topfavorit für die Flandern-Rundfahrt: “Dieses Rennen liegt mir besser als Flandern. Aber es beweist, dass meine Form gut ist. Ich habe Selbstvertrauen.“

Van der Poel erkannte im Interview an, dass sein Kontrahent an diesem Tag stärker war. “Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich enorm gequält. Beim zweiten Kemmel konnte ich Pedersen fast nicht folgen. Beim dritten war es nicht viel besser. Der Stärkste hat gewonnen“, urteilte der 29-Jährige, der im Finale auf taktische Spielchen verzichtete und nicht auf seinen Teamkollegen Philipsen spekulierte, der sich im Feld verstecken konnte. “Als Weltmeister muss man in so einer Situation mitfahren“, befand er und fügte an: “Und Jasper hat den Sprint ja auch nicht gewonnen.“

Die deutschen Teilnehmer fielen vor allem im Mittelteil des Rennens auf. John Degenkolb (dsm Firmenich – PostNL) und Maximilian Walscheid (beide Jayco - AlUla) hatten zunächst den Cut an der ersten Windkante geschafft. Die rund 35-köpfige Gruppe wurde aber in der Hügelzone wieder gestellt. Danach zeigten sich Walscheid, Marius Mayrhofer (Tudor) und Nico Denz (Bora – hansgrohe) noch als Helfer.

Nils Politt (UAE Team Emirates) schaffte es wie Walscheid und Mayrhofer in das 43-köpfige Verfolgerfeld, aus dem heraus Mayrhofer am Ende zeitgleich mit Meeus auf Rang 18 bester deutscher Profi war.

So lief Gent-Wevelgem:

Kurz nach dem Start setzte sich Michael Morkov (Astana Qazaqstan) vom Peloton ab. 25 Kilometer später schlossen Johan Jacobs (Movistar), Kelland O’Brien (Jayco – AlUla), Hugo Houle (Israel – Premier Tech), William Levy Blume (Uno-X Mobility) und Cyrus Monk (Q36.5) zum Dänen auf. Es dauerte weitere 15 Kilometer, bis auch Dries de Bondt (Decathlon – AG2R La Mondiale) und Mathis Le Berre (Arkea – B&B Hotels) den Anschluss herstellen konnten. Diese acht Ausreißer bekamen maximal sechs Minuten Vorsprung zugestanden.

Mit noch 148 zu fahrenden Kilometern teilte sich das Feld in De Moeren an der Windkante, wobei sich 32 Fahrer vom Rest absetzen konnten und weitere 28 Kilometer später die Ausreißer einholten. Es entwickelte sich ein Duell zwischen beiden Gruppen, wobei im zweiten Teil Bahrain Victorious, das den Zug komplett verpasst hatte, sowie Bora – hansgrohe den Hauptteil der Arbeit verrichteten.

Das trug Früchte, denn in der ersten der beiden Hügelzonen kamen beide Felder wieder zusammen. Kurz zuvor – 95 Kilometer vor dem Ziel – hatte sich Maximilian Walscheid (Jayco – AlUla) alleine abgesetzt. Der Heidelberger erhielt am Baneberg Begleitung vom Schweizer Johan Jacobs (Movistar), doch das Duo wurde noch vor dem Kemmelberg gestellt.

An der ersten von drei Passagen über den schwersten Helling des Tages attackierte van der Poel. Ihm folgten Mick van Dijke (Visma - Lease a Bike) und Rasmus Tiller (Uno-X Mobility) sowie Pedersen, Jasper Stuyven und Milan (alle Lidl – Trek), wobei der Italiener nach der Abfahrt sich aus der Gruppe absetzte. Van der Poel bekam bei der Verfolgung keine Unterstützung und so griff der Niederländer 70 Kilometer vor dem Ziel auf der ersten der drei Naturpisten des Tages an. Pedersen, Pithie und Stuyven konnten folgen, ehe der Belgier kurz darauf mit einem Reifenschaden zurückfiel.

Das Streckenprofil des 86. Gent-Wevelgem | Foto: Veranstalter

Nach den ‘Plugstreets‘ wurde Milan wieder vom Trio eingeholt. Die Situation nutzte Pedersen, der sich zuvor viele Kilometer hatte schonen können, zu einem Angriff. Der ehemalige Weltmeister setzte sich kurz ab, wurde aber von van der Poel zurückgeholt. Danach setzte das Quartett das Rennen in Richtung mit knapp einer Minute Vorsprung vor dem Feld fort.

