Vorschau Gent-Wevelgem der Frauen und Männer

Wind und Kemmelberg sollen Massensprints in Wevelgem verhindern

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Wind und Kemmelberg sollen Massensprints in Wevelgem verhindern"
Bei schlechtem Wetter reißt das Peloton in den Feldern Flanderns oft auseinander. | Foto: Cor Vos

23.03.2024  |  (rsn) – Nachdem im Wochenverlauf in De Panne die Sprinter und Sprinterinnen und am Freitag beim E3 Classic die Hügel-Spezialisten zum Zug gekommen sind, steht am Sonntag der nächste flämische Klassiker auf dem Programm – und zwar der, der vielleicht am unberechenbarsten ist: Gent-Wevelgem. Im westlichen Vorort von Kortrijk könnten entweder die endschnellsten Männer und Frauen triumphieren, oder es kommt zur Ankunft von kleinen Grüppchen oder sogar Solisten und Solistinnen. All das hat man in der jüngeren Vergangenheit bereits gesehen.

Entscheidende Faktoren sind dabei stets die Besetzung der einzelnen Top-Teams, die Gruppenkonstellationen nach der letzten Überfahrt des Kemmelbergs und schließlich die taktischen Spielereien auf den flachen 33 Schlusskilometern.

Aber auch das Wetter spielt bei Gent-Wevelgem stets eine Rolle. Es ist zwar erst Ende März, doch in Belgien herrscht Aprilwetter: War es beim Brügge-De Panne der Männer am Mittwoch noch sonnig und warm, wurde es am Donnerstag bereits kühler und am Freitag setzte Regen ein, bevor der Himmel am Samstag zwar wieder blauer wurde, dafür aber starker Wind über die flämischen Felder fegte. Für den Sonntag ist ein Mix aus allem angekündigt, mit Windgeschwindigkeiten von rund 25 km/h aus Westen und Nordwesten. Das bedeutet an neuralgischen Punkten der Strecke sowohl für Frauen als auch Männer Seitenwind oder sogenannte 'Schiebekante' – ideal für Windkantenrennen.

Die Strecke: Männer drehen Extraschleife über Schotterstraßen

Für die Männer beginnt Gent-Wevelgem bereits um 10:40 Uhr, die Frauen verlassen den gemeinsamen Startort Ypern um 13:15 Uhr. Schon in der Anfangsphase teilt sich der Parcours ein erstes Mal: Die Männer drehen eine Runde in Richtung Osten nach Gullegem und Roeselare, bevor sie Fahrtrichtung Nordwest einschlagen, die Frauen fahren direkter in Richtung Küste. So haben die Männer bereits 50 Kilometer auf dem Tacho, wenn sie in Poelkapelle wieder auf den Frauen-Parcours treffen, wo für die Kilometer 0 liegt.

Anschließend geht es auf gleicher Strecke nach Veurne und kurz vor De Panne in die schon von Brügge-De Panne bekannte Region 'De Moeren'. Dort wird die sehr windanfällige und mehr als fünf Kilometer lang geradeaus führende Cobergherstraat diesmal in südlicher Richtung gefahren, was bei den angekündigten Windrichtungen fast unweigerlich für Windstaffeln sorgen und das Peloton in beiden Rennen explodieren lassen dürfte – nach rund 50 Kilometern bei den Frauen und rund 100 bei den Männern.

Das Streckenprofil der Männer bei Gent-Wevelgem. | Grafik: Flanders Classics

Nach 'De Moeren' bleibt die Fahrtrichtung grundsätzlich dieselbe: Es geht mit ein paar Richtungswechseln und damit immer neuen Ansatzmöglichkeiten für Windkanten-Attacken vorbei an Poperinge zurück in Richtung Ypern und von dort schließlich westlich in die Hügel an der französischen Grenze, rund um den Kemmelberg. Nach 100 beziehungsweise 150 Kilometern beginnt dort die erste Hügelrunde über den Scherpenberg, den Baneberg und den Monteberg zum Kemmelberg, der nach 119/169 Kilometern zunächst von der sogenannten Belvedere-Seite überquert wird.

Dann teilt sich die Strecke ein zweites Mal: Die Frauen fahren direkt wieder zum Scherpenberg und kommen über den Baneberg zurück zum Kemmelberg, der diesmal bei Kilometer 136 von der extrem steilen Ossuaire-Seite erklommen werden muss. Dort startete im Vorjahr Marlen Reusser ihr Solo zum Sieg. Von oben sind es dann noch 34,3 Kilometer ins Ziel – über Ypern und auf weitgehend flacher Strecke anschließend fast nur noch geradeaus in Richtung Südosten nach Wevelgem, wo nach 171,2 Kilometern der Zielstrich wartet.

Das Streckenprofil der Frauen bei Gent-Wevelgem. | Grafik: Flanders Classics

Die Männer hingegen fahren nach der ersten Kemmelberg-Passage in Richtung Süden zu den geschotterten Plugstreets, vorbei an einigen Kriegsgräberstätten aus dem 1. Weltkrieg. Die aus den Vorjahren bekannten 'Hill 63', 'Christmas Truce' und 'The Catacombs' stehen zwischen Rennkilometer 180 und 187 an, bevor es dann wieder nordwestlich zum Monteberg und der zweiten Belvedere-Passage am Kemmelberg bei Kilometer 201 geht. Dann sind auch die Männer wieder auf demselben Parcours, wie die Frauen: Scherpenberg und Baneberg führen zum letzten Anstieg, der Oussaire-Auffahrt des Kemmelberg und auf die letzten 34,3 Kilometer über Ypern nach Wevelgem.

Die Favoriten: Hügelfeste Sprinter & endschnelle Hügelspezialisten

Für beide Rennen gibt es am Sonntag in Wevelgem klare Top-Favoriten – und beide sind aus Belgien: Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) hat schon oft genug bewiesen, dass er mit den Hügeln klarkommt und ist derzeit in Top-Form. Auch bei einer Sprintankunft nach einem harten Rennen sollte der Mailand-Sanremo-Gewinner schwer zu bezwingen sein. Bei den Frauen steht Lotte Kopecky wieder ganz oben auf der Favoritenliste, nachdem sie und ihr Team SD Worx – Protime Brügge-De Panne am Donnerstag ausgelassen hatten.

Kopeckys Team hat zwar auch Titelverteidigerin Marlen Reusser dabei, die wieder mit einer Attacke oder einem Solo glänzen könnte, und auch Lorena Wiebes ist wieder an Bord, nachdem sie in Folge ihres Sturzes beim Nokere Koerse ein paar Tage pausiert hatte. Doch die Vielseitigste unter ihnen ist eben Kopecky. Sie dürfte das Rennen in den Hügeln schwer machen wollen und könnte auch im Sprint eines reduzierten Feldes gewinnen. Sollte aber Wiebes trotz ihrer Pause stark genug sein, um über die Hügel zu kommen, dürfte SD Worx in Richtung eines möglichen Sprints alles auf sie setzen.

Wer gewinnen will, muss erstmal an der Windkante bestehen

Stärkste Herausfordererin ist nach ihren Siegen bei der Trofeo Alfredo Binda und bei Brügge-De Panne voraussichtlich Elisa Balsamo (Lidl – Trek), deren Team ähnlich stark aufgestellt ist, wie SD Worx: mit Elisa Longo Borghini für die Hügel-Attacken, Ellen van Dijk für Vorstöße im Flachen und das perfekte Positionieren an der Windkante und Youngster Shirin van Anrooij als weiterem Ass im Ärmel. Interessant wird sein, wie sich Chloe Dygert (Canyon – SRAM) bei ihrem ersten Gent-Wevelgem schlägt und ob andere Sprinterinnen wie Charlotte Kool (dsm – firmenich – PostNL) oder Chiara Consonni (UAE Team ADQ) mit über alle sieben Anstiege kommen.

Bei den Männern bekäme es Philipsen in einer etwaigen Sprintankunft mit extrem starker Konkurrenz durch Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) und Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) zu tun. Daher ist davon auszugehen, dass Alpecin – Deceuninck mit dem frisch gebackenen E3-Sieger Mathieu van der Poel in den Hügeln alles daransetzen wird, das Rennen so schwer wie möglich zu machen. Endschnelle Kandidaten, die zuletzt bewiesen haben, dass sie auch dann noch dabei sein könnten, wenn es im Finale in Richtung Wevelgem geht, sind unter anderem Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) und Michael Matthews (Jayco – AlUla).