An der zweiten Passage des Kemmelberg griff Pedersen 51 Kilometer vor dem Ziel erneut an. Pithie und auch van der Poel konnten nur mit Mühe folgen, während Milan ins knapp dahinter folgende Feld zurückfiel. Am Baneberg 40 Kilometer vor dem Ziel setzten sich Hugo Page (Intermarché - Wanty) und Ben Turner (Ineos Grenadiers) vom Feld ab und versuchten, den Anschluss an die Spitze herzustellen.

Sechs Kilometer später ging es zum letzten Mal den Kemmelberg hinauf, diesmal von der steileren Seite aus. Van der Poel konnte diesmal im Gegensatz zu Pithie Pedersens Tempoverschärfung mitgehen,. Turner und Page bekamen aus dem Feld Verstärkung durch Anthony Turgis (TotalEnergies), zudem fuhr die Gruppe kurz darauf zu Pithie auf. Hinter diesem Quartett formierten sich im Feld allerdings nun die Sprintermannschaften um Soudal – Quick-Step, Bora - hansgrohe und Visma – Lease a Bike.

14 Kilometer vor dem Ziel war das Verfolgerquartett eingefangen, doch zu Pedersen und van der Poel fehlte noch deutlich mehr als eine Minute. Dank guter Zusammenarbeit verteidigte das Duo auf den letzten flachen Kilometern seinen Vorsprung souverän, ehe Pedersen an erster Stelle den Schlusskilometer in Angriff nahm. Knapp 300 Meter vor dem Ziel trat der Vierte von Mailand-Sanremo mit van der Poel im Windschatten an. Als der an Pedersen vorbeiziehen wollte, verließen ihn allerdings die Kräfte, so dass nach dem Sieg bei der E3 Saxo Classic diesmal nicht mehr als der zweite Platz heraussprang. Kurz darauf entschied Meeus den engen Sprint der Verfolger für sich.

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.03.2024Wiebes: Mission ´Wevelgem-Sieg´ im 6. Anlauf endlich erfüllt

(rsn) – Lorena Wiebes hat es endlich geschafft: Im sechsten Anlauf hat die 25-Jährige zum ersten Mal Gent-Wevelgem gewonnen – und das, obwohl sie drei Tage zuvor noch verletzungsbedingt Brügge-D

25.03.2024Klassikerteam Nr. 1? Lidl - Trek dominiert bei Gent-Wevelgem

(rsn) – Nachdem Lidl – Trek bereits am Freitag beim E3 Classic in Harelbeke das stärkste Team war und vier Mann unter die ersten elf brachte, hat der US-Rennstall am Sonntag nochmal einen draufge

25.03.2024Neunte bei Gent-Wevelgem: Schweinberger etwas ratlos

(rsn) – Mit den Rängen sieben durch Puck Pieterse und neun durch Christina Schweinberger erzielte das Team Fenix – Deceuninck bei Gent-Wevelgem (1.WWT) zwei Top-Ten-Ergebnisse. Doch das Duo hatte

24.03.2024Politt hatte die richtige Vorahnung, konnte sie aber nicht nutzen

(rsn) – Vor dem Start von Gent-Wevelgem hatte Nils Politt (UAE Team Emirates) im Gespräch mit radsport-news.com eine Vorahnung. Der Hürther warnte vor einer möglichen ersten Selektion in de Moer

24.03.2024Mayrhofer: “Es fehlt mir noch etwas in den Anstiegen“

(rsn) – Zum ersten Mal stand der Schweizer Zweitdivisionär Tudor Pro Cycling am Start von Gent-Wevelgem, wo er sich mit Matteo Trentin gleich ein Top-Ten-Ergebnis holte. Der erfahrene Italiener wa

24.03.2024Philipsen: “Am Kemmelberg habe ich mich überraschen lassen“

(rsn) – Mads Pedersen (Lidl – Trek) hat die 86. Ausgabe von Gent-Wevelgem nach einem turbulenten Verlauf und einem spannenden Duell mit Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) für sich ents

24.03.2024Meeus gewinnt den Spurt hinter “den beiden Motorrädern“

(rsn) – Bereits zur Halbzeit der flämischen Klassikerwochen kann Bora – hansgrohe auf zwei Podiumsplatzierungen zurückblicken. Das war den Raublingern nicht unbedingt zuzutrauen, vor allem, weil

24.03.2024Degenkolb: “Ein megahartes Rennen - Flanders Fields halt“

(rsn) – In Belgien steht heute der nächste Klassikerhöhepunkt an. Gent-Wevelgem in Flanders Fields, wie das Rennen seit 2016 heißt, führt über 253,1 Kilometer durch Westflandern und weist im St

24.03.2024Gent-Wevelgem im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Gent - Wevelgem hat sicherlich nicht den Stellenwert einer Flandern-Rundfahrt. Doch in den letzten Jahren trug sich bei dem flämischen WorldTour-Rennen das Who ist Who der Klassikerspezialis