Durch die ganz oben aber bereits angesprochene Unberechenbarkeit und viele mögliche Szenarien im Rennverlauf ist der erweiterte Favoritenkreis sowohl bei Frauen als auch vor allem bei den Männern schier unendlich – und das wird durch den erwarteten Wind nochmal verstärkt. Denn wer in Wevelgem triumphieren will, der oder die muss sich als allererstes mal an der Windkante noch weit vor dem Ziel behaupten.

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.03.2024Wiebes: Mission ´Wevelgem-Sieg´ im 6. Anlauf endlich erfüllt

(rsn) – Lorena Wiebes hat es endlich geschafft: Im sechsten Anlauf hat die 25-Jährige zum ersten Mal Gent-Wevelgem gewonnen – und das, obwohl sie drei Tage zuvor noch verletzungsbedingt Brügge-D

25.03.2024Klassikerteam Nr. 1? Lidl - Trek dominiert bei Gent-Wevelgem

(rsn) – Nachdem Lidl – Trek bereits am Freitag beim E3 Classic in Harelbeke das stärkste Team war und vier Mann unter die ersten elf brachte, hat der US-Rennstall am Sonntag nochmal einen draufge

25.03.2024Neunte bei Gent-Wevelgem: Schweinberger etwas ratlos

(rsn) – Mit den Rängen sieben durch Puck Pieterse und neun durch Christina Schweinberger erzielte das Team Fenix – Deceuninck bei Gent-Wevelgem (1.WWT) zwei Top-Ten-Ergebnisse. Doch das Duo hatte

24.03.2024Politt hatte die richtige Vorahnung, konnte sie aber nicht nutzen

(rsn) – Vor dem Start von Gent-Wevelgem hatte Nils Politt (UAE Team Emirates) im Gespräch mit radsport-news.com eine Vorahnung. Der Hürther warnte vor einer möglichen ersten Selektion in de Moer

24.03.2024Mayrhofer: “Es fehlt mir noch etwas in den Anstiegen“

(rsn) – Zum ersten Mal stand der Schweizer Zweitdivisionär Tudor Pro Cycling am Start von Gent-Wevelgem, wo er sich mit Matteo Trentin gleich ein Top-Ten-Ergebnis holte. Der erfahrene Italiener wa

24.03.2024Pedersen glaubt an seinen Sprint und schlägt van der Poel

(rsn) – Am Freitag war Mads Pedersen (Lidl – Trek) im Ziel noch etwas angesäuert, weil er bei der E3 Saxo Classic (1.UWT) der entscheidenden Attacke des Siegers Mathieu van der Poel (Alpecin –

24.03.2024Philipsen: “Am Kemmelberg habe ich mich überraschen lassen“

(rsn) – Mads Pedersen (Lidl – Trek) hat die 86. Ausgabe von Gent-Wevelgem nach einem turbulenten Verlauf und einem spannenden Duell mit Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) für sich ents

24.03.2024Meeus gewinnt den Spurt hinter “den beiden Motorrädern“

(rsn) – Bereits zur Halbzeit der flämischen Klassikerwochen kann Bora – hansgrohe auf zwei Podiumsplatzierungen zurückblicken. Das war den Raublingern nicht unbedingt zuzutrauen, vor allem, weil

24.03.2024Degenkolb: “Ein megahartes Rennen - Flanders Fields halt“

(rsn) – In Belgien steht heute der nächste Klassikerhöhepunkt an. Gent-Wevelgem in Flanders Fields, wie das Rennen seit 2016 heißt, führt über 253,1 Kilometer durch Westflandern und weist im St

24.03.2024Gent-Wevelgem im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Gent - Wevelgem hat sicherlich nicht den Stellenwert einer Flandern-Rundfahrt. Doch in den letzten Jahren trug sich bei dem flämischen WorldTour-Rennen das Who ist Who der Klassikerspezialis

23.03.2024Van Aert macht “dummen Fehler“ und stürzt “härter als gedacht“

(rsn) – Nachdem Wout van Aert für ein Höhentrainingslager auf Mailand-Sanremo verzichtet hatte, waren die belgischen Fans vor dem E3 Saxo Classic voller Vorfreude: Alle erwarteten ihren Liebling a

Weitere Radsportnachrichten

26.01.2025Van Aert hat plötzlich doch Lust auf die Weltmeisterschaft

(rsn) – Sechs Crossrennen hatte Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) für diesen Winter auf seiner Agenda stehen, sechs werden es trotz seiner krankheitsbedingten Absage bei seinem Saisonauftakt i

26.01.2025Hirschi feiert Tudor-Debüt nach Maß

(rsn) – Marc Hirschi (Tudor) hat es seiner Landsfrau Marlen Reusser gleich getan und das erste Rennen für seinen neuen Arbeitgeber gewonnen. Der Eidgenosse war bei der Clàssica Comunitat Valencian

26.01.2025Mit punktgenauen Transfers zu noch mehr Erfolgen

(rsn) - Was macht man nach einem grandiosen Jahr? Man will ein noch grandioseres. “Ich bin noch jung, ich habe noch Raum für Verbesserung”, sagte ein selig lächelnder Tadej Pogacar im Trainingsl

26.01.2025Van der Poel beim GP Adrie van der Poel eine Klasse für sich

(rsn) - Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) fährt ungeschlagen zur Weltmeisterschaft in Liévin. Der Niederländer gewann beim zum Weltcup gehörenden GP Adrie van der Poel in Hoogerheide a

26.01.2025Brand in Hoogerheide gleich zweimal auf dem höchsten Podest

(rsn) – Mit einer starken Solovorstellung hat Lucinda Brand (Baloise – Glowy Lions) in Hoogerheide das i-Tüpfelchen auf ihren Weltcup-Gesamtsieg gesetzt. Die 35-Jährige löste sich in der 2. Run

26.01.2025Reusser meldet sich auf Mallorca mit Sieg zurück

(rsn) - Marlen Reusser hat in ihrem neuen Movistar-Trikot einen Einstand nach Maß gefeiert. 343 Tage nach ihrem letzten Sieg, gewann sie ihren Saisonauftakt bei der zweiten Ausgabe der Trofeo Palma (

26.01.2025Benz schreibt deutsche Crossgeschichte

(rsn) - Seit der Saison 2004/2005 werden im Querfeldein bei den Junioren Weltcuprennen ausgetragen. Im Premierenjahr konnte Christoph Pfingsten in Wetzikon Zweiter hinter Julien Taramarcaz werden, Ole

26.01.2025Auch ohne zwei Leitwölfe ambitioniert wie eh und je

(rsn) - Das letzte Jahr war grandios für die nur 28 Fahrer von Soudal - Quick-Step: 42 Siege erzielten sie, immerhin neun verschiedenen Athleten waren dabei erfolgreich. Aus der Breite stach natürli

26.01.2025Red Bull pilotiert Welsford auch in Adelaide zum souveränen Sieg

(rsn) – Sam Welsford hat sich auf der Schlussetappe in Adelaide seinen dritten Tagessieg bei der 25. Tour Down Under (2.UWT) gesichert und damit seine Ausbeute aus dem Vorjahr wiederholt. Der Austra

26.01.2025Copponi erfüllt mit Jubelpose in Adelaide ihren Wetteinsatz

(rsn) – Clara Copponi (Lidl – Trek) hat den erstmals ausgetragenen Schwalbe Women´s Classic (1.Pro) auf dem Rundkurs der Schlussetappe der Tour Down Under der Männer in Adelaide gewonnen und dab

26.01.2025Lopez nach wiederholter ´sticky bottle´ disqualifiziert

(rsn) – Juan Pedro Lopez (Lidl – Trek) ist von der Jury vor dem Start der Schlussetappe der Tour Down Under (2.UWT) aus dem Rennen genommen worden. Damit reagierten die Offiziellen auf Vorkommniss

25.01.2025Morgado in schwierigem Finale von Onda klar der Stärkste

(rsn) – António Morgado (UAE - Emirates - XRG) hat in Onda in der Provinz Castellón nördlich von Valencia den zum erst zweiten Mal ausgetragenen Gran Premio Castellón – Ruta de la Cerámica (1

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour of Sharjah (2.2, UAE)