23.03.2024Wind und Kemmelberg sollen Massensprints in Wevelgem verhindern

(rsn) – Nachdem im Wochenverlauf in De Panne die Sprinter und Sprinterinnen und am Freitag beim E3 Classic die Hügel-Spezialisten zum Zug gekommen sind, steht am Sonntag der nächste flämische Kla

23.03.2024Van Aert macht “dummen Fehler“ und stürzt “härter als gedacht“

(rsn) – Nachdem Wout van Aert für ein Höhentrainingslager auf Mailand-Sanremo verzichtet hatte, waren die belgischen Fans vor dem E3 Saxo Classic voller Vorfreude: Alle erwarteten ihren Liebling a

Weitere Radsportnachrichten

27.01.2025Kopecky will ihrem Palmares 2025 neue Rennen hinzufügen

(rsn) - Die zweifache Straßen-Weltmeisterin Lotte Kopecky (SD Worx – Protime) hat einen umfangreichen Einblick in die Planung ihrer aktuellen Saison gegeben. Wie die Belgierin in einem Interview mi

27.01.2025Nach drei Siegen träumt Welsford von Gelb bei der Tour de France

(rsn) - Träume sind erlaubt! Auch der von Sam Welsford (Red Bull – Bora – hansgrohe) von der Tour de France. "Jedermann träumt davon, eine Etappe zu gewinnen. Für mich ist die Tour etwas, die i

27.01.2025Van der Poel freut sich über van Aerts WM-Teilnahme

(rsn) – In Liévin will Mathieu van der Poel am 2. Februar Radsportgeschichte schreiben und mit seinem siebten Regenbogentrikot mit dem derzeit alleinigen Rekordhalter Erik de Vlaeminck gleichziehen

27.01.2025Deutsches Bahn-Nationalteam auf Mallorca von Auto umgefahren

(rsn) – Das deutsche Ausdauer-Nationalteam der Bahnradsportler ist am Montagmorgen im Trainingslager auf Mallorca in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt worden. Wie die Mallorca Zeitung unter B

27.01.2025De Jong fährt überlegen zum ersten Saisonsieg

(rsn) – Im letzten und auch schwierigsten Rennen der Mallorca Challenge, der Trofeo Binissalem-Port d´Andratx (1.1) hat sich Thalita de Jong (Human Powered Health) überlegen den Sieg gesichert. Di

27.01.2025Privater Investor vor Einstieg bei Polti – VisitMalta und Aurum?

(rsn) – Wie die Gazzetta dello Sport und der in Italien lebende, britische Radsport-Journalist Stephen Farrand für cyclingnews.com berichten, steht das von den Contador-Brüdern gemeinsam mit Ivan

27.01.2025Kampf um den Klassenerhalt mit punktuellen Verstärkungen

(rsn) - Die Frauen von Uno - X Mobility gehen in ihre vierte WorldTour-Saison. Dabei sind sie ihren männlichen Kollegen weiterhin einen Schritt voraus: Sie starten in der höchsten Liga des Radsport

27.01.2025ASO vergibt Wildcards für Paris-Roubaix der Frauen und Männer

(rsn) – Die Schweizer Teams Q36.5 und Tudor, der französische Rennstall TotalEnergies und erstmals auch die niederländische Mannschaft Unibet – Tietema Rockets dürfen sich über Wildcard-Einlad

27.01.2025Mit Longo Borghini soll es weiter Richtung Weltspitze gehen

(rsn) - Mit dem Transfer von Elisa Longo Borghini hat das UAE Team ADQ endgültig seine Ambitionen unterstrichen, künftig eine ähnliche Dominanz im Peloton einnehmen zu wollen, wie die Männermannsc

26.01.2025Van Aert hat plötzlich doch Lust auf die Weltmeisterschaft

(rsn) – Sechs Crossrennen hatte Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) für diesen Winter auf seiner Agenda stehen, sechs werden es trotz seiner krankheitsbedingten Absage bei seinem Saisonauftakt i

26.01.2025Hirschi feiert Tudor-Debüt nach Maß

(rsn) – Marc Hirschi (Tudor) hat es seiner Landsfrau Marlen Reusser gleich getan und das erste Rennen für seinen neuen Arbeitgeber gewonnen. Der Eidgenosse war bei der Clàssica Comunitat Valencian

26.01.2025Mit punktgenauen Transfers zu noch mehr Erfolgen

(rsn) - Was macht man nach einem grandiosen Jahr? Man will ein noch grandioseres. “Ich bin noch jung, ich habe noch Raum für Verbesserung”, sagte ein selig lächelnder Tadej Pogacar im Trainingsl

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour of Sharjah (2.2, UAE)
  • AlUla Tour (2.1, 000